1.17.5 (vpa2p): 5. Kontingentierung.

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5. Kontingentierung.

Das Kabinett trat in eine eingehende Aussprache über die Frage der Kontingentierung bei der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse ein.

Die Ausführungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft bewegten sich in den Gedankengängen seiner Kabinettsvorlage10. Die des Reichs-[598] wirtschaftsministers schlossen sich an seine schriftlich niedergelegeten Gegenerklärungen11 an.

10

In der am 10. 9. übermittelten Vorlage hatte der REM erneut die Notwendigkeit der Kontingentierung landwirtschaftlicher Einfuhren nachdrücklich betont und weiter ausgeführt: „Die in meiner Kabinettsvorlage [vom 24. 8., vgl. Anm 17 zu Dok. Nr. 117] für die einzelnen Erzeugnisse vorgeschlagenen Kontingentsätze sind von der Mehrheit der im Handelspolitischen Ausschuß vertretenen Ressorts nicht anerkannt worden [vgl. Anm 8 zu Dok. Nr. 131]. Vielmehr wurde der Aufassung Ausdruck gegeben, daß für die Verhandlungen mit den hauptbeteiligten Ländern eine größere Bewegungsfreiheit gelassen werden müsse. Wenn ich auch zugebe, daß für die Verhandlungen eine gewisse Freiheit notwendig ist, so ist es auf der anderen Seite bei der Verschiedenartigkeit der einzelnen Erzeugnisse ganz unmöglich, sie nach den vom Handelspolitischen Ausschuß vorgeschlagenen Schema zu behandeln. Es müssen vielmehr die Höchstsätze der Kontingente für die einzelnen Waren festgesetzt werden. Da der Handelspolitische Ausschuß hierüber zu keiner Einigrung gelangt ist, bitte ich das Kabinett, hierüber Beschluß zu fassen. Die vom Handelspolitischen Ausschuß vorgeschlagene Spanne von 50–75% der Vorjahresmengen [vgl. Anm 8 zu Dok. Nr. 117] würde bei den allermeisten Erzeugnissen eine fühlbare Einschränkung der Einfuhr nicht bedeuten. Dies umso weniger, als bei vielen Erzeugnissen infolge des Rückganges der Kaufkraft der Bevölkerung ohnedies ein teilweise sehr erheblicher Rückgang der Einfuhr festzustellen ist. Wenn nun trotz dieses Rückganges die Lage der Land- und Forstwirtschaft sich immer mehr verschlechtert, so würde eine Kontingentierung, die auch nur annähernd den vom Handelspolitischen Ausschuß in seiner Mehrheit vorgeschlagenen Höchstsatz zu Grunde legen würde, ein Schlag ins Wasser bedeuten.“ Abschließend heißt es in der Vorlage: Das REMin. habe die einzelnen landwirtschaftlichen Einfuhren nochmals durchgeprüft und schlage nunmehr, „um den Bedürfnissen der Verhandlungsführung entgegenzukommen“, eine geringfügige Erhöhung der Kontingentsätze (u. a. für Erbsen: bisheriger Vorschlag des REMin. 30%, jetzt 50%; für Butter: bisher 40%, jetzt 50%; für Bananen: bisher 25%, jetzt 40% der Vorjahreseinfuhrmengen) vor. „Wenn diese Sätze angenommen werden, habe ich nichts dagegen einzuwenden, daß von Fall zu Fall, abgesehen von den Positionen für Gemüse, Holz, Schlachtvieh, Schweinespeck und Schweineschmalz, Butter, Hart- und Weichkäse, im Laufe der Verhandlungen kleinere Abweichungen nach oben erfolgen.“ (R 43 I /1176 , Bl. 133–137).

11

Gemeint ist offenbar eine von Warmbold am 16. 9. vorgelegte Denkschrift („Bemerkungen zur Einfuhrkontingentierung“), in der darauf hingewiesen wurde, daß „die betroffenen Länder die deutsche Einfuhr mindestens in demselben Verhältnis beschränken werden und beschränken müssen, wie ihre Ausfuhr nach Deutschland beschränkt wird und daß darüber hinaus durch Boykottmaßnahmen (Holland, Dänemark, Schweden) und durch den sogenannten kalten Protektionismus (Druck auf Gemeinden, Großabnehmer, Industrie wie in Italien und in den Niederlanden) weitere Einschränkungen des Absatzes deutscher Waren erfolgen.“ Und weiter: „Nach der letzten Vorlage des Ernährungsministeriums [vgl. oben Anm 10] dürfte die Einschränkung der Einfuhr auf rund 400 Millionen RM zu schätzen sein. Hiervon entfallen rund 150 Millionen RM auf industrielle Rohstoffe, so daß der Rückgang der rein landwirtschaftlichen Einfuhr mit rund 250 Millionen RM zu bewerten ist. Diese verhältnismäßig geringe Ziffer kann für die Landwirtschaft bei einem Gesamtwert der auf den Markt gebrachten landwirtschaftlichen Erzeugung von 6½ bis 7 Milliarden RM keine Rolle spielen. Dagegen würde der Einfuhrbeschränkung von rund 400 Millionen RM ein Rückgang der Ausfuhr Deutschlands um mindestens 800 Millionen RM gegenüberstehen. Von diesen 800 Millionen entfallen mindestens 600 Millionen RM auf Löhne, Gehälter und dergleichen. Es bedeutet dies ein Ausfall von etwa 500 000 beschäftigten.“ (R 43 I /1176 , Bl. 191–194).

Auch der Reichsminister der Finanzen nahm grundsätzlich gegen die Kontingentierung Stellung. Er wies darauf hin, daß die Einfuhr jetzt bereits sehr stark zurückgegangen sei. Bei Einführung von Kontingenten bestände die Gefahr, daß sie in vollem Maße ausgeschöpft würden, während anderenfalls die Einfuhr vielleicht hinter diesem Höchstmaß zurückbleiben würde. Nur aus politischen Gründen würde es allerdings notwendig sein, in dieser Richtung Maßnahmen zu treffen.

Auf dem Holzgebiete werde es möglich sein, mit Zollmaßnahmen auszukommen.

Hierzu gab Ministerialdirektor Dr. Ritter nähere Erläuterungen12.

12

In einem Schreiben v. Neuraths an den StSRkei vom 7. 9., mit dem er über das Ergebnis der in den ersten Septembertagen geführten Beratungen des Handelspolitischen Ausschusses berichtete, hieß es hierzu u. a.: „Auf dem Holzgebiet sind bereits in den letzten Monaten für eine Anzahl von Positionen die Zölle erhöht worden. Um auch die Zölle für Schnittholz und Rundholz erhöhen zu können, ist der Handelsvertrag mit Schweden gekündigt und sind die Bindungen im Handelsvertrag mit Österreich beseitigt worden. Vom 15. Februar 1933 ab steht daher einer wirksamen Erhöhung der Zölle für Schnittholz und Rundholz nichts mehr im Wege.“ Problematisch sei dagegen die vom REMin. vorgeschlagene Kontingentierung von Papierholz, da hiervon in erster Linie Rußland betroffen würde. Bei „allen beteiligten Stellen“ bestehe die lebhafte Besorgnis, daß hierdurch die russische Zahlungsfähigkeit „in gefährlicher Weise beeinträchtigt [werden] und daß dies der Russischen Regierung nach der fortgesetzten Beschneidung der russischen Ausfuhr der letzten Zeit den taktischen Anlaß geben könnte, die Frage der vom Reich und den Ländern garantierten Zahlungen an Deutschland aufzuwerfen. Diese Möglichkeit muß umso mehr in Rechnung gestellt werden, als die russische Ausfuhr nach England, die für die Zahlungsfähigkeit der Sowjetunion von ausschlaggebender Bedeutung ist, durch die Auswirkungen der Konferenz von Ottawa voraussichtlich stark beschnitten werden wird. Im Hinblick auf die starke Beteiligung Preußens an den Garantien (3oo Millionen Reichsmark) hat auch die Preußische Regierung die stärksten Bedenken geäußert.“ (R 43 I /1176 , Bl. 120–122).

Der Reichsminister des Innern wies auf das starke Interesse der Länderregierungen an einer Steigerung der Holzpreise hin13.

13

Vgl. dazu Dok. Nr. 19 und Dok. Nr. 21.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte sich bereit, bei anderen Waren, insbesondere bei Häuten und Bananen, entgegenzukommen, wenn das Kabinett mit der Holzkontingentierung einverstanden wäre.

Dagegen wandte sich der Reichswirtschaftsminister.

Der Reichsminister des Auswärtigen unterstrich die schweren Bedenken, die[599] sich aus Gegenmaßnahmen der anderen Länder rechtfertigen würden. Er wies auf Erklärungen der italienischen Regierung hin, nach denen diese beabsichtigt, auch ihrerseits sofort Kontingente für deutsche Waren einzuführen, wenn Deutschland italienische Einfuhr kontingentiere14. Er lehnte es ab, einer Aufforderung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft entsprechend umgehend die deutschen Vertretungen im Auslande anzuweisen, über Kontingentsfragen zu verhandeln und binnen einer Woche zu einem Ergebnis zu kommen.

14

Geschehen offenbar anläßlich der dt.-ital. Devisenverhandlungen in den ersten Septembertagen 1932. Vgl. dazu ADAP, Serie B, Bd. XXI, Dok. Nr. 41, 44, 57, 81.

Nach einer längeren Aussprache über die Frage der Einfuhrkontingentierung von Wein glaubte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft dem Weinbau in erster Linie dadurch helfen zu können, daß die Winzerkredite in einen Unterstützungsfonds abgeführt werden.

Die Kontingentierung von Häuten und Fellen forderte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft unter Hinweis auf außerordentlichen Rückgang der Preise.

Der Reichswirtschaftsminister hielt es für unmöglich, diese Wareneinfuhr zu kontingentieren, da 45% des Rohmaterials aus dem Auslande komme und die Lederindustrie 30% ihrer Produktion ins Ausland absetze.

Auch der Reichsarbeitsminister sprach sich dagegen aus. In Württemberg würden Lederfabriken Arbeiter entlassen müssen, wenn es zu dieser Einfuhrdrosselung käme.

Gegen die Kontingentierung der Einfuhr von Speck und Schmalz wandte sich der Reichsarbeitsminister entschieden. Er wies darauf hin, daß er am 19. d. Mts. in Düsseldorf vor den Christlichen Gewerkschaften sprechen müsse und daß diese Kreise durch eine Erschwerung der Einfuhr von Speck und Schmalz besonders schwer betroffen würden.

Die Verhandlungen wurden auf Montag, den 19. d. Mts., vertagt15.

15

Dok. Nr. 149, P. 2.

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