2.12.4 (vpa1p): 2. Berichterstattung über die Vorarbeiten für eine Notverordnung sowie Reichshaushaltsplan 1932.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 8). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

Extras:

 

Text

RTF

2. Berichterstattung über die Vorarbeiten für eine Notverordnung sowie Reichshaushaltsplan 1932.

Reichsminister Graf Schwerin von Krosigk hielt einen eingehenden Vortrag über das Etatbild 1932. Er benutzte dabei eine Aufzeichnung, die sich bei der Niederschrift über die Chefbesprechung in der Reichskanzlei vom 4. Juni 1932 befindet4. Er kam zu dem Ergebnis, daß im Reichshaushaltsplan 1932 ein offener Fehlbetrag von 192 Millionen zu decken bleibt. Er bemerkte weiter, daß zur Abdeckung dieses Betrages gedacht sei an die Wiedereinführung der Salzsteuer, die einen Jahresertrag von 70 Millionen erbringen würde, an Kürzungen in der Kriegsopferversorgung (Beschneidung gewisser Überspitzungen im bisherigen Versorgungsverfahren) – geschätzter Betrag 40 Millionen – und schließlich an Herabsetzung des Reichsanteils für die Arbeitslosenfürsorge. Bisher sind im Etat vorgesehen 980 Millionen. Dieser Betrag soll um 100 Millionen gekürzt werden. Durch diese Maßnahmen würde der Fehlbetrag von 192 Millionen abzudecken sein. Der Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben habe zur Voraussetzung, daß gewisse Änderungen des Umsatzsteuergesetzes erfolgen, für die bestimmte Vorschläge vorbehalten bleiben.

4

Vgl. Dok. Nr. 9, Anlage.

Sodann entwarf Reichsminister Graf Schwerin von Krosigk einen Finanzierungsplan der Arbeitslosenhilfe im Rechnungsjahr 1932. Er kam zu dem Ergebnis, daß ein Fehlbetrag von rund 400 Millionen RM zu decken ist. Für den Ausgleich[29] dieses Fehlbetrages stellte er die in der Anlage zusammengestellten Vorschläge zur Erörterung (Anlage zur Niederschrift5). Anschließend an diesen Vortrag richtete der Reichsminister der Finanzen an die Ressortminister die dringende Bitte, die Einzelpläne ihrer Ministerien einer nochmaligen intensiven Durchprüfung zu unterziehen zur Ermöglichung weiterer Kürzungen auf der Ausgabenseite, indem er darauf hinwies, daß der Etat, so wie er aufgestellt sei, abgesehen von den besonderen Gefahrenposten, die er namhaft machte6, im großen und ganzen so vorsichtig aufgestellt sei, daß Überraschungen wegen des Entstehens neuer Fehlbeträge wohl nicht zu befürchten seien, daß aber noch eine Reihe von Ausgabenposten unberücksichtigt geblieben sei, die nur aus den weiter zu machenden Abstrichen gedeckt werden können.

5

In dem beiliegenden Finanzierungsplan hatte der RFM zur Deckung des nunmehr auf 814 Mio RM veranschlagten Fehlbetrages in der Arbeitslosenhilfe (vgl. Dok. Nr. 9, Abschnitt V der Anlage) zunächst folgende Einsparungen für die Zeit vom 1.7.32 bis 31.3.33 vorgeschlagen, von denen er sich eine Reduzierung des Fehlbetrages auf 387 Mio RM erhoffte: Arbeitslosenunterstützung: a) Einführung der Hilfsbedürftigkeitsprüfung nach 6 Wochen, b) Senkung der Unterstützungsleistungen um 23%; Krisenunterstützung: a) Einführung der Hilfsbedürftigkeitsprüfung, b) Senkung der Unterstützungsleistungen um 10%, c) Einführung der um 15% gesenkten Wohlfahrtssätze als Höchstsätze in der Krisenunterstützung; Wohlfahrtserwerbslosenunterstützung: Senkung der Unterstützungsleistungen um 15%. – Zur Deckung des hiernach noch verbleibenden Fehlbetrages von 387 Mio RM waren in dem Finanzierungsplan des RFM drei Alternativvorschläge enthalten, von denen (der gegen Ende der obigen Ministerbesprechung schließlich gebilligte) „Vorschlag c“ wie folgt lautete:

6

Hierzu RbkPräs. Luther in einer längeren Aufzeichnung (7. 6.) über diese Ministerbesprechung u. a.: Der RFM „nannte als Gefahrenpunkt für den zukünftigen Haushalt die in der Niederschrift vom 4. Juni unter II 1, 2, 3 und 4 [richtig: III a, b, c, und d; vgl. Dok. Nr. 9] genannten Posten, wobei er hinsichtlich 4 [richtig: d] einen Appell an den Reichswehrminister richtete, die Ersparnis effektiv zu gestalten. Der Finanzminister fügte als neuen Posten hinzu, daß die Reichsbahn geschrieben habe, wenn die Mindereinnahmen so fortdauerten, so würde sie das Reich wegen der Verzinsung der Vorzugsaktien in Anspruch nehmen müssen, was 79 Mill. ausmachen würde.“ (NL. Luther 342).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft meldete als solchen bisher nicht berücksichtigten Ausgabenposten Summen für die Fortsetzung der Siedlung an. Diese Forderung wurde von dem Reichsminister des Innern lebhaft unterstützt. Er führte an, daß zunächst für das kommende Jahr ein gewisser Landvorrat im Osten für Siedlungszwecke sichergestellt werden müsse. Zu diesem Zweck müsse man auf die siedlungsfähigen Teile der nicht entschuldungsfähigen[30] Grundstücke im Osthilfegebiet zurückgreifen. Ferner sei es nötig, Mittel vorzusehen, um schon in diesem Jahr die erforderlichen Baustoffe zu beschaffen für die im kommenden Jahr auf den genannten Grundstücken anzusetzende landwirtschaftliche Siedlung. Er sprach sich ferner für die Zusammenfassung der Siedlungsaufgaben in einer Hand aus, und zwar im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft7.

7

Vgl. Anm. 8 und 9 zu Dok. Nr. 5.

Der Reichskanzler bat, das Thema der Siedlung einstweilen nicht zu vertiefen, da darüber in einer späteren Sitzung eingehend zu sprechen sein werde.

Der Reichsarbeitsminister meldete finanzielle Forderungen für die Fortsetzung der vorstädtischen Randsiedlung8 an, für die im Etat bisher weitere Summen nicht vorgesehen seien.

8

Die städtische Randsiedlung (auch „vorstädtische Kleinsiedlung“) war im November 1931 auf Grund der VO des RPräs. vom 6.10.31 (RGBl. I, S. 537 ) in Angriff genommen worden. Das Reich hatte zunächst 48 Mio und im Juni 1932 weitere 25 Mio RM zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln wurden bis Ende 1932 annähernd 74 000 Kleingärten und 26 000 Kleinsiedlerstellen für Erwerbslose gefördert. Einiges Aktenmaterial hierzu in R 43 I /1290  und R 41 (Rep. 318)/77.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß solche Summen nur in Aussicht gestellt werden könnten, wenn die von den Ressorts erwarteten Einsparungen entsprechend hohe Beträge ergeben würden9.

9

Hierzu Luther in seiner Aufzeichnung vom 7. 6. (vgl. oben Anm. 6): „Unerledigt blieb die aus der Erörterung sich ergebende Feststellung, daß neue Mittel weder für die landwirtschaftliche Siedlung noch für die städtische Randsiedlung vorgesehen sind. Die Beträge, die sich dafür nunmehr im Etat finden, beziehen sich sämtlich auf die im vorigen Etatjahre begonnenen Siedlungen. Der Innenminister von Gayl machte dringend darauf aufmerksam, daß spätestens im August für die landwirtschaftliche Siedlung wieder 50 Mill. zur Verfügung stehen müßten, sofern überhaupt die Siedlung fortgesetzt werden solle. Die Pläne der bisherigen Regierung sowohl hinsichtlich einer ganz bescheidenen Form der Siedlung wie auch hinsichtlich der geldlosen Beschaffung von Land [vgl. Akten der Reichskanzlei: die Kabinette Brüning I/II, Dok. Nr. 737; 738; 741; 749; 759, P. 1 d; 768; 771] und Baumaterialien lehnte Herr von Gayl ab. Eine Diskussion darüber fand nicht statt, auch ich ergriff nicht das Wort, da ich erst die grundsätzliche Erörterung über die Arbeitsbeschaffung abwarten will, die der Reichskanzler in Aussicht stellte. Krosigk gab Auskunft darüber, daß die frühere Regierung, soweit in ihrem Programm Barmittel für die Siedlung und gewisse andere Teile der Arbeitsbeschaffung als notwendig angesehen wurden, die Prämienanleihe in Aussicht genommen hatte.“ – Zum Fortgang in der Siedlungsfrage s. Dok. Nr. 33, P 4 b und Dok. Nr. 77, P. 2.

Bezüglich der vom Reichsminister der Finanzen zur Erörterung gestellten Vorschläge zur Deckung der Arbeitslosenfürsorge entschied sich das Kabinett grundsätzlich für die Annahme des Vorschlages c)10.

10

Vgl. oben Anm. 5.

Der Reichsminister der Finanzen übernahm es, auf dieser Grundlage die erforderlichen Einzelvorlagen für die nächste Sitzung vorzubereiten.

Der Reichsarbeitsminister schilderte sodann die finanzielle Lage der Invalidenversicherung und kündigte eine Vorlage an, durch die versucht werden soll, in der Invalidenversicherung das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen11.

11

Luther in seiner Aufzeichnung vom 7. 6. (vgl. oben Anm. 6) hierzu u. a.: „Hinsichtlich der Invalidenversicherung ergab sich aus Vorträgen des Finanzministers und des Arbeitsministers, daß Kürzungen der Leistungen geplant sind, die das Gleichgewicht im Haushalt herstellen werden, freilich unter Offenbleiben eines Betrages von 50 Mill., den der Arbeitsminister im Laufe des Jahres hofft, durch Verkauf von Effekten erzielen zu können, wobei er um den Rat und die Hilfe der Reichsbank zu bitten sich vorbehält.“ – Zur Invalidenversicherung s. weiter Dok. Nr. 17, dort bes. Anm. 25.

Das Kabinett nahm hiervon Kenntnis.

Extras (Fußzeile):