2.19.1 (vpa1p): Politische Lage.

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Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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Politische Lage.

Der Reichskanzler eröffnete die Sitzung und begrüßte die anwesenden Vertreter der Länder. Er bat, etwaige Anregungen zu der geplanten Notverordnung der Reichsregierung zur Erhaltung der Arbeitslosenhilfe, der Sozialversicherung usw.3 zur Sprache zu bringen.

3

Die zuletzt am 9. 6. im Kabinett behandelte VO (Dok. Nr. 17). – Zur Unterrichtung der Ländervertreter über die Haushaltslage des Reichs sowie über die finanziellen und sozialpolitischen Auswirkungen der geplanten Notverordnung hatte der RFM dem StSRkei am 10. 6. eine umfangreiche Materialzusammenstellung mit der Bitte übersandt, sie den „Ministerpräsidenten und Finanzministern alsbald nach ihrer Ankunft heute oder morgen vormittag vor Beginn der Sitzung“ vorzulegen (R 43 I /2043 , Bl. 196–208).

Der Preußische Finanzminister betonte die Notwendigkeit der Arbeitsbeschaffung. Alle Kräfte müßten hierauf konzentriert werden.

Staatsrat Dr. Schäffer (Bayern) führte aus, daß im Falle der Einführung einer Salzsteuer4 auch der Salzzoll erhöht werden müsse. Er betonte weiter, daß die Dietramszeller Notverordnung vom 24. August 1931 nach seiner Auffassung nicht notwendig sei. Auf keinen Fall dürfe die dort für die Landesregierungen ausgesprochene Ermächtigung in eine Verpflichtung umgewandelt werden5. Er stellte den Antrag, daß die Reichsregierung auf einen Ausbau der Dietramszeller Notverordnung verzichte.

4

Vgl. Anm. 11 zu Dok. Nr. 17.

5

Vgl. Dok. Nr. 17, dort auch Anm. 7 und 8.

Im übrigen müsse er betonen, daß die Arbeitsverwaltung zu teuer sei. Auf diesem Gebiet ließen sich noch viele Ersparnisse erzielen.

Der Sächsische Ministerpräsident sprach sich gleichfalls gegen einen Ausbau der Dietramszeller Notverordnung aus.

Der Reichsminister der Finanzen legte die Etats- und Kassenlage des Reichs6 eingehend dar. Er betonte den Ernst der Lage und wies darauf hin, daß die Reichsregierung sich in Würdigung des Ernstes der Lage zu den in dem Entwurf niedergelegten Maßnahmen entschlossen habe.

6

Vgl. Dok. Nr. 9 und Dok. Nr. 12, P. 2.

Im übrigen führte er aus, daß die Reichsregierung auf einen Ausbau der Dietramszeller Notverordnung eventuell verzichten könne7.

7

S. dazu weiter Dok. Nr. 24, P. I.

Von den Vertretern verschiedener Länder, u. a. der Länder Württemberg (Finanzminister Dehlinger), Baden (Finanzminister8 Dr. Maier, Thüringen (Staatsminister Baum), Hamburg (Senator Matthaei), Braunschweig (Staatsminister Dr. Küchenthal) sowie von dem Oberbürgermeister der Stadt Berlin (Dr. Sahm) wurde betont, daß alles geschehen sei, um die Finanzen in Ordnung zu bringen. Weitere Gehaltskürzungen seien jedoch nicht mehr möglich. Das müßte auch zu einer[61] Erbitterung der betreffenden Landes- beziehungsweise Gemeindebeamten führen9.

8

Richtig: Innenminister.

9

Über die vorstehende Aussprache Held in seiner Aufzeichnung vom 14. 6. (Anm. 1 zu Dok. Nr. 18) u. a.: Der Beratung „lag zugrunde ein Memorandum der Reichsregierung“ (vgl. oben Anm. 3), das „die einzelnen Bestimmungen der Notverordnung nach der finanziellen wie auch nach der sozialpolitischen Seite erörterte. In einer längeren Rede sachlicher Art begründete Reichsfinanzminister Graf Schwerin-Krosigk die Notverordnung in ihrem finanziellen Teil, Reichsarbeitsminister Schäffer die Maßnahmen im Sozialversicherungswesen und der sozialen Gesetzgebung. An diese beiden Referate schloß sich eine mehr als dreistündige sehr lebhafte Aussprache zwischen den Staatsministern, den Reichsratsbevollmächtigten und der Reichsregierung an. Für Preußen sprach der preußische Finanzminister Klepper in sehr ausführlicher Weise und übte lebhafte Kritik an einzelnen Teilen der Notverordnung, insbesondere an der verschleierten Beamtengehaltskürzung, an dem Eingriff in die Hoheitsrechte der Länder gegenüber den Gemeinden usw.StR Schäffer nahm sodann „in eingehenden Ausführungen Stellung zu den Vorschlägen der Reichsregierung, bekämpfte die Art der steuerlichen Maßnahmen, bekundete sein Mißtrauen gegen die Etataufstellung des Reiches, weil die Einnahmeposten viel zu hoch gegriffen und die neuen Einnahmequellen vielfach verfassungsbedenklich seien und weil die Länderhoheitsrechte zum Teil überhaupt mißachtet, zum Teil rechtswidrig eingeengt würden. Er stellte eine sachliche Mitarbeit in Aussicht für den Fall, daß die Reichsregierung sich von Experimenten freihalte, die nach der verfassungsrechtlichen wie nach der sozialrechtlichen und sozialpolitischen Seite zu Bedenken Anlaß gäben. Im übrigen lehnte er die Notverordnung ab und stellte den Antrag, die Bestimmungen zu streichen, die aus einer Kannvorschrift der Dietramszeller Notverordnung vom 24.8.31 eine Mußvorschrift machen wollten. Diesem Antrage wurde schließlich stattgegeben. Die meisten Ländervertreter ergriffen zu dem aufgeworfenen Thema das Wort und lehnten mehr oder weniger scharf die Mitübernahme einer Verantwortung für diese Notverordnung ab. Von Seiten der Reichsregierung versuchten Reichskanzler und Reichsfinanzminister und schließlich auch der Reichsarbeitsminister noch einmal eine Verteidigung der Maßnahmen der bevorstehenden Notverordnung. Eine Einigung wurde nicht erzielt.“

Staatsminister Dr. Küchenthal (Braunschweig) betonte besonders, daß die Holzzölle erhöht werden müßten10.

10

Zur vorangegangenen Beratung über die (von verschiedenen Landesregierungen geforderte) Erhöhung der Holzzölle vgl. diese Edition: Die Kabinette Brüning I/II Dok. Nr. 662, P. 2. – Durch VO des RFM vom 14.6.32 (RGBl. I, S. 301 ) wurden die Zolltarife für zahlreiche Holzarten beträchtlich angehoben. Bei einigen „Weichhölzern“ (Grubenholz, Eisenbahnschwellen, Telegrafenstangen) sollte der Zollsatz demnach künftig 0,40 RM/dz (bisher 0,12 RM/dz) betragen. Einige Aktenmaterialien (u. a. Eingaben mehrerer Landesregierungen und der Forstwirtschaftsverbände) in R 43 I /1295 .

Oberbürgermeister Dr. Sahm bat um die Ermächtigung zur Weitererhebung der Bürgersteuer und führte im übrigen aus, daß ein Betrag von 50 Millionen RM zur Besserung der Kassenlage der Stadt Berlin notwendig sei.

Der Reichsminister der Finanzen sagte eine eingehende Prüfung der Holzzollfrage zu11.

11

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 149, P. 2a.

Die Sitzung wurde um 7 Uhr geschlossen.

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