2.122.3 (vpa1p): 3. Außerhalb der Tagesordnung: Vorbereitung der Besprechung des Reichsministers der Finanzen mit den Finanzministern der Länder.

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3. Außerhalb der Tagesordnung: Vorbereitung der Besprechung des Reichsministers der Finanzen mit den Finanzministern der Länder.

Der Reichsminister der Finanzen erinnerte daran, daß er etwa Mitte September sein Versprechen einlösen müsse, die Finanzminister der Länder zu einer Aussprache nach Berlin einzuladen23. Es liege ihm daran, zuvor eine Reihe von Einzelfragen im Kabinett zu klären, die zum Teil schon in der kommenden Notverordnung vorweg geregelt werden müßten. Es handele sich in der Hauptsache um 4 Fragen:

23

Über Verlauf und Ergebnis der Aussprache (20.9.32) s. die Mitteilungen des RFM in der Ministerbesprechung am 24. 9. (Dok. Nr. 155, P. 3.)

1.) Verteilung der Wohlfahrtshilfe.

In der Verordnung des Reichspräsidenten vom 14. Juni 193224 sei bei den Vorschriften über die Wohlfahrtshilfe – Zweiter Teil, Kapitel I – vorgesehen, daß die Länder 10 v. H. der auf ihre Bezirksfürsorgeverbände entfallenden Beträge einem Ausgleichsstock zuführen, der zugunsten besonders stark belasteter Gemeinden zu verwenden sei. Der Wunsch der Länder gehe dahin, dieses Zehntel auf zwei Zehntel zu erhöhen. Er habe keine Bedenken, diesem Wunsch zu entsprechen und dies durch die kommende Notverordnung zu regeln.

24

RGBl. I, S. 273, 278.

Der Reichskanzler stellte die Zustimmung des Reichskabinetts hierzu fest25.

25

Vgl. RGBl. I, S. 425, 429.

[487] 2.) Schlachtsteuer und Gehaltskürzung.

Die Mehrzahl der Länder sehe sich in die Zwangslage versetzt, zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben in ihren Landeshaushalten sowohl eine Schlachtsteuer einzuführen wie auch die Beamtengehälter zu kürzen26. Von diesen Ländern werde mit steigender Nachdrücklichkeit die Forderung erhoben, daß das Reich durch eine Anordnung von Reichs wegen die Grundlagen für derartige neue Belastungen schaffen möge. Insbesondere soll das Reich mit einer Gehaltskürzung vorangehen, da es den Länderregierungen unmöglich sei, von sich aus unter die Reichsbesoldung herunterzugehen. Er habe in Vorbesprechungen den Ländern keinen Zweifel daran gelassen, daß weitere allgemeine Gehaltskürzungen dem Grundgedanken des Wirtschaftsprogramms der Reichsregierung zuwiderliefen, daß daher die Reichsregierung sich höchstwahrscheinlich zu allgemeinen Gehaltskürzungen nicht bereitfinden werde. Ebensowenig sehe die Reichsregierung eine Veranlassung, sich in der Frage der Schlachtsteuer vorspannen zu lassen.

26

Die Einführung der Schlachtsteuer sowie eine Kürzung der Beamtengehälter waren in Preußen bereits durch VO „zur Sicherung des Haushalts“ vom 8.6.32 erfolgt. Vgl. Anm. 7 zu Dok. Nr. 11.

Das Kabinett beschloß, den Ländern als Meinung der Reichsregierung mitteilen zu lassen, daß hinsichtlich der Beamtenbesoldung grundsätzlich auf die Verhältnisse von 1914 zurückgegangen werden müsse. Auf diese Weise würden die Länder die Möglichkeit haben, diejenigen Beamtenkategorien, deren Bezüge gegenüber von 1914 auch heute noch erheblich überhöht sind, – insbesondere die Besoldung der Lehrer und Lehrerinnen – weiter zu kürzen27. Eine allgemeine schematische Kürzung der Reichsbesoldung wird abgelehnt werden. In der Frage der Schlachtsteuer kommen Maßnahmen des Reichs nicht in Frage.

27

Hierzu Luther in einer undatierten Aktennotiz über obige Ministerbesprechung: „Bei dieser Gelegenheit wurde mitgeteilt, daß in Preußen jetzt alle Gehälter unter 1914 liegen mit Ausnahme der Gehälter der Volksschullehrer, die 500 Mark darüber liegen, und der Lehrerinnen, die 900 Mark darüber liegen.“ (NL Luther  347).

3.) Eisenbahnabfindung28.

28

Zum Sachverhalt vgl. Anm. 19 zu Dok. Nr. 42.

Von seiten der Länder komme man immer wieder darauf zurück, daß die Eisenbahnabfindung der Länder noch nicht geregelt sei. Er habe in den Vorbesprechungen keine Zweifel darüber gleassen, daß die tatsächliche Lösung dieser Frage nur auf dem Wege einer Änderung des Finanzausgleichs möglich sein werde. Denn wenn das Reich den Ländern nur von der Größenordnung, die für die Eisenbahnabfindung in Frage kämen, auszahlen müsse, müsse das Reich sich in anderer Weise bei den Ländern für diese Summen entlasten. Dieser Hinweis habe bisher bei den Ländern nur wenig Eindruck gemacht. Im gegenwärtigen Augenblick werde von den Ländern insbesondere gefordert, daß das Reich aus seinem Restbesitz an Reichsbahnvorzugsaktien im Betrage von 100 Millionen RM einen Teilbetrag von 70 Millionen RM den Ländern zur Verfügung stellen möge, um ihnen die Möglichkeit zu geben, durch Lombardierung dieser Aktien in den Besitz von Kassenmitteln zu kommen. Eine Entscheidung des Reichskabinetts zur Sache sei heute noch nicht erforderlich. Er müsse nur darauf aufmerksam machen, daß er sich bei Besprechung mit den Finanzministern[488] der Länder notfalls auf eine Erörterung dieser Frage werde einlassen müssen29.

29

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 149, P. 6.

4.) Forterhebung der Bürgersteuer.

Von seiten der Gemeinden und auch der Länder werde nachdrücklichst gefordert, daß spätestens ab 1. Oktober d.J. die Erhebung weiterer Raten der Bürgersteuer30 zugestanden werde; anderenfalls sei der Zusammenbruch der Gemeindefinanzen unvermeidlich. Dieser Forderung werde die Reichsregierung kaum ausweichen können.

30
 

Gemeindesteuer auf Grund der NotVO vom 26.7.30 (RGBl. I, S. 311 , 314). Ihre Forterhebung war u. a. von dem Berliner OB Sahm bereits Mitte Juni 1932 gefordert worden. Vgl. Dok. Nr. 19.

Der Reichswehrminister stellte die Frage, ob die Bürgersteuer bei dieser Gelegenheit nicht umgewandelt werden könne, indem man aus ihr das mache, was sie ursprünglich habe sein sollen, nämlich eine Kopfsteuer. In der jetzigen Form stelle sie einen stark progressiv gestaffelten Zuschlag zur Einkommensteuer dar.

Der Reichsminister der Finanzen antwortete, daß es sich für 1932 im wesentlichen nur um die Forterhebung der Steuer in der bisherigen Form handeln könne, allerdings mit gewissen Erleichterungen. Insbesondere werde man bei der Weitererhebung für 1932 die Belastung der Ehefrau wegfallen lassen müssen. Für 1933 werde man die Steuer weitgehend umgestalten können.

Das Reichskabinett erklärte sich grundsätzlich damit einverstanden, daß in die in Vorbereitung befindliche Notverordnung eine Bestimmung aufgenommen wird, durch die die Gemeinden ermächtigt werden, die Bürgersteuer für das letzte Viertel des Kalenderjahres 1932 auf der Grundlage der bisherigen Vorschriften in der Höhe der Hälfte des Steuersatzes zu erheben, mit dem sie die Bürgersteuer für das Rechnungsjahr 1931 erhoben haben. Hierbei sollen jedoch gewissen Erleichterungen eingeführt werden, über die der Reichsminister der Finanzen noch nähere Vorschläge dem Kabinett unterbreiten wird (Freilassung der Ehefrau).

Ferner soll eine Bestimmung aufgenommen werden, durch die den Landesregierungen die Befugnis eingeräumt wird, in den Gemeinden des Landes, die die Bürgersteuer bisher nicht erhoben haben, die Einführung der Steuer zur Pflicht zu machen31.

31

Zur weiteren Behandlung s. Dok. Nr. 123, P. 2.

Anschließend an diese vier Fragen stellte der Reichsminister der Finanzen eine Reihe weiterer Einzelfragen zur Erörterung, die mit der bevorstehenden Konferenz der Finanzminister der Länder nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, nämlich:

1.) Herabsetzung der Steuerverzugszuschläge.

Auf seinen Vorschlag beschloß das Kabinett, damit einverstanden zu sein, daß die Zuschläge für Steuerrückstände, die bisher 1½ v. H. für jeden angefangenen halben Monat betragen haben32, auf 1 v. H. für jeden angefangenen halben Monat herabgesetzt werden.

32

Gemäß § 1 der II. VO des RPräs. „über Zuschläge für Steuerrückstände“ vom 22.1.32 (RGBl. I, S. 31 ).

[489] Eine entsprechende Bestimmung soll in die in Vorbereitung befindliche Notverordnung aufgenommen werden.

2.) Änderung der Gemeindebiersteuerentschädigung.

Auf Vorschlag des Reichsministers der Finanzen beschloß das Kabinett, die Gemeindebiersteuerentschädigung33 für den Rest des Rechnungsjahres 1932 nach einem Maßstab zu verteilen, der auf der breiteren und daher tauglicheren Grundlage des Aufkommens in der Zeit vom 1. Oktober 1931 bis 30. Juni 1932 (bisher 1. Oktober bis 31. Dezember 1931) errechnet wird.

33

Seit der NotVO des RPräs. vom 26.7.30 (RGBl. I, S. 311 , 314) waren die Gemeinden berechtigt, „eine Steuer auf den örtlichen Verbrauch von Bier (Gemeindebiersteuer)“ nach reichsrechtlich vorgeschriebenen Sätzen (z. B. bei Schankbier 3,75 RM, bei Vollbier 5 RM für den Hektoliter) zu erheben. Durch die VO vom 19.3.32 (RGBl. I, S. 135 , 136) waren diese Sätze um 20% gesenkt, den Gemeinden aber aus Mitteln des Reichs 28 Mio RM zum Ausgleich ihrer Einnahmeverluste zur Verfügung gestellt worden. Bei der Verteilung dieses Betrages sollte vom Aufkommen an Gemeindebiersteuer in der Zeit vom 1. 10. bis 31.12.31 ausgegangen werden.

Auch diese Änderung soll in die neue Notverordnung aufgenommen werden.

3.) Einschränkung der Personalausgaben der subventionierten Unternehmungen.

Auf Vorschlag der Reichsministers der Finanzen beschloß das Kabinett, in der neuen Notverordnung eine Bestimmung vorzusehen, durch die die Reichsregierung ermächtigt wird, allgemein oder im Einzelfall anzuordnen, daß die Dienstbezüge eines Angestellten bei Unternehmen, Anstalten, Einrichtungen sowie bei Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen das Reich, ein Land oder eine Gemeinde eine Finanzbeihilfe zuwendet, für die Dauer der fianziellen Beihilfe die Dienstbezüge eines Reichsministers nicht übersteigen dürfen34.

34

Eine Begrenzung bezw. Reduzierung der Angestelltenbezüge in derartigen Unternehmen war in vorangegangenen Sitzungen der RReg. – insbesondere bei Beratung des Ankaufs der Gelsenkirchener Bergwerks AG durch das Reich – mehrfach als dringend erforderlich bezeichnet worden. Vgl. dazu Dok. Nr. 75, P. 3 und Dok. Nr. 104, P. 2. – Zur endgültigen Beschlußfassung über den diesbez. Teil der NotVO s. Dok. Nr. 123, P. 2.

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