2.18 (vsc1p): Nr. 18 Der Präsident des Deutschen Landwirtschaftsrats Brandes an den Reichskanzler. 10. Dezember 1932

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Nr. 18
Der Präsident des Deutschen Landwirtschaftsrats Brandes an den Reichskanzler. 10. Dezember 1932

R 43 I /1275 , Bl. 338 f.

[Einfuhrkontingentierung; Warnung vor wachsender Radikalisierung der Bauern.]

Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Da sich heute eine persönliche Rücksprache nicht ermöglichen ließ und ich nach Ostpreußen zurück muß, bitte ich, mir folgende Darlegungen zu gestatten.

Die Stimmung in der Landwirtschaft, nicht nur des Ostens, ist verzweifelt. Die festen Versprechungen, die der Landwirtschaft bezüglich der Kontingente vom vorigen Kabinett, dem Sie auch angehörten, gegeben sind1, sind nicht gehalten. Sie wissen es sicher aus eigener Lebenserfahrung, sehr verehrter Herr Reichskanzler, daß nichts im Leben gefährlicher ist und mehr Mißtrauen sät, als Versprechungen zu machen, die man nachher nicht hält. Wenn daher jetzt nicht schleunigst sehr wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um die Preiskatastrophe namentlich auf dem Gebiet der Veredlungswirtschaft zu bekämpfen, und überhaupt die Lage der Landwirtschaft wieder erträglich zu gestalten, so sehe ich voraus, daß die deutschen Bauern in schärfste Opposition zum Kabinett treten werden2. Diese Haltung der Bauern wird von maßgeblichem[67] Einfluß auf alle politischen Parteien sein: denn ein sehr erheblicher Teil aller Parteien besteht aus Landvolk und Bauern. Die Bauernfront geht durch alle Parteien. Keine Partei wird sich dem Druck, der von dort kommt, widersetzen können und wollen. Das gilt sowohl von den Nationalsozialisten wie von Deutschnationalen, Zentrum, Bayerischer Volkspartei usw. – Die Radikalisierung des Landvolks wird stürmisch weitergehen und der Druck von dort aus immer von Woche zu Woche stärker werden.

1

Einzelheiten s. Dok. Nr. 20, insbesondere Anm. 2 und 4.

2

Zum diesbezüglichen Fortgang s. Dok. Nr. 49 und 50.

Nur schnelle und wirksame Maßnahmen zur Wiederherstellung der Lebensmöglichkeit für die Landwirtschaft können Abhilfe schaffen.

Noch sind meines Erachtens diese Maßnahmen innerhalb der jetzt bestehenden Wirtschaftsordnung möglich. Nach ein paar Monaten ist es vielleicht schon zu spät. Einzelmaßnahmen, die vielleicht diesem oder je[n]em beschränkten Gebiet einige Hilfe bringen, werden nicht mehr die gewünschte Wirkung zeitigen.

Ich habe es für meine Pflicht gehalten, Sie, Herr Reichskanzler, auf den furchtbaren Ernst der augenblicklichen Lage in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen. Die Abhilfemaßnahmen, die wir für notwendig halten, sind im Reichsernährungsministerium bekannt.3

3

Das von RK v. Schleicher am 14. 12. mit einer Sichtparaphe versehene Schreiben wird am 16.12.1932 von MinR Fessler mit förmlichem Dank beantwortet: „Der Herr Reichskanzler hat Kenntnis genommen. Auf seine Ausführungen in der Rundfunkrede am 15. d.Mts. darf ergebenst hingewiesen werden.“ (R 43 I /1275 , Bl. 340). Einzelheiten dazu s. Dok. Nr. 25, insbesondere Anm. 14.

Mit vorzüglicher Hochachtung

habe ich die Ehre zu verbleiben

Ihr sehr ergebener

Dr. Brandes

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