2.73.1 (vpa1p): Innenpolitische Lage.

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Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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Innenpolitische Lage.

Der Reichskanzler berichtete über die Entwicklung der Situation in Preußen und verlas das anliegende Schreiben der Minister Hirtsiefer, Severing usw. an ihn vom 20. Juli2. Er teilte mit, daß er die Vertreter der Länder Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen und Hamburg im Laufe des heutigen Tages über das Vorgehen gegen Preußen unterrichtet habe. Von Hamburg sei gerade Bürgermeister Petersen anwesend gewesen, den er genau ins Bild habe setzen können3.

2

Dok. Nr. 71.

3

Zur Unterrichtung der Ländervertreter vgl. auch Dok. Nr. 73.

Lediglich der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung bei der Reichsregierung, Staatsrat Dr. Quarck, habe Protest gegen das Vorgehen der Reichsregierung im Namen der Bayerischen Staatsregierung erhoben4.

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Kurz nach Beendigung dieser Ministerbesprechung traf beim RK ein wie folgt lautendes Telegramm des Bayer. MinPräs. ein: „Einsetzung eines Reichskommissars anstelle von Landesregierungen und Amtsenthebung von Landesministern ist nach Auffassung Bayerischen Gesamtministeriums mit Reichsverfassung nicht vereinbar. Notverordnung vom 20. Juli berührt verfassungsmäßige Rechte aller Länder und ihre verfassungsmäßige Existenz. Namens der Bayerischen Staatsregierung lege ich förmlich Rechtsverwahrung ein. Antrag zum Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich auf Entscheidung der Rechtsfrage ist von uns gestellt.“ (R 43 I /2280 , S. 159–161). Proteste bezw. größte Bedenken gegen das Vorgehen der RReg. brachten in den unmittelbar folgenden Tagen auch die Staatsministerien von Baden, Württemberg, Hessen, Lippe und Schaumburg-Lippe zum Ausdruck (Telegramme bezw. Schreiben an den RK und den RPräs. in R 43 I /2283 , Bl. 8–12; R 43 I /2280 , S. 305, 311, 339, 425).

Der Reichskanzler machte sodann den anwesenden Oberbürgermeister Dr. Bracht mit den Mitgliedern des Reichskabinetts bekannt und sprach Dr. Bracht den wärmsten Dank der Reichsregierung dafür aus, daß er sich für das schwere Amt des Reichskommissars für das Preußische Ministerium des Innern zur Verfügung gestellt habe5. Er richtete an Oberbürgermeister Dr. Bracht die Bitte, ständig an den Sitzungen des Reichsministeriums teilzunehmen.

5

Die Betrauung Brachts mit der Führung des PrIMin. war erfolgt durch Urkunde des RK vom 20. 7. (vormittags), in der es ferner hieß: „Zugleich beauftrage ich Sie mit meiner ständigen Vertretung im Preußischen Staatsministerium.“ (R 43 I /2280 , S. 62).

Oberbürgermeister Dr. Bracht berichtete über seine Unterredung mit Staatsminister a. D. Severing. Er betonte, daß die Unterredung in freundschaftlichen Formen verlaufen sei. Heute abend gegen 8 Uhr werde Severing das Amtszimmer im Preußischen Ministerium des Innern räumen, nachdem er, Dr. Bracht, in[266] Gegenwart des Polizeipräsidenten Melcher und eines Polizeioffiziers ihn zum Verlassen des Dienstzimmers aufgefordert habe6.

6

Hierzu vgl. auch Dok. Nr. 73.

Es werde wohl notwendig sein, daß die Staatssekretäre Dr. Staudinger im Handelsministerium und Krüger im Landwirtschaftsministerium ausscheiden; vielleicht könnten mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs der Reichsbank[en]kommissar, Ministerialdirektor Dr. Ernst, und Staatssekretär Dr. Mussehl beauftragt werden.

An Oberpräsidenten würden die Herren Kürbis, Lüdemann, Haas und Dr. Falk beurlaubt oder zur Disposition gestellt werden müssen; an Regierungspräsidenten die Herren Dr. Simons, von Harnack, Fitzner und Amelunxen. Die Maßnahmen in den Provinzialstellen hätten jedoch vielleicht noch etwas Zeit7.

7

Zur weiteren Beschlußfassung über die Amtsenthebung von Ober-, Regierungs- und Polizeipräsidenten s. Dok. Nr. 76, P. 3. – Die „sofortige Abberufung“ des RegPräs. Fitzner wurde gefordert von der DNVP-Fraktion des PrLT mit Schreiben an Papen vom 21. 7., und zwar im Namen der „gesamten nationalen Bevölkerung des Regierungsbezirks Frankfurt/Oder, vertreten durch die Deutschnationale Volkspartei, den Stahlhelm, die vaterländischen Verbände und die Nationalsozialisten“. Die Abberufung sei deshalb besonders dringlich, „da durch die politische Einstellung des Herrn Fitzner die Gefahr der Sabotage und die daraus enstehende Störung der Sicherheit und Ordnung heraufbeschworen“ werde (R 43 I /2280 , S. 335).

Der Reichswehrminister wies darauf hin, daß besonders die Besetzung der Polizeipräsidien wichtig sei. Im Polizeipräsidium von Berlin sei Oberregierungsrat von Werder eine besonders geeignete und tüchtige Kraft. Notfalls müsse der Belagerungszustand8 ausgedehnt werden.

8

Auf Grund der VO des RPräs. zur „Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß-Berlin und Provinz Brandenburg“ vom 20. 7. (RGBl. I, S. 377) hatte der RWeM am Vormittag des gleichen Tages die sogen. „vollziehende Gewalt“ auf den Befehlshaber des Wehrkreises III, Generalleutnant v. Rundstedt, übertragen (WTB-Bericht vom 20. 7., Ausschnitt in R 43 I /2280 , S. 239).

Der Reichskanzler und die übrigen Mitglieder des Reichskabinetts waren sich darüber einig, daß am zweckmäßigsten Reichsbank[en]kommissar Ministerialdirektor Dr. Ernst mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs im Preußischen Handelsministerium, Staatssekretär Dr. Mussehl mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs im Preußischen Landwirtschaftsministerium zu beauftragen seien9.

9

Die Beauftragung erfolgte durch Schreiben des RK an Ernst und Mussehl vom 20. 7., die – lt. handschrl. Vermerk Wiensteins – erst am frühen Vormittag des 21. 7. abgesandt wurden (R 43 I /2280 , S. 165–166).

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