1.79 (vpa2p): Nr. 208 Wilhelm Keppler an Kurt v. Schröder. 13. November 1932

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[937] Nr. 208
Wilhelm Keppler an Kurt v. Schröder. 13. November 19321

1

Abgedr. auch bei Czichon, Wer verhalf Hitler, Dok. Nr. 6.

NS 20/76, Bl. 24–25

[Regierungsneubildung: Kanzlerschaft Hitlers]

Sehr verehrter Baron Schröder!

Die letzten Tage waren für mich so besetzt, daß ich leider nicht dazu kam, Ihnen wie beabsichtigt zu berichten.

Herr Hecker konnte von seinem Besuch bei Herrn von P[apen] uns berichten, daß dort der gute Wille vorliege, sich auf eine Regierung unter der Kanzlerschaft Hi[tler]s zu einigen. Herr H[ecker] machte dem Kanzler auch Mitteilung von dem beabsichtigten Brief2, und er gab Ratschläge, wie man hierbei am besten vorgehe. Andererseits wurde wiederum darauf aufmerksam gemacht, wie schwer es sein werde, dem bestehenden Widerstand an der bekannten Stelle3 zu begegnen.

2

Dazu unten Anm 6.

3

Offenbar der Widerstand Hindenburgs.

 

Freitag4 fand alsdann eine eingehende Aussprache statt, wobei Hecker, Dr. Schacht und Herr Himmler aus München, der auch bei den früheren Verhandlungen wegen Regierungsbildung beteiligt war, teilnahmen. Herr Hecker legte Herrn v. P[apen] nahe, im Kabinett zu bleiben, um dadurch eine gewisse Beruhigung für den alten Herrn zu schaffen. Herr Himmler war der Anschauung, daß alle vorgesehenen Maßnahmen auch den Ideen des Führers entsprechen würden, und man vertrat den Standpunkt, möglichst offen und ehrlich die ganzen Verhandlungen zu führen. Herr Himmler wird heute Herrn Hi[tler] berichten. Wir hoffen, daß alsdann gewisse weitere Verhandlungen in Gang kommen, wenn auch bei Herrn Hi[tler] der Wille zu einer derartigen Einigung besteht.

4

11.11.32.

Es herrschte die Anschauung, daß die beste Wirkung bei dem alten Herrn zu erwarten sei, wenn sich Herr v. P[apen] selbst möglichst ernst für eine derartige Lösung einsetze.

Mit den anderen Parteien soll vorerst nicht verhandelt werden. Sollten sie nicht bereit sein mitzumachen, um eine Lösung auf verfassungsmäßigem Weg zu ermöglichen, so denkt man an Neuwahlen unter der Parole: Hindenburg und Hitler; an dem Erfolg einer derartigen Wahl ist nicht zu zweifeln. Ich sprach gestern nochmals mit Herrn Hecker, und er versicherte nochmals, daß er der festen Überzeugung sei, daß Herr v. P[apen] an einer derartigen Lösung festhalten werde; er wies aber nochmals auf die eine große Schwierigkeit5 hin. Die wirtschaftlichen Richtlinien, über deren Abfassung wir bei der Besprechung letzten Dienstag sprachen, und gewisse politische Richtlinien sollen die Grundlage für die Verhandlungen bilden.

5

Vgl. oben Anm 3.

[938] Bei dieser Sachlage müssen wir besonderen Wert darauf legen, den bewußten Brief möglichst wirkungsvoll zu gestalten. Da Herr von P[apen] über diesen Schritt orientiert ist (es soll ihm vor Übersendung noch in offizieller Form Mitteilung gemacht werden) und ihn zur Verwirklichung der Absichten begrüßt, werden die Bedenken gegen Unterzeichnung in vielen Kreisen fortfallen. Die Absendung soll erst in etwa acht Tagen erfolgen6.

6
 

Bei dem „bewußten Brief“ handelt es sich um eine repräsentativ gedr. Eingabe an den RPräs. (Exemplar in NS 20/76, Bl. 28–29) mit der Aufforderung, die „verantwortliche Leitung eines mit den besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts an den Führer der größten nationalen Gruppe“ zu übertragen. Die Eingabe (gedr. u. a. in Ursachen und Folgen, Bd. VIII. Dok. Nr. 1909; Czichon, a.a.O., Dok. Nr. 10) wurde am 19.11.32 – unterzeichnet von 20 mehr oder weniger prominenten Persönlichkeiten aus Industrie, Bankwesen und Landwirtschaft (u. a. Thyssen, Schacht, Hecker, v. Schröder, Graf Kalckreuth) – von dem Bankier Friedrich Reinhart an StS Meissner übergeben und von diesem dem RPräs. vorgelegt. Näheres s. bei Hentschel, Weimars letzte Monate, S. 69 und 133 f.

Wir konnten weiterhin feststellen, daß die Berliner Börsenzeitung, die D. A. Z. und die Hamburger Nachrichten für eine Kanzlerschaft Hi[tlers] eintreten werden, sodaß auch eine entsprechende Resonanz da sein wird.

Nachdem ich gestern mit Ihnen wegen Herrn Kuno7 gesprochen hatte, kam ein Anruf von Herrn Krogmann; er teilte mit, daß Dir. Kiep mit Herrn Kuno gesprochen habe und daß letzterer Bedenken habe (Subventionierter Betrieb!). Die Hamburger Herren waren über obige Sachlage noch nicht orientiert, und ich hoffe, daß die Kenntnis der Vorgänge zu einer anderen Stellungnahme führt8.

7

So in der Vorlage. Gemeint ist offenbar der GenDir. der Hamburg-Amerika-Linie (Hapag) und ehem. RK (1922/23) Wilhelm Cuno.

8

Die Eingabe wurde von Cuno nicht unterzeichnet.

Ich bin überzeugt, daß die bisherigen Verhandlungen auch Ihren Anschauungen entsprechen werden und bitte Sie, uns auch weiterhin zwecks Erreichung des Zieles unterstützen zu wollen.

Der Winterbeginn ist ein wenig geeigneter Zeitpunkt zur Übernahme der Regierungsführung; eine nochmalige Zwischenlösung, die sicher mit einem Fiasko enden würde, würde eine weitere Stärkung der Position Herrn Hi[tlers] bedeuten. Herr Himmler berichtet mir, daß der Führer trotzdem sich verpflichtet fühle, ev. schon jetzt die Verantwortung zu übernehmen, um einen weiteren Verfall der Wirtschaft zu vermeiden. Ich darf wohl annehmen, daß auch die Kräfte der Wirtschaft sich zur Erreichung des Zieles einsetzen.

Mit besten Grüßen

Ihr aufrichtig ergebener

Keppler

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