2.125 (vpa1p): Nr. 124 Der Vorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei Hugenberg an den Reichskanzler. 3. September 1932

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 124
Der Vorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei Hugenberg an den Reichskanzler. 3. September 19321

1

Dieses Schreiben und die Antwort des RK (vgl. unten Anm. 5) wurden in der Presse veröffentlicht, z. B. in „Berliner Lokal-Anzeiger“ vom 4.9.32 (Ausschnitt in NL Luther  347).

R 43 I /1176 , Bl. 108–109

[Agrarpolitik der Reichsregierung, Umstellung der Handelspolitik auf das Kontingentierungssystem]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

In Ihrer Rede in Münster2 haben Sie auf die Wichtigkeit der Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Rentabilität hingewiesen. Sie haben deren dringende Notwendigkeit auch in Ihrer programmatischen Erklärung vor dem Deutschen Landwirtschaftsrat kurz nach Übernahme der Kanzlerschaft schon betont. Zugleich haben Sie angedeutet, daß nun die Bahn für einschneidende Maßnahmen frei sei3.

2

Zu dieser Rede (28. 8.) vgl. Dok. Nr. 117, P. 2, dort bes. Anm. 16.

3

Papen vor dem Landwirtschaftsrat in Berlin am 11.6.32 u. a.: Die Wiederherstellung „der wirtschaftlichen, finanziellen und nicht zuletzt der politischen Ordnung erfordert von der neuen Regierung ein sofortiges Anfassen der grundlegenden Probleme“. Er und seine Mitarbeiter seien „der Auffassung, daß eine gesunde Landwirtschaft und die Liebe zur Scholle, mit der der deutsche Bauer so eng verwachsen ist, die Vorbedingung nicht nur der materiellen Ernährung, sondern mehr noch der geistigen Erneuerung des Landes sind, weil nur aus diesem Urquell der Verbundenheit mit Gott und seiner Schöpfung die neuen Kräfte wachsen können, deren die Nation heute bedarf.“ Es gelte, „das Letzte herzugeben, um Deutschlands heimische Ernährungsbasis zu erhalten“ (Entwurf der Rede in R 43 I /1934 , Bl. 169–174; Auszug in Horkenbach 1932, S. 181).

In unseren mündlichen Besprechungen erlaubte ich mir schon darauf hinzuweisen, daß sich aus dem Fehlen näherer Ausführungen über solche Maßnahmen innerhalb der Landwirtschaft eine große Sorge und Unruhe ergeben hat. Mir scheint nach dieser Richtung eine Ergänzung ihrer Darlegungen wünschenswert zu sein.

[510] Es ist nach Lage der Dinge unvermeidlich, daß die von meiner Partei seit langem geforderte grundsätzliche Umstellung der landwirtschaftlichen Handelspolitik auf das Kontingentsystem nunmehr beschleunigt durchgeführt werden muß. Die Erfordernisse der deutschen Währungspolitik führen zu den gleichen Forderungen wie diejenigen unserer handelspolitischen Lage. Ein unseren Bedürfnissen und unserer finanziellen Leistungsfähigkeit angepaßtes Kontingentsystem ist eine der gesamten deutschen Wirtschaft zugute kommende Maßnahme. Auch die Frage der Schuldenregelung, die zugleich die Frage der Ermöglichung einer künftigen gesunden deutschen Zinsfußentwicklung ist, bedarf der Beschleunigung. Sie kann nur im Zusammenhang mit einer Herabsetzung der Auslandszinsen erreicht werden. Wie unsere Auslandsgläubiger wissen, ist eine solche durch die Devisenlage Deutschlands unvermeidlich geworden. Das rapide Absinken der Preise der bäuerlichen Veredlungswirtschaft4 ist eine Erscheinung, die bei der Gesamtlage Deutschlands verhängnisvolle Wirkungen haben muß. Diese ständige weitere Verschlechterung der deutschen Wirtschaftsgrundlagen mit durchgreifenden Mitteln abzustoppen und wiedergutzumachen, ist eine dringende Notstandsmaßnahme.

4

Vgl. dazu Dok. Nr. 110.

Wenn in diesen Punkten nicht geholfen wird, steht zu befürchten, daß auch die zur Ankurbelung der übrigen Wirtschaft und zur Einschränkung der Arbeitslosigkeit angekündigten Maßnahmen nicht die erhoffte Wirkung haben. Vielmehr droht der fortschreitende Verfall der Landwirtschaft die Kaufkraft des deutschen Volkes weiter einzuschränken und die Aufnahme der durch Gewerbe und Industrie hergestellten Güter in großem Umfange unmöglich zu machen5.

5

Papen antwortete Hugenberg mit Schreiben vom 3. 9. u. a.: „Wenn in landwirtschaftlichen oder politischen Kreisen der Eindruck entstanden sein sollte, daß die jetzige Reichsregierung die Schwere und Bedeutung des herrschenden landwirtschaftlichen Notstandes nicht voll würdige und nicht zu sofortiger tätiger Hilfe bereit sei, so beruht dies auf Mißverständnis. Ich stimme in der Beurteilung der Lage durchaus mit Ihnen überein. Schon unter dem Gesichtspunkte der deutschen Devisenlage ist eine Entlastung des deutschen Marktes von übermäßiger landwirtschaftlicher Einfuhr unerläßlich. Im Grundsatz hat sich daher die Reichsregierung für die Anwendung von Kontingenten entschieden, soweit die Verhandlungslage das zuläßt. […] Ich darf andererseits mitteilen, daß über das zunächst beabsichtigte Maß hinaus die Reichsregierung heute beschlossen hat, dem Herrn Reichspräsidenten eine Entlastung von der Grundsteuer durch Steuergutscheine in Höhe von 40 vom Hundert des Steuerbetrages vorzuschlagen. Ich bitte überzeugt zu sein, daß im übrigen die erforderlichen Maßnahmen mit äußerster Beschleunigung zu Ende geführt werden sollen. Das Reichskabinett ist sich völlig klar darüber, daß die Rettung der Landwirtschaft eine deutsche Lebensfrage ist.“ (R 43 I /1176 , Bl. 112–114).

Mit vorzüglicher Hochachtung

Hugenberg

Extras (Fußzeile):