2.77.1 (vpa1p): [Personalangelegenheiten]

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Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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RTF

[Personalangelegenheiten]

In der Sitzung des Preußischen Staatsministeriums von heute, an welcher die voraufgeführten Herren teilgenommen haben, wurde folgendes verhandelt und beschlossen:

1. Es wird festgestellt, daß die vom Herrn Reichskanzler auf Grund der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 mit der Führung der preußischen Ministerien betrauten Herren2 bei den Beratungen und Beschlußfassungen des Staatsministeriums Stimmrecht haben.

2

Der am 20. 7. gebildeten Pr. Kommissariatsregierung gehörten außer RKom. v. Papen an: RKom. Bracht für das Innenministerium (zugleich Stellv. v. Papens), StS Hölscher für das Justizministerium, StS Lammers für das Wissenschaftsministerium, StS Schleusener für das Finanzministerium, StS Scheidt für das Wohlfahrtsministerium, StS Mussehl für das Landwirtschaftsministerium und MinDir. Ernst für das Handelsministerium. Vgl. Dok. Nr. 72 und 73.

2. Reichskommissar Oberbürgermeister Dr. Bracht, Staatssekretär Mussehl und Reichskommissar Dr. Ernst werden zu Mitgliedern des Reichsrats ernannt.

3. Personalien. Der Staatssekretär des Staatsministeriums Dr. Weismann wird entsprechend seinem Antrage mit Wirkung vom 1. November d. J. unter Gewährung des gesetzlichen Ruhegehalts in den Ruhestand versetzt. Bis zum 31. Oktober d. J. bleibt der Staatssekretär Dr. Weismann beurlaubt3.

3

Der Rücktritt Weismanns steht in keinem Zusammenhang mit den Ereignissen des 20.7.32, sondern hatte ausschließlich persönlich-familiäre Gründe. Weismann war in einen Verleumdungsprozeß, den Ernst Lachmann-Mosse (Inhaber des Mosse-Verlages) geführt hatte, durch einen der beteiligten Anwälte hineingezogen worden, wodurch er und seine Frau Gegenstand des Berliner Gesellschaftsklatsches wurden. Dieser Umstand gab der NSDAP Veranlassung, im PrLT diffamierende Angriffe gegen ihn zu richten, denen gegenüber Weismann Anfang Juli kapitulierte. Bereits in einem persönlichen Schreiben an RWeM v. Schleicher vom 7. 7. erklärte er u. a.: „Ich fahre morgen zu einer Kur nach Karlsbad und werde nicht mehr in den Dienst zurückkommen, sondern meinen Abschied von dort oder direkt nach meiner Rückkehr hier nehmen. Seien Sie mir nicht böse, aber ich habe die Sache satt. Ich kann mir solche aus der Luft gegriffenen Verleumdungen nicht mehr gefallen lassen. Dafür habe ich nicht die letzten 14 Jahre alle meine Kräfte eingesetzt, um Staat und Reich zu dienen. Ich habe auch keine Lust, das Schicksal von Ebert, Stresemann und Hermann Müller zu teilen, die durch Verleumdungen zu Tode gehetzt wurden.“ (NL Schleicher  22, Bl. 71–72).

[282] Auf Grund des § 3 der Verordnung betr. die einstweilige Versetzung der unmittelbaren Staatsbeamten in den Ruhestand vom 26. Februar 1919 (Gesetzsamml. S. 33) werden unter Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes sofort einstweilen in den Ruhestand versetzt:

der Staatssekretär im Ministerium des Innern

Dr. Abegg,

der Ministerialdirektor im Ministerium des Innern

Dr. Badt (der dem Ministerialdirektor Dr. Badt erteilte Auftrag, die Klage der bisherigen Staatsregierung vor dem Staatsgerichtshof betr. die Rechtsgültigkeit der Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 zu vertreten, bleibt bestehen),

der Staatssekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe Dr. Staudinger,

der Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Krüger,

die Oberpräsidenten

a) der Provinz Niederschlesien Staatsminister a. D. Lüdemann,

b) der Provinz Sachsen Dr. Falck,

c) der Provinz Schleswig-Holstein Kürbis,

d) der Provinz Hessen-Nassau Haas,

die Regierungspräsidenten

a) Dr. Fitzner in Frankfurt a. O.,

b) Dr. Simons in Liegnitz,

c) Weber in Magdeburg,

d) von Harnack in Merseburg,

e) Dr. Herbst in Lüneburg,

f) Dr. Amelunxen in Münster i. W.,

die Polizeipräsidenten

a) Titze in Königsberg i. Pr.4,

4

Vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 65.

b) Dietrich in Kiel,

c) Bauknecht in Köln,

d) Früngel in Elbing,

e) Schöbel in Hagen i. W.,

f) Dr. Hohenstein in Kassel,

g) Ossowski in Oppeln,

h) Eggerstedt in Altona,

die Polizeidirektoren

a) Polizeipräsident Mai in Wilhelmshaven,

b) Dr. Thiemann in Schneidemühl.

Soweit eine Neubesetzung der freigewordenen Stellen erfolgt, wird dabei[283] vorzugsweise auf Wartestandbeamte zurückgegriffen werden5. Soweit die Stellen durch aktive Beamte neubesetzt werden, werden entsprechende Stelleneinsparungen vorgenommen werden.

5

Mit diesem Beschluß wurde die Möglichkeit eröffnet, vor allem deutschnationale Wartestandsbeamte wieder in den Staatsdienst zurückzunehmen. Allgemein zum Problem des polit. Beamten und zur pr. Beamtenpolitik seit 1919: Runge, Politik und Beamtentum in Preußen zwischen 1918 und 1933, speziell zu den Maßnahmen der Kommissariatsregierung S. 237 ff.

4. Im Anschluß an die Sitzung des Staatsministeriums leistete der mit der Führung des Preußischen Ministeriums des Innern als Kommissar des Reichs betraute Oberbürgermeister Dr. Bracht vor dem Herrn Reichskanzler gemäß Artikel 56 der Verfassung des Freistaates Preußen den Eid, daß er die Geschäfte unparteiisch zum Wohle des Volkes und getreu der Verfassung und den Gesetzen führen wolle.

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