2.32 (vpa1p): Nr. 32 Der Reichskanzler an den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. Lausanne, 19. Juni 1932

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[108] Nr. 32
Der Reichskanzler an den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. Lausanne, 19. Juni 1932

R 43 I /2045 , Bl. 182–183 Abschrift in Durchschrift

[Arbeitsbeschaffung, Siedlungsprogramm]

Lieber Herr von Braun!

Über die hiesigen Ereignisse werden Sie durch die Presse und die Berichte von Herrn Planck unterrichtet sein. Wir müssen jetzt abwarten, welche Vorschläge uns die anderen Mächte machen werden, und glauben, daß dies morgen in irgendeiner Form bereits geschehen wird. Man wird dann sehen, ob die Möglichkeit einer Einigung besteht oder nicht. Ich nehme an, daß ich vielleicht Donnerstag [23. 6.] oder Freitag nach Berlin kommen kann, um dann dem Kabinett zu berichten1.

1

Vgl. Dok. Nr. 40, P. 1.

Wir haben uns heute mit den hiesigen Kollegen auch sehr eingehend über die Weiterführung unserer innenpolitischen Arbeit unterhalten, insonderheit über die Weiterführung des Arbeitsbeschaffungs- und Siedlungsprogrammes. Bekanntlich hat ja Herr Brüning in seiner Frankfurter Rede uns erneut den Vorwurf gemacht, daß wir das Siedlungsprogramm zu Gunsten der ostelbischen Großgrundbesitzer sabotieren wollten. Den bolschewistischen Beigeschmack, den das Programm der Regierung Brüning hatte, verdankt es unseres Erachtens lediglich der Tatsache, daß in der Verordnung das Reich als Zwangsvollstrecker und Enteigner notleidender Betriebe vorgesehen war2. Diesen Fehler werden wir selbstverständlich nicht machen. Auf der anderen Seite steht aber fest, daß eine große Reihe nicht rettungsfähiger Betriebe vorhanden ist, denen keinerlei Mittel zur ordnungsmäßigen Bewirtschaftung mehr zur Verfügung stehen und die, wenn man sie weiter wirtschaften läßt, lediglich zu einer Wildnis ausarten würden. Herr von Krosigk schlug vor, daß man am besten mit den Landschaften verabreden müsse, daß die Landschaften solche nicht mehr rettungsfähigen Betriebe ungesäumt zur Zwangsversteigerung bringen, wobei das Reich mit Hilfe von Schatzscheinen für die erste Hypothek sicherstehen würde. Damit würden wir den Landschaften helfen, und die Sache würde auf dem ordnungsmäßigen[109] Wege vor sich gehen. Zugleich könnte man dann die sich allenthalben in Deutschland bildenden Arbeitsgemeinschaften3, bei denen der Landhunger sehr groß ist, auf solche Besitze ansetzen, sofern diese Arbeitsgemeinschaften die notwendigen Voraussetzungen dazu bilden. Herr von Gayl machte neulich aus seiner Erfahrung heraus eine etwas abfällige Bemerkung über die Verwendung von Holz für Siedlungsbauten. Es wäre aber in diesem Zusammenhange doch zu erwägen, ob man nicht beispielsweise dem Forstfiskus einen Teil seines Holzes abnehmen und für solche Zwecke zur Verfügung stellen könnte. Der Holzhausbau ist doch schon so entwickelt, daß auch auf diesem Gebiete Praktisches geleistet werden könnte.

2

Bezieht sich auf den von RKomOsthilfe Schlange-Schöningen zunächst am 9. 5., dann in geänderter Fassung am 20.5.32 vorgelegten Entwurf der gescheiterten Siedlungsverordnung (R 43 I /1289 , Bl. 343–354; R 43 I /1456 , S. 179–194), die als Teil der letzten allgemeinen Notverordnung der Reg. Brüning konzipiert worden war. Der Entwurf hatte Vorschriften enthalten, nach denen landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gärtnerische Grundsätücke, „die nach den gesetzlichen Vorschriften über die landwirtschaftliche Entschuldung nicht mehr entschuldet werden können“, vom RKomOsthilfe „für das Reich freihändig oder im Wege der Zwangsversteigerung“ erworben werden sollten, um sie der Siedlung zuzuführen. Hiergegen hatte die RT-Fraktion der DNVP in einer „Entschließung“ vom 24. 5. heftig protestiert und die Absichten der RReg. als „vollendeten Bolschewismus“ bezeichnet (R 43 I /1289 , Bl. 386–388). Zu den schweren Bedenken, die vom RPräs. gegen eine derartige Regelung wenige Tage später erhoben wurden, vgl. diese Edition: Die Kabinette Brüning I/II, Dok. Nr. 766.

3

Gemeint sind vermutlich die zum Zweck der Siedlung Mitte der zwanziger Jahre entstandenen Arbeitsgemeinschaften verschiedener bündischer Vereinigungen (u. a. Artamanen). Vgl. dazu Kindt (Hrsg.), Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933, S. 910 ff. und 1596 ff.

Ich schreibe diese Zeilen an Sie mit der Bitte, die ganze Materie gründlich zu erwägen und vorwärts zu treiben, damit das Land sieht, daß wir auch auf dem Gebiete nicht etwa rückständig sind. Möglicherweise – und das schiene mir am besten – braucht man gar keine weitere Notverordnung und könnte die ganze Sache auf dem regulären Wege einleiten.

Mit besten Grüßen an die anderen Herren und in der Hoffnung, Ihnen bald von hier berichten zu können,

Ihr Ihnen aufrichtig ergebener

gez. von Papen4

4

Zur Antwort des REM s. Dok. Nr. 34.

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