2.38.6 (vpa1p): 6. Innenpolitische Fragen.

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6. Innenpolitische Fragen.

Der Reichsminister des Innern berichtete über den Verlauf der am Mittwoch, dem 22. Juni, im Reichsministerium des Innern abgehaltenen Besprechung mit den Innenministern der Länder22. Er führte aus, daß er bei dem[131] bayerischen Innenminister ein gewisses Verständnis für die Lage des Reichs gefunden habe. Der bayerische Innenminister habe erklärt, daß er ein Einlenken in München befürworten wolle.

22

Eine Niederschrift über diese Besprechung nicht bei den Akten der Rkei. Über ihren Verlauf berichtete der bayer. Innenminister Stützel in der Sitzung des bayer. Ministerrats am 24. 6. u. a.: Der RIM habe eingangs „darauf hingewiesen, daß die bisherigen polizeilichen Maßnahmen doch in erster Linie der Unterdrückung der Nationalsozialisten gedient hätten, die sich als Staatsbürger 2. Klasse hätten fühlen können. Dieses Gefühl habe in diesen Kreisen zu Erbitterung und Empörung geführt. Von Gayl habe dann als hauptsächliche Programmpunkte folgende sieben genannt: 1) Die Nationalsozialisten sind nicht mehr als staatsfeindlich anzusehen, 2) keine allgemeinen, sondern nur örtlich und zeitlich begrenzte Uniformverbote, 3) Aufzugs- und Uniformverbote nur in Einzelfällen, 4) legale Organisationen haben Anspruch auf staatlichen Schutz, 5) schärfster Kampf gegen die kommunistische Bewegung, 6) gleichmäßige Behandlung in kleinen Dingen (bei Waffenscheinerteilung usw.), 7) möglichst milde Handhabung der Presseverbote.“ Anschließend habe er, Stützel, hierzu eingehend Stellung genommen und sei insbesondere „den gemeinen Anschuldigungen über bayerischen Separatismus entgegengetreten, die ausgestreut würden im vollen Bewußtsein, daß sie falsch seien. Bürger zweiter Klasse seien nicht die Nationalsozialisten, sondern der von diesen terrorisierte ruhige Teil der Bevölkerung. Die Einrichtung der SA allein schon bedeute objektiv Illegalität. Alle Legalitätsbeteuerungen, selbst wenn sie ehrlich gemeint wären, würden im Ernstfall ihren Wert verlieren. Die nationalsozialistische Bewegung sei staatsfeindlich; die Bewegung wolle, wie sie selbst zugebe, nicht nur die Regierungen, sondern den gegenwärtigen Staat beseitigen.“ Bei der Begründung der Notwendigkeit der bayer. Uniform- und Aufzugsverbote habe er schließlich besonders „darauf hingewiesen, daß Bayern allein Unruhen und Zusammenstöße habe vermeiden können, während im übrigen Reich Mord und Totschlag zu täglichen Erscheinungen geworden seien. Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, wie sie bisher in Bayern gewährleistet worden sei, sei auch außenpolitisch die beste Unterstützung der Reichsregierung.“ Von den übrigen Ländervertretern, so Stützel hierzu abschließend, „habe eine Reihe (Württemberg, Sachsen, Hessen, Thüringen, Hamburg usw.) erklärt, daß sie zwar kein Uniformverbot hätten und auch keines erlassen würden, ein solches Verbot aber für unbedingt notwendig erachteten, weil sie das Tragen von Uniformen durch nichtstaatliche Funktionäre für unzulässig hielten. Beim Aufzugsverbot sei die Zahl derjenigen, die dem bayerischen Standpunkt zustimmten, noch größer gewesen.“ (Protokoll der Ministerratssitzung in BayHStArch. MA 99524). Zum Verlauf der Innenministerkonferenz s. auch die weiteren Mitteilungen des RIM in der Ministerbesprechung am 25. 6. (Dok. Nr. 40, P. 4).

Andererseits scheine der Abgeordnete Göring anzuerkennen, daß in vereinzelten Fällen ein Uniformverbot berechtigt sei.

Auf Grund des Verlaufs der Länderkonferenz sei er, der Reichsminister des Innern, zu dem Ergebnis gekommen, daß auf Grund des § 4 der Verordnung vom 14. Juni gegen politische Ausschreitungen23 der Anmeldezwang für Versammlungen eingeführt werden müsse. Er habe bereits den Ländern Mitteilung gemacht, daß er den Anmeldezwang einführen wolle, wenn die Länder die generellen Beschränkungen für Versammlungen und für Uniformen24 aufhöben. Von Baden habe er inzwischen eine formelle Absage erhalten25.

23

§ 4 dieser VO ermächtigte den RIM, „für das ganze Reichsgebiet oder einzelne Teile“ anzuordnen, daß politische Versammlungen und Aufzüge 1) „der Ortspolizeibehörde vorher anzumelden sind“, 2) „verboten oder stattdessen unter einer Auflage genehmigt werden können“, 3) „aufgelöst werden können, wenn sie nicht angemeldet oder wenn sie verboten sind“ (RGBl. 1932 I, S. 297 ).

24

Vgl. Dok. Nr. 31, P. 2 c, dort auch Anm. 15 und 16.

25

Hierzu Stützel im bayr. Ministerrat am 24. 6. u. a.: „Die Badische Regierung habe sich auf Grund Beschlusses des Gesamtministeriums in einem Schreiben an den Reichskanzler völlig ablehnend verhalten. Die Notverordnung des Reichs werde schon deshalb notwendig, weil Baden auf seinem Standpunkt beharre. Dadurch sei Bayern in seiner Haltung etwas entlastet. Selbst wenn es richtig wäre, daß bei freiwilliger Aufhebung des Uniformverbotes mehr erreicht werde, als wenn die Notverordnung erlassen werde, so bleibe doch der Wegfall des Demonstrationsverbotes. Er halte es daher für richtig, alles abzulehnen und die Position der Reichsregierung soviel wie nur irgend möglich zu erschweren. Jeder Tag des Hinausschiebens bedeute eine Verbesserung unserer Situation. In vier Wochen werde sich im Ruhrgebiet wohl kaum ein Nationalsozialist noch in Uniform sehen lassen. Die Kommunisten entfalteten stärkste Aktivität. Während im Norden die Gegenaktion der Kommunisten einsetze, könne sich in Bayern die nationalsozialistische Bewegung nun hemmungslos entfalten. Die Auswirkung für die Gesamtbevölkerung sei daher im Süden viel schlimmer.“ (Protokoll in BayHStArch. MA 99524).

Nach den ihm gewordenen Nachrichten schienen die Unruhen aus Anlaß der Aufhebung des Uniformverbots abzuflauen. Die Polizei scheine in der Lage zu sein, der Dinge Herr zu werden. Auch im Ruhrgebiet sei es verhältnismäßig ruhig.

[132] Der Reichswehrminister gab Kenntnis von einem Bericht des Wehrkreiskommandeurs VI über die politische Lage im Ruhrgebiet.

Die anwesenden Mitglieder des Reichskabinetts nahmen von den Ausführungen Kenntnis26.

26

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 40, P. 4.

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