1.17.3 (vpa2p): 3. Zinsfrage.

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3. Zinsfrage5.

5

Hierzu hatte der REM am 16. 9. den Entwurf einer NotVO vorgelegt, wonach der Zinssatz von Hypotheken und Grundschulden auf landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und gärtnerischen Grundstücken für die Zeit vom 1.10.32 bis zum 1.4.36 gesenkt werden sollte: a) auf 3½%, wenn er nicht mehr als 6% betrug; b) auf 4½%, wenn er mehr als 6% betrug. In der Begründung dazu der REM u. a.: „Die deutsche Landwirtschaft hat seit Jahren Milliardenverluste zu verzeichnen. Diese gingen entweder zu Lasten der Substanz oder sie führten zu einer wachsenden Verschuldung. Eine der wichtigsten Verlustquellen ist seit der Stabilisierung der Mark zweifellos die Zinslast. Die Landwirtschaft mußte nach Beendigung der Inflation, da sie ihre Ernte bereits weitgehend gegen Papiermarkt verkauft hatte, Kredite aufnehmen, um eine ordnungsgemäße Betriebsführung während des noch verbleibenden größeren Teils des Betriebsjahres zu ermöglichen. Hinzukam, daß von den verantwortlichen Stellen für eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Erzeugung geworben wurde, um die Unabhängigkeit Deutschlands in der Nahrungsmittelversorgung zu erreichen. Dieser Parole folgte die Landwirtschaft willig. Auch hierzu brauchte sie Kredite. Die Landwirtschaft nahm diese auf in der Erwartung, daß der Parole zur Intensivierung auch eine Wirtschaftspolitik folgen werde, die der Landwirtschaft eine angemessene Rentabilität sicherte. Die amtliche Wirtschaftspolitik hat diese Schlußfolgerung jedoch nicht gezogen. Man gewährte der Landwirtschaft, besonders der bäuerlichen Veredelungswirtschaft, nicht den erforderlichen Schutz gegen die vernichtenden Auswirkungen, die von dem Zusammenbruch der Weltagrarmärkte ausgingen. Unter diesen Umständen wirkten sich die 1924/25 von der Landwirtschaft aufgenommenen Kredite geradezu verhängnisvoll aus. Die Zinssätze, die damals gezahlt werden mußten, waren an sich schon für die landwirtschaftliche Produktion sehr hoch. Die für die Bedürfnisse der Landwirtschaft unzulängliche Wirtschaftspolitik brachte sie jedoch in ein völlig untragbares Mißverhältnis zu den Einnahmen. Die Landwirtschaft konnte infolgedessen die Zinsen nicht aus ihrem Ertrag bezahlen, sondern mußte zur Abdeckung der Zinsverpflichtungen immer wieder neue Schulden aufnehmen. Die wachsende Verschuldung hatte steigende Zinslasten zur Folge. Diese betragen gegenwärtig etwa 850 Millionen Mark jährlich. Der wachsenden Zinslast steht ein starker Rückgang der Einnahmen der Landwirtschaft gegenüber. Während die Zinslast der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1924/25 noch 6,23% des Gesamtverkaufserlöses betrug, beläuft sie sich im Kalenderjahr 1932 auf nahezu den doppelten Prozentsatz, nämlich auf 13,10% des Verkaufserlöses. […] Schließlich beweisen die wachsenden Zinsrückstände der Landwirtschaft, daß diese tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, ihre Zinsverpflichtungen zu erfüllen. Beispielsweise beträgt der voraussichtliche Zinseingang zum Oktobertermin 1932 bei der schlesischen Landschaft und Kur- und Neumärkischen Ritterschaft nur 50 v. H. des Zinssolls. Bei der Pommerschen Landschaft werden zum Oktobertermin sogar nur 15 v. H. des Zinssolls erreicht werden.“ Und weiter: „Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß das Zinsproblem nicht einseitig, lediglich vom Standpunkt der Landwirtschaft aus betrachtet werden kann. Jedoch sind die Verhältnisse, wie dargelegt, hier so zwingend, daß alle anderen Bedenken durch einen tatkräftigen Entschluß überwunden werden müssen. Die Situation für den Gläubiger ist zweifellos so, daß er nur noch die Wahl hat, ob er für eine kurze Zeit von der Landwirtschaft Zinsen erhalten, oder ob er sein Kapital verlieren will. Verzichtet er auf einen Teil seiner Zinsansprüche, so kann er sein Kapital retten.“ (R 43 I /1144 , Bl. 11–34).

[595] Der Reichsminister der Justiz trug vor, daß in Ressortbesprechungen6 über folgende Punkte Übereinstimmung erzielt worden sei:

6

In den Reichskanzleiakten lediglich ein kurzer Vermerk über das „Ergebnis“ einer am 15. 9. abgehaltenen „Chefbesprechung“ (Teilnehmer u. a.: REM, RWiM, RJM), worin die Punkte der Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung der Ressorts in der Zinssenkungsfrage mit etwa dem Wortlaut verzeichnet sind, mit dem sie von Gürtner oben nachfolgend wiedergegeben werden (R 43 I /663 , Bl. 119).

a)

Der Gedanke einer gesetzlichen Zinssenkung aller festverzinslichen Renten sei abgelehnt worden;

b)

es müsse etwas geschehen, um die Realzinslast der Landwirtschaft zu senken;

c)

eine Zinssenkung könne nicht in Betracht kommen bei Hypotheken, die auf Auslandsschulden beruhten, sowie bei Hypotheken für Lebensversicherungen privater und öffentlich-rechtlicher Art.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß er der Feststellung zu b) nicht zustimmen könne. Falls die Realzinslast der Landwirtschaft gesenkt werde, müßten auch die städtischen Hauszinsen eine Senkung erfahren.

Der Reichsminister der Justiz führte weiter aus, daß keine Übereinstimmung über folgende Punkte erziehlt worden sei:

a)

die Möglichkeit, Zinserleichterungen örtlich zu beschränken;

b)

die Möglichkeit, für die Sparkassenzinsen Ausnahmen zu schaffen;

c)

die Höhe des künftigen Zinsfußes. Die Meinungen gingen hier auseinander zwischen einem Zinsfuß von 3½ bis zu 4½%;

d)

die Methode der Zinssenkung. Die Mehrheit der Ressorts neige der Auffassung [596] zu, daß man möglichst gemäß privatwirtschaftlichen Grundsätzen verfahren sollte. Eine Einigung sei hier jedoch auch nicht erzielt worden.

Auf Vorschlag des Reichskanzlers beschloß das Reichskabinett folgendes:

a)

die Besprechungen der Ressorts sollen unter Vorsitz des Reichsministers der Justiz beschleunigt fortgesetzt werden;

b)

es sollen umgehend kontradiktorische Verhandlungen mit den Interessenten, gleichfalls unter Leitung ds Reichsministers der Justiz, stattfinden;

c)

das Reichsjustizministerium, das Reichsfinanzministerium, das Reichswirtschaftsministerium, das Reichsarbeitsministerium sowie das Reichsernährungsministerium sollen sich darüber einigen, wer zu den kontradiktorischen Verhandlungen zuzuziehen ist7.

7

Zum Ergebenis dieser Besprechungen s. die Mitteilungen Gürtners vor dem Kabinett am 23. 9. (Dok. Nr. 153, P. 2.)

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