2.107 (vpa1p): Nr. 106 Sitzung des Preußischen Staatsministeriums vom 19. August 1932

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[408] Nr. 106
Sitzung des Preußischen Staatsministeriums vom 19. August 1932

R 43 I /2288 , Bl. 209–213 Abschrift

Anwesend: v. Papen; RKomPrIMin. Bracht; StS Planck, Lammers, Hölscher, Schleusener, Mussehl, Scheidt; MinDir. Ernst, Gottheiner, Nobis, Loehrs; MinDirig. Schroetter; MinR Landfried, Krauthausen; Protokoll: MinR Corsing.

In der Sitzung des Preußischen Staatsministeriums von heute, an welcher die voraufgeführten Herren teilgenommen haben, wurde folgendes verhandelt:

1. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte sich das Staatsministerium damit einverstanden, daß die bisherigen Direktoren der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse, Dr. Lauffer und Possel, aus Anlaß ihrer Abberufung aus dem Direktorium1 mit einer Kapitalentschädigung abgefunden werden, die unter Zugrundelegung des vertragsmäßigen Gehalts mit einem Abschlag für Zinsen in Höhe des Reichsbankdiskonts (5%) berechnet werden soll.

1

Vgl. Dok. Nr. 100, P. 6.

2. Zu Punkt 1 der Tagesordnung (Abhaltung von Gerichts- und Sprechtagen an den Orten, die ihr Gerichts- oder Landratsamt verlieren) […].

3. Außerhalb der Tagesordnung teilte Herr Reichskommissar Dr.-Ing. Bracht mit, daß bei der bevorstehenden Tagung des Staatsrats auch ein sozialdemokratischer Antrag bezüglich der durch die Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten eingesetzten Staatsregierung beraten werden würde. Der Antrag werde voraussichtlich zunächst einem Ausschuß des Staatsrats zugehen; die Beratung in der Vollsitzung des Staatsrats stehe noch nicht unmittelbar bevor2.

2

Der von SPD, Zentrum und Staatspartei Ende August 1932 im Verfassungs- und Hauptausschuß des Pr. Staatsrats eingebrachte Antrag lautete dahin, daß der Staatsrat der Auffassung sei, die VO des RPräs. vom 20.7.32 (RGBl. I, S. 377 ) und ihre Anwendung, insbesondere die Enthebung des PrMinPräs. und der Staatsminister von ihren Ämtern und von der Führung der laufenden Geschäfte, seien mit der Reichs- und Pr. Verfassung nicht vereinbar (Text des Antrags: Pr. Staatsrat, Stenogr. Ber. 1932, S. 505). Der Antrag wurde vom Staatsrat in seiner Sitzung am 8.9.32 angenommen (Sitzungsbericht im RAnz. vom 9.9.32).

4. Außerhalb der Tagesordnung erkundigte sich Herr Reichskanzler von Papen nach dem Stande der preußischen Verwaltungsreform3. Es wurde erwidert, daß die Verhandlungen wegen der Reform der Mittelinstanzen zwischen den Ressorts schwebten und daß daneben auch Erörterungen wegen einer Reform der Zentralinstanzen liefen.

3

Vgl. Dok. Nr. 96, P. 1.

Auf eine Anregung des Herrn Reichskommissars Dr.-Ing. Bracht äußerten sich sämtliche mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Ressorts beauftragten Herren Staatssekretäre über die gegenwärtige Besetzung der Personalreferate in ihren Ministerien.

Es wurde in Aussicht genommen, die diesbezügliche Referatsverteilung demnächst einer Nachprüfung zu unterziehen. Herr Reichskanzler von Papen[409] stellte als Grundsatz für die Bearbeitung der Personalangelegenheiten auf, daß diese durch rein sachlich und unabhängig von jeder parteipolitischen Einstellung arbeitende Beamte bearbeitet werden sollten.

5. Außerhalb der Tagesordnung gab Herr Staatssekretär Hölscher auf eine Anfrage des Herrn Reichskommissars Dr.-Ing. Bracht die Erklärung ab, daß die preußischen Strafanstalten zur Vollstreckung sämtlicher Zuchthausstrafen, die durch die Einrichtung der Sondergerichte4 verhängt werden würden, in der Lage seien.

4

Vgl. Dok. Nr. 98, dort bes. Anm. 10.

6. Außerhalb der Tagesordnung stellte das Staatsministerium auf eine Anregung des Herrn Staatssekretärs Hölscher fest, daß keine Bedenken dagegen bestehen, wenn Ministerialbeamte, die bereits als Kommissare für den Beamten- und Rechtsausschuß des Landtags benannt worden seien, an den Beratungen dieser Ausschüsse teilnähmen. Es wurde aber beschlossen, daß diese Kommissare grundsätzlich nur nach Anweisung ihrer Staatssekretäre Antworten erteilen und daß in Zukunft möglichst nur ältere Beamte in die Ausschüsse des Landtags entsandt werden sollen.

7. Außerhalb der Tagesordnung berichtete Herr Reichskommissar Dr.-Ing. Bracht über den Anfang September bevorstehenden Stahlhelmtag in Berlin5. Er bat den Herrn Reichskanzler, eine Entscheidung des Reichskabinetts über die Frage des Erscheinens des Herrn Reichswehrministers bei den Veranstaltungen des Stahlhelms herbeizuführen, die für die Entscheidung des gleichfalls eingeladenen Herrn Reichspräsidenten präjudiziell sein werde, damit der Minister des Innern die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen treffen könne6.

5

Vgl. Anm. 8 zu Dok. Nr. 104.

6

Über eine derartige Entscheidung des Reichskabinetts keine Unterlagen bei den Akten der Rkei. Lt. Pressemeldungen nahm Hindenburg an den Veranstaltungen des „13. Reichs-Frontsoldatentages“ des Stahlhelm (2.–4.9.32) nicht teil. Teilnehmer von der RReg.: v. Papen, v. Schleicher, v. Neurath, v. Gayl, Graf Schwerin v. Krosigk, v. Braun (WTB-Bericht vom 4. 9., Ausschnitt in R 43 II /828 , Bl. 20).

8. Außerhalb der Tagesordnung äußerte sich der Herr Ministerialdirektor im Reichsministerium des Innern Gottheiner gutachtlich zu der Frage der Zulässigkeit endgültiger Ernennungen von Beamten vor der Entscheidung des Staatsgerichtshofs in dem Rechtsstreit der bisherigen Preußischen Staatsregierung gegen die Reichsregierung7 dahin, daß das Reichsministerium des Innern sich dem[410] Staatsgerichtshof gegenüber auf den Standpunkt gestellt habe, der Reichskommissar für Preußen sei zwar als eine Einrichtung von vorübergehender Dauer gedacht, trotzdem aber berechtigt, endgültige Ernennungen, die sich im Rahmen der laufenden Geschäfte des Preußischen Staatsministeriums hielten, wie z. B. die Ernennung von Amtsgerichtsräten grundsätzlich vorzunehmen. Damit sei freilich die Frage, ob Ernennungen von politischer Tragweite durch den Reichskommissar vorgenommen werden dürften, noch nicht entschieden, wohl aber könne die endgültige Ernennung von Landräten der Landkreise, die auf Grund der von der bisherigen Preußischen Staatsregierung erlassenen Zweiten Sparverordnung vom 23. Dezember 1931 (Gesetzsamml., S. 293) gebildet worden seien8, durch die gegenwärtige Preußische Staatsregierung auch nach Auffassung des Herrn Reichsministers Freiherrn von Gayl vollzogen werden9.

7

Gegen die Beamtenpolitik der kommiss. PrStReg. hatte der Vorsitzende der SPD, Otto Wels, mit Schreiben an Papen und Bracht vom 17.8.32 nachdrücklich „Verwahrung“ eingelegt und weiter ausgeführt: „Die Vorgänge des 20. Juli 1932 unterliegen noch immer der Nachprüfung durch den Staatsgerichtshof. Die Entscheidung ist dadurch verzögert worden, daß die Reichsregierung ihre Klageerwiderung erst am 5. August eingereicht hat. Ob die Entscheidung des Staatsgerichtshofs in kürzester Frist erfolgt, vermag ich nicht zu sagen, bezweifle es aber. Ich weise aber darauf hin, daß in der Klage des Preußischen Staatsministeriums dem durch die Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 eingesetzten Reichskommissar das Recht bestritten wird, namens des Staatsministeriums Beschlüsse zu fassen und Personalveränderungen vorzunehmen. Trotzdem sind eine Reihe politischer Beamter: Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Polizeipräsidenten und Landräte auf Grund der Verordnung vom 26. Februar 1919 auf Wartegeld gesetzt worden. Eine Anzahl von Vizepräsidenten ist beurlaubt worden. Daß politische Beamte, die ausdrücklich als solche bezeichnet sind, jederzeit damit rechnen müssen, zur Disposition gestellt zu werden, bedarf keiner Erörterung. Ich bestreite aber entschieden, daß die Stelle, welche die Zur-Disposition-Stellung verfügt hat, das Recht dazu besitzt. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind zur Disposition gestellt oder beurlaubt Beamte, gegen deren sachliche Arbeitsführung niemals Einwendungen erhoben worden sind, es sei denn von politischen Gegnern des heutigen Staates, nur weil sie Angehörige der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sind. Immerhin sind es politische Beamte, und die damit zusammenhängenden Vorgänge unterliegen der Nachprüfung durch den Staatsgerichtshof.“ (R 43 I /2280 , S. 592–594). Das Wels’sche Schreiben wurde vom RK nicht beantwortet. Auf dem Schreiben vermerkte Vogels mit Datum vom 23. 8.: „Erledigt durch mündliche Besprechung des RK’s mit Wels am 23. 8.“

8

Vgl. Dok. Nr. 87, P. 7.

9

Die Niederschrift zu diesem Tagesordnungspunkt wurde entsprechend einem Ersuchen des RIM (Schreiben an StSRkei vom 5. 9. mit anliegender, wahrscheinlich von Gottheiner gefertigter Neufassung) auf Veranlassung des StSRkei (Schreiben an PrStMin. vom 8. 9.) folgendermaßen neu gefaßt: „Außerhalb der Tagesordnung äußerte sich Herr Ministerialdirektor im Reichsministerium des Innern Gottheiner gutachtlich zu der Frage der Zulässigkeit endgültiger Ernennungen von Beamten vor der Entscheidung des Staatsgerichtshofs in dem Rechtsstreit der bisherigen Preußischen Staatsregierung gegen die Reichsregierung dahin: Das Reichministerium des Innern habe dem Staatsgerichtshof gegenüber den Standpunkt vertreten, daß das kommissarische Preußische Staatsministerium berechtigt sei, auch endgültige Ernennungen von Beamten vorzunehmen. Die Bestellung des Reichskommissars für Preußen und die Bildung der kommissarischen Preußischen Staatsregierung seien zwar Einrichtungen von vorübergehender Dauer, gleichwohl aber könne die kommissarische Regierung Maßnahmen mit endgültiger Wirkung treffen, wie beispielsweise ein vorübergehend eingesetztes Sondergericht Urteile mit endgültiger Rechtskraft zu fällen habe. Gegenüber dem Staatsgerichtshof sei allerdings betont worden, daß die kommissarische Preußische Staatsregierung bei der Wiederbesetzung derjenigen politischen Beamtenstellen, in deren Besetzung im Zusammenhang mit der Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 ein Wechsel habe eintreten müssen, sich insofern bisher starke Zurückhaltung auferlegt habe, als diese Stellen mit einer Ausnahme nur vorläufig – kommissarisch oder vertretungsweise – neu besetzt worden seien. Es könne aber wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß im Rahmen der laufenden Geschäfte der Preußischen Staatsverwaltung – also außerhalb der Aktion vom 20. Juli 1932 – Ernennungen von Beamten bereits notwendig geworden seien oder notwendig werden würden, die endgültig vorzunehmen nicht die geringsten Bedenken bestünden. Im vorliegenden Falle handele es sich bei der Durchführung der Aufhebung und Zusammenlegung von Landkreisen um eine Maßnahme, die in keiner Weise in einem Zusammenhange mit der Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 stehe. Wenn es auch bisher im Reichsministerium des Innern nicht näher bekannt gewesen sei, daß die Ernennung der Landräte der auf Grund der Preußischen Sparverordnung vom 23. Dezember 1931 (Gesetzsamml., S. 293) neugebildeten Kreise nicht, wie sonst üblich, kommissarisch, sondern infolge des Fortfalls des Präsentationsrechts der Kreistage sogleich endgültig vorgenommen werden solle, so würden doch von seiten des Herrn Reichsministers des Innern aus den vorgetragenen grundsätzlichen Erwägungen Einwendungen gegen ein solches Verfahren nicht geltend gemacht.“ (R 43 I /2288 , Bl. 215–218).

9. Zu Punkt 2 der Tagesordnung (Personalvorschläge) beschloß das Staatsministerium nach einem Bericht des Ministerialrats Dr. Krauthausen über die Neugliederung der Landkreise.

[…]10

10

In der Niederschrift folgt hier eine namentliche Auflistung (4½ Seiten) von Landräten, die auf Grund der VO vom 26.2.19 (Pr. Gesetzsammlung, S. 33) in den einstw. Ruhestand versetzt, sowie von Beamten, die mit der Verwaltung der neugebildeten Landkreise betraut wurden. Es wurden danach 1) 61 Landräte (teils zum 1.10.32, teils „sofort“) unter Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes in den einstw. Ruhestand versetzt; 2) 57 Beamte zu Landräten ernannt; 3) 18 Beamte mit der kommiss. Verwaltung von Landkreisen beauftragt.

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