1.57 (vpa2p): Nr. 186 Vermerk des Ministerialrats Feßler über den Empfang einer Abordnung der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtages am 2. November 1932 beim Reichskanzler

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 8). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett von Papen Band 2Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

Extras:

 

Text

RTF

[842] Nr. 186
Vermerk des Ministerialrats Feßler über den Empfang einer Abordnung der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtages am 2. November 1932 beim Reichskanzler1

1

Einladung hierzu erfolgte auf Wunsch der pr. DNVP-Fraktion (vgl. Anm 3), und zwar durch Schreiben des StSRkei vom 28. 10., wonach der Empfang „vormittags 11½ Uhr“ stattfinden sollte (R 43 I /1275 , Bl. 201).

R 43 I /1275 , Bl. 203

[Einfuhrkontingentierung, Zins- und Lastensenkung]

Der Reichskanzler empfing am 2. November eine Abordnung der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtages2, welche die im Schreiben vom 15. Oktober niedergelegten Wünsche auf agrarischem Gebiete3 vortrug und eingehend begründete. Der Reichskanzler äußerte ernste Bedenken gegen die Wirkung von Kontingenten. Die Preise der landwirtschaftlichen Produkte würden sich auch nach ihrer Einführung nicht regulieren, zumal der Getreidebau übersteigert würde. Der Fleischverbrauch würde zu 99% aus der eigenen Erzeugung gedeckt. Jetzt bereits klage das Ausland über nahezu völliges Versagen der deutschen Vieheinfuhr. Insbesondere aus Rumänien seien statt der im Handelsvertrage4 in Aussicht gestellten 46 000 nur 240 eingeführt worden.

2

Nach einer von der pr. DNVP-Fraktion am Nachmittag des 2. 11. herausgegebenen Pressenotiz (vgl. auch Anm 8) hatten von deutschnationaler Seite an dem Empfang teilgenommen die pr. LT-Abgeordneten v. Winterfeld, Schwecht, Logemann, v. Zitzewitz, Carlsen und Borck (R 43 I /1275 , Bl. 204).

3

Hierbei handelt es sich um ein an den RK gerichtetes Schreiben der pr. DNVP-Fraktion (Unterschrift: Schwecht), worin es einleitend heißt: Der „Landwirtschaftliche Ausschuß“ der DNVP habe „mit großer Sorge von Ihren Ausführungen vor den bayerischen Industriellen zur Handelspolitik [am 12. 10. in München, vgl. Dok. Nr. 166] Kenntnis genommen. Sie sprechen dort nur von Notstandsmaßnahmen zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Landwirtschaft. Die Ausführungen lassen aber das Bekenntnis zu einer entschiedenen nationalen Wirtschaftspolitik vermissen.“ Bedenklich sei ferner, daß von den Leitern der beiden wichtigsten Wirtschaftsressorts in dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten würden. „Während der Herr Reichsernährungsminister in seiner Rede in München [am 26. 9., vgl. Dok. Nr. 156] sowie in seiner gestrigen Rede auf der Tagung des Obst- und Gartenbauausschusses der Preuss. Hauptlandwirtschaftskammer in erfreulicher Weise eindeutige Versprechungen gemacht hat, deren Verwirklichung eine Belebung der landwirtschaftlichen Produktionskraft gewährleisten können und somit überall in der Landwirtschaft neue Hoffnungen im Sinne der Förderung Ihres Wirtschaftsplanes erweckt haben, hat der Herr Reichswirtschaftsminister bei allen Landwirten durch seine Ausführungen und Maßnahmen [vgl. Dok. Nr. 153, P. 1] Anlaß zu größter Sorge und Mißtrauen gegeben. Dieses Mißtrauen ist darin begründet, daß der Herr Reichswirtschaftsminister nur die Interessen eines Wirtschaftszweiges, aber nicht die der Gesamtwirtschaft zu vertreten scheint.“ Diesen Ausführungen fügt das Schreiben eine Reihe von Einzelforderungen an: 1) „sofortige“ Einführung von „autonomen Gesamtkontingenten“ für Butter, Fette, Öle, Häute, Felle, Obst, Gartenbauerzeugnisse, Zellulose und Kartoffeln; 2) „generelle“ Senkung der Zinssätze für Real- und Personalkredite; 3) Senkung der Zuckersteuer; 4) Wiederherstellung der Freigrenze bei der Umsatzsteuer von 5000 RM; 5) Einführung eines Verwendungszwangs von einheimischen Ölen und Fetten für die Margarinefabrikation. Abschließend wird in dem Schreiben um „Gelegenheit eines mündlichen Vortrages“ gebeten (R 43 I /1275 , Bl. 199–200).

4

Gemeint ist das Zusatzprotokoll zum vorläufigen dt.-rumän. Handelsabkommen vom 18.6.30, unterzeichnet am 23.12.31 (RGBl. 1931 II, S. 693 ). Zur Vereinbarung über dt. Vieheinfuhren s. dort Anlage II, Abs. I.

[843] Ein großer Teil der Bevölkerung sei seit 1870 aus dem Ertrage des Exports ernährt worden. Jetzt würden vom Auslande wegen der Kontingentierungspläne hundertjährige Geschäftsverbindungen zerrissen. Originalbriefe hierüber lägen ihm in großen Mengen vor5. Die Devisenlage würde erschwert.

5

Vgl. Dok. Nr. 129 und 174.

Gleichwohl werde die Kontingentspolitik, wie zugesagt, durchgeführt werden6.

6

Zur diesbez. Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 187, P. 4 und Dok. Nr. 191, P. 1.

Die landwirtschaftliche Erzeugung müsse über die Futtermittel rentabel gemacht werden, die Fettzufuhr sei abzudrosseln, Margarine werde aus inländischen Fetten hergestellt werden müssen.

Entscheidend für die Landwirtschaft sei das Zinsproblem und die Lastensenkung. Wenn sie wieder nur 2 bis 3% Zinsen zu zahlen habe, dann werde sie gesunden.

An eine Lastensenkung, insbesondere auch an die Herabsetzung der Zuckersteuer könne erst gedacht werden, wenn im Etat wieder Ordnung hergestellt sei. Das gleiche gelte für die Wiedereinführung der Umsatzsteuerfreiheit bei Umsätzen unter 5000 RM im Jahre7.

7

Hierzu vgl. Anm 2 zu Dok. Nr. 143.

Die beiliegende Pressenotiz wurde von den Mitgliedern der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtages ohne Mitwirkung der Reichskanzlei verfaßt und veröffentlicht8.

8

Über das Ergebnis der Besprechung heißt es in der Pressenotiz (vgl. oben Anm 2) u. a.: „Der Kanzler sagte zu, daß das Kabinett nach Rückkehr der Kommission aus Dänemark schon morgen die Kontingentierung, an der unbedingt festgehalten würde, beschließen wolle. Der Reichskanzler wies dabei auch auf seine früheren Reden hin und sagte ferner Maßnahmen zur Lastensenkung zu.“

F[eßler]

Extras (Fußzeile):