2.33.1 (vpa1p): 1. Ankauf der Gelsenkirchen-Aktien durch das Reich.

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1. Ankauf der Gelsenkirchen-Aktien durch das Reich.

Staatssekretär Dr. Zarden teilte mit, daß seit Sonntag, den 19. Juni, die Presse von Mitteilungen über den Ankauf eines Pakets von Gelsenkirchen-Aktien durch das Reich voll sei1. Er, Staatssekretär Zarden, habe folgenden Sachverhalt ermittelt:

1

Einige Zeitungsausschnitte (u. a. „Berliner Börsenzeitung“ vom 21. 6.) hierzu in R 43 I /2179 , Bl. 184–186.

Die Charlottenhütte habe ein Paket Gelsenkirchen-Aktien bei der Dresdner Bank hoch beliehen. Die Aktien seien zeitweise unter einen Kurs von 20 gefallen. Gemäß den Beleihungsbedingungen habe die Dresdner Bank jedoch nicht[110] Nachschüsse fordern können. Der Kredit hätte in der nächsten Zeit zurückgezahlt werden müssen. Generaldirektor Flick habe dieses Paket Gelsenkirchen-Aktien, und zwar Aktien im Nominalbetrage von 110 Millionen RM, im März 1932 dem damaligen Reichsminister der Finanzen Dietrich zum Kauf angeboten. Flick habe betont, daß auf dieses Aktienpaket u. a. eine holländisch-französische und eine Übersee-Gruppe reflektierte, die einen sehr hohen Preis bezahlen wollten2.

2

Zur Vorgeschichte und zum Sachverhalt vgl. auch die Stellungnahme Dietrichs vom 15. 7. (Dok. Nr. 61).

Ende März sei folgender Vorvertrag zustande gekommen3. Flick verkaufe das Aktienpaket an Hardy, und zwar 100 Millionen Aktien zum Kurse von 90, 10 Millionen Aktien zum Kurse von 60. Das Reich habe sich ausbedungen, in diesen Vertrag einzutreten4. Wahrscheinlich sei Reichsminister Dietrich zu diesem Vertrage durch folgende Erwägungen bestimmt worden: Die Gelsenkirchen-Aktiengesellschaft müsse vor Überfremdung geschützt werden. Es müsse aber auch eine Gefährdung der Dresdner Bank vermieden werden, die durch den starken Kurssturz der Aktien im Falle der nicht ordnungsmäßigen Rückzahlung der kreditierten Summe in Schwierigkeiten geraten könnte.

3

Zur Datierung der einzelnen Verhandlungsphasen und Vertragsschlüsse vgl. die Mitteilungen Flicks vom 29. 6. (Dok. Nr. 44).

4

Die entscheidenden Verhandlungen hatten Mitte März 1932 stattgefunden. Ihr Ergebnis wurde von Flick mit Schreiben an RFM Dietrich vom 17. 3. wie folgt zusammengefaßt: „Die Charlottenhütte verpflichtet sich, der von Ihnen noch zu bezeichnenden Stelle zu liefern: nom. RM 100 000 000.– Aktien der Gelsenkirchener Bergwerks AG. Die Charlottenhütte verpflichtet sich ferner, weitere nom. RM 10 000 000.– Gelsen-Aktien der betreffenden Stelle für deren Rechnung zu verschaffen. Die Charlottenhütte steht dafür ein, daß die Beschaffung dieser nom. RM 10 000 000.– Gelsen-Aktien innerhalb von fünf Monaten erfolgt und daß dafür nicht mehr als RM 6 000 000.– aufzuwenden sind. Hiergegen sind zu übernehmen: Verpflichtungen der Charlottenhütte an deutsche Banken im Werte von RM 65 000 000.– laut beiliegender Aufstellung. Darin sind enthalten im Werte von RM 26 200 000.– Schulden der Gelsenkirchener Bergwerks AG (Pos. 1–3 der Anlage), die die Charlottenhütte von dieser Gesellschaft gegen Lieferung von nom. RM 13 100 000.– Aktien der Rheinischen AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation übernehmen wird. – Der Verkäufer wird sich für die Verlängerung der in dem beiliegenden Verzeichnis aufgeführten Kredite einsetzen, wobei angestrebt werden soll, daß die Fälligkeit der Kredite nicht kürzer eintritt als nach drei bis fünf Jahresraten. Soweit Kredite unter das Stillhalteabkommen [vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 4] fallen, soll angestrebt werden, daß ihre Fälligkeit erst bei Ablauf der Stillhaltefristen eintritt. – Ferner erhält die Charlottenhütte unverzinsliche, bei der Reichsbank diskontierbare Reichsschatzanweisungen (Schatzscheine) im Betrage von RM 25 000 000.– zuzüglich des Diskontes. Die Lieferung der Schatzscheine soll in vier Monatsraten erfolgen; soweit die Lieferung nicht sofort erfolgt, sollen sie auf Goldbasis gestellt werden. – Die Festlegung der Einzelheiten des Abkommens soll durch Herrn Dr. von der Porten mit der von Ihnen noch zu bestimmenden Stelle unter Gewährleistung des Reiches erfolgen.“ (Abschrift in R 43 I /2179 , B. 187–188). Die dem Schreiben beigefügte Aufstellung der von der RReg. zu übernehmenden Verpflichtungen der Charlottenhütte (Gesamtbetrag: 65 Mio RM) weist folgende Positionen auf: 1) Dedibank, Berlin: 12,6 Mio, 2) Simon Hirschland, Essen: 7,3 Mio, 3) A. Levy, Köln: 6,3 Mio, 4) Danatbank, Berlin: 18,42 Mio, 5) Reichskredit-Gesellschaft, Berlin: 2,625 Mio, 6) Dedibank, Berlin: 1,47 Mio, 7) Seehandlung: 3 Mio, 8) Berliner Handelsgesellschaft: 2,1 Mio, 9) Berliner Handelsgesellschaft: 2,448 Mio, 10) Simon Hirschland, Essen: 2,175 Mio, 11) A. Levy, Köln: 6,562 Mio RM. – Von RFM Dietrich wurde diese Abmachung durch Schreiben an die Aktiengesellschaft Charlottenhütte vom 18.3.32 ausdrücklich bestätigt. Auch hierin wurde auf die noch ausstehende endgültige „Festlegung aller Einzelheiten“ verwiesen (Abschrift ebd., Bl. 189).

Reichsminister Dietrich habe sämtliche Verhandlungen persönlich geführt. Er habe nur ein Bestätigungsschreiben an Flick von dem Justitiar des Reichsfinanzministeriums, Ministerialrat Dr. Schwandt, entwerfen und von ihm zeichnen lassen. Der damalige Staatssekretär Dr. Schäffer habe ihm, Dr. Zarden, auf[111] Anfrage mitgeteilt, daß er von der ganzen Angelegenheit nichts wisse5. In demselben Sinne habe sich der damalige Leiter der Etatsabteilung, jetzige Reichsminister der Finanzen Graf Schwerin von Krosigk, geäußert. Die ganze Sache falle also der jetzigen Reichsregierung nicht zur Last, sondern lediglich dem damaligen Reichsminister der Finanzen Dietrich. Daß das damalige Reichskabinett von der Angelegenheit unterrichtet worden sei, sei nicht anzunehmen. Dagegen könne angenommen werden, daß Reichskanzler Dr. Brüning und Reichswirtschaftsminister Dr. Warmbold von der Angelegenheit gewußt hätten6. Soweit er, Staatssekretär Dr. Zarden, unterrichtet sei, sei dieses Geschäft auch mit ein Grund für das Ausscheiden des Reichsministers Warmbold aus dem damaligen Reichskabinett gewesen7.

5

StS a. D. Schäffer hierzu in seinem Tagebuch unter dem 30.6.32: Flick habe ihm „ungefragt auf Ehrenwort“ versichert, „daß sowohl Vögler als er immer das Gefühl hatten, es sei nicht richtig, die Sache zu machen, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen. Sie seien aber auf Anweisung von Dietrich, mit niemandem zu sprechen, daran gehindert gewesen. Auf meine Frage, ob sie Dietrich gesagt hätten, daß sie mit mir sprechen wollten, bleibt er die Antwort schuldig.“ (Schäffer-Tagebuch, IfZ. ED 93, Bd. 21, S. 622).

6

Vgl. Dok. Nr. 36.

7

Zum Ausscheiden Warmbolds (5.5.32) vgl. diese Edition: Die Kabinette Brüning I/II, Dok. Nr. 729.

Der Reichsminister des Innern teilte mit, daß der Stahlverein die Reichsregierung gebeten habe, nichts zu tun, was den Stahlverein gefährden könnte.

Der Reichswehrminister teilte mit, daß in den Tagen der Bildung der jetzigen Reichsregierung Reichsminister Dietrich ihm erklärt habe, seine (Dietrichs) Mitwirkung bei den finanziellen Dingen würde wohl auch künftighin erforderlich sein. Das Reich habe bereits auf einen Teil der Banken entscheidenden Einfluß nehmen müssen, bei der Kohle sei die Situation ähnlich. Vielleicht könne er, Dietrich, zum Reichskommissar für diese Dinge bestellt werden.

Er, der Reichswehrminister, habe Reichskanzler von Papen seinerzeit hiervon unterrichtet.

Das Reichskabinett stimmte sodann der beiliegenden Verlautbarung zu8.

8

Text der Verlautbarung: „Bei der Transaktion betreffend Gelsenkirchen handelt es sich um ein Geschäft, das von dem früheren Reichsfinanzminister Dietrich persönlich im Laufe dieses Frühjahrs vorbereitet und durch einen von ihm am 31. Mai 1932 für das Reich unterzeichneten Vertrag zum Abschluß gebracht worden ist. Die neue Regierung hat dieses Abkommen vorgefunden. Anlaß, die Rechtsgültigkeit zu bezweifeln, besteht nicht.“ (WTB-Bericht vom 21. 6., Ausschnitt in R 43 I /2179 , Bl. 184). Dem Entwurf dieser Verlautbarung (ebd., Bl. 183) ist maschinenschrl. die folgende Weisung des RFM für StS Zarden angefügt: „In Besprechungen mit Pressevertretern kann stets darauf hingewiesen werden, daß Vorbereitungen und Abschluß des Vertrags ohne Mitwirkung und Mitzeichnung der beteiligten Fachressorts und der zuständigen Stellen des Finanzministeriums erfolgt sind. Von einer offiziellen Darlegung der Gründe für den Abschluß des Geschäfts muß zunächst abgesehen werden.“

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