2.32 (vsc1p): Nr. 32 Aufzeichnung des Reichsbankpräsidenten über eine Besprechung in der Reichsbank am 21. Dezember 1932 betreffend das Arbeitsbeschaffungsprogramm

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Nr. 32
Aufzeichnung des Reichsbankpräsidenten über eine Besprechung in der Reichsbank am 21. Dezember 1932 betreffend das Arbeitsbeschaffungsprogramm1

1

Die Besprechung war in der Sitzung des Ausschusses der RReg. für Arbeitsbeschaffung in Aussicht genommen worden (s. Dok. Nr. 30).

Nachlaß Luther, Nr. 352

Anwesend: Luther, Dreyse, Warmbold, von Krosigk und Gereke. Dauer über 3 Stunden. Verhandlungsgegenstand der Vorschlag des Reichskommissars für Arbeitsbeschaffung vom 19. Dezember 19322.

2

Einzelheiten s. Dok. Nr. 30, Anm. 2.

1. Zu Teil I machte ich die Hinweisungen, abgesehen von dem Punkt „Zu 3c“, die sich in der Ausarbeitung des Herrn Waldhecker von gestern Abend befinden3. Hinsichtlich der außerdeutschen Baustoffe wurde mit Rücksicht auf die handelspolitische Lage gegenüber Schweden bei Pflastersteinen die leichtere Form gewählt, daß Arbeiten, bei denen außerdeutsche Baustoffe verwendet werden müßten, tunlichst nicht genehmigt werden sollen. Der Zusatz, betreffend die Gefahr künstlicher Lohnbewegungen, wurde dahin gefaßt, die Aufträge dürften nicht dahin führen, daß regional oder branchenmäßig ein Mangel an Arbeitskräften eintritt.

3

Vermerk des RbkDir. Waldhecker vom 20.12.1932 „Zum Vorschlag des Reichskommissars für Arbeitsbeschaffung vom 19. Dezember 1932“ in: Nachl. Luther , Nr. 352. Die Mehrzahl der von ihm angeregten Änderungen – auch zu P. 3 c des Gerekeschen Sofortprogramms – waren technischer und redaktioneller Natur. Von grundsätzlicher Bedeutung waren einige Zusätze zum allgemeinen Teil, u. a. die Forderung daß nur solche Arbeiten ausgeführt werden sollten, „die notwendig sind, um sonst unvermeidbaren Substanzzerstörungen (Kapitalverlusten) vorzubeugen“. Außerdem sollten sie „geeignet sein zur Tragung der durch den Kapitalaufwand entstehenden Zukunftslasten“. Schließlich hatte Waldhecker noch darauf hingewiesen, daß die Aufträge nicht dahin führen dürften, „daß in einem Gebiet oder einer Branche ein Mangel an Arbeitskräften eintritt und etwa Lohnbewegungen einsetzen (z. B. Tiefbau)“.

[139] 2. Hinsichtlich der Größe des Projektes und der Finanzierung fand eine umfangreiche Debatte statt, in der ich zunächst die Frage anschnitt, ob sich denn das [Sofort-]Programm innerhalb der 2,7 Milliarden [Mark des Gesamtprogramms] bewegen soll, und besonders ob eine Maßregel beabsichtigt sei, um den erforderlichen Betrag aus den 700 Millionen der Prämien-Steuergutscheine [für die Mehreinstellung von Arbeitern] einzusparen. Ich stellte zur Erörterung, ob nicht vom 1. März an auf neue Arbeitereinstellungen keine Prämien-Gutscheine mehr sollten gewährt werden. Dabei unterstrich ich, wie Mißbrauch dadurch entstehen würde, daß den Unternehmern, die die öffentlichen Aufträge bekommen, nun auch noch Prämien-Steuergutscheine zufließen würden, indem ich bezweifelte, daß die in dem Vorschlag des Arbeitskommissars vorgesehene Anrechnung auf den Preis in hinreichendem Umfang gelingen würde. Die Regierungsvertreter gaben die letztere Schwierigkeit zu. Herr Warmbold glaubte indessen, daß durch Verwendung des Submissionsverfahrens stark die Gefahr eingeschränkt werden könne. Es wurde auch darauf verwiesen, daß die gleiche Schwierigkeit schon jetzt hinsichtlich des bisherigen Arbeitsbeschaffungsprogramms bestände, worauf ich erwiderte, daß das praktisch nur für die 342 Millionen ein Gefahrenpunkt sein würde, die nicht auf Reichsbahn und Post entfallen, und daß jedes Anwachsen die Gefahr sehr steigere. Hauptsächlich aber wurde von Regierungsseite betont, es würde psychologisch auf die wirtschaftliche Erholung ungünstig wirken, wenn das eingeräumte Recht auf Prämien-Gutscheine irgendwie wieder beschnitten würde. Minister von Krosigk machte eine Berechnung auf, wonach auch ohne solche Einschränkung es praktisch unmöglich erscheine, daß nicht mindestens 400 Millionen von den 700 Millionen freibleiben würden, und auch bei den 1,5 Milliarden echte Steuergutscheine würden nach einer Rechnung, die er nochmals nachprüfen wolle, mindestens 100 Millionen nicht gebraucht werden.

Die Erörterung ging nunmehr auf das Finanzierungsverfahren über. Minister von Krosigk nahm unter Vorbehalt seiner endgültigen Entschließung eine Haltung ein, aus der hervorging, daß er für die Reichsbank die Unmöglichkeit einsah, ohne die zwar auch schon sehr weit hinausliegenden, aber doch noch für eine Kreditgewährung durch die Notenbank vorstellbaren Termine der Steuergutscheine4 für die Liquidierung der Wechsel die gewünschte Finanzierung auf sich zu nehmen. Wir hatten auch darauf hingewiesen, daß auf der jetzt vorgesehenen Basis ein Bankenkonsortium5 gar nicht gebildet werden könnte. Ich bezeichnete den Vorschlag des Arbeitskommissars als eine Finanzierung ins Blaue hinein und als kurzfristige Finanzierung von Investitionen. Im Einzelnen forderte ich die Einbeziehung der Unternehmer als Wechselverbundene für den Regelfall mit Ausnahmen nur bei kleinen Beträgen und kleinen Aufträgen. Einzelnes nach dieser Richtung wurde vorbehalten. Die weitere Erörterung vollzog sich nun tatsächlich auf der Basis, daß Steuergutscheine gewährt werden. Minister Warmbold versuchte aus meiner Münchener Rede6[140] nachzuweisen, daß ich eine Kreditausweitung in dem Sinne zugestanden hätte, daß sie voll auf die Reichsbank entfiele. Ich erwähnte, daß aus dem Gesamtinhalt des W.T.B.-Berichts sich die Irrtümlichkeit dieser Auslegung ergebe. Herr Dreyse wies darauf hin, daß die Reichsbank ohne das Regierungsprogramm der 2,7 Milliarden Kreditzusagen in Höhe von 3,5 Milliarden gegeben hat, die nur zu einem Bruchteil in Anspruch genommen seien. Schließlich nahm auch Minister Warmbold Berechnungen innerhalb der 2,7 Milliarden Steuergutscheine vor, indem er zahlenmäßig auseinandersetzte, daß höchstens 250 Millionen für Prämien-Steuergutscheine könnten in Anspruch genommen werden.

4

Einzelheiten s. Dok. Nr. 2, Anm. 4.

5

Vgl. dazu Dok. Nr. 3, Anm. 7 und Dok. Nr. 30, Anm. 2.

6

Einzelheiten s. Dok. Nr. 3, Anm. 9.

Herr Dreyse hatte angeregt, daß nach außen eine Zahl überhaupt nicht genannt werden möchte. Schließlich spitzten sich die Erörterungen auf ein Formulierungsproblem zu. Dem Einwande Warmbolds, daß jede Benutzung der für die Prämienzahlungen vorgesehenen Steuergutscheine für andere Zwecke den Antrieb der Privatwirtschaft nehmen würde, setzte ich entgegen, daß äußerlich ja eine Begrenzung auf die 700 Millionen in der Verordnung gar nicht drin sei, was Krosigk bestätigte. Andererseits wiederholte Krosigk, was er schon früher gesagt hatte, daß man, wenn sich eine zu starke Inanspruchnahme von Steuergutscheinen zeige, ja immer noch abbremsen könne. Es wurde dann noch über eine Zahl gesprochen. Dreyse sprach von etwa 350, während ich mich geneigt zeigte, an der von vornherein genannten Zahl von 500 festzuhalten, dabei betonend, daß man natürlich nicht wissen könne, ob die Zahl überhaupt herauskomme, indem ich auch auf die Zweifel nach dieser Richtung, die die Oeffa hat, verwies. Dreyse behielt sich für die Beratung im Reichsbankdirektorium seine Stellungnahme vor. Beide Minister drängten sehr, nicht unter 500 herunterzugehen. Die Bezugnahme auf die bewilligten 2,2 Milliarden soll so erfolgen, daß es nicht deutlich wird, ob der für öffentliche Arbeitsbeschaffung abgezweigte Betrag ganz auf die 700 Millionen entfällt, sondern es soll auf die 2,2 Milliarden gemäß der schon jetzt übersehbaren Entwicklung verwiesen werden, die die Abspaltung der Summe ermöglicht. Warmbold führte aus, daß es sich um das Arbeitsbeschaffungsprogramm von 1933 handle, während das bisherige Programm das für 1932 gewesen sei. Ich setzte hinzu, daß die Reichsbank niemals erklärt habe, sobald ein Programm erledigt sei, dann nicht erneut die ganze Frage prüfen zu wollen, und stellte fest, daß es sich also bei diesem Programm um die Fürsorge für das ganze Jahr 1933 handle.

3. Wegen der Leistungen der Kommunen wies ich auf die Notwendigkeit einer zwar geringen, aber doch als echte Zinszahlung erkennbaren Verzinsung hin. Die aus dem Vorschlag sich errechnende Verzinsung von 1,9% sei ja nur eine Anerkennungsgebühr. Aus der Erörterung ergaben sich drei Gruppen von Arbeiten, nämlich solche, die rentabel sein müssen, z. B. von Elektrizitätswerken; solche, die, ohne im privatwirtschaftlichen Sinne rentabel zu sein, doch normalerweise aus Anleihen bezahlt werden können, z. B. größere Brücken, und solche, die normalerweise aus dem laufenden Haushaltsplan zu bezahlen sind, z. B. Straßen-Pflasterungen. Man will den Vorschlag dahin umarbeiten, daß diesen drei Gesichtspunkten Rechnung getragen werden soll, indem der bisherige Vorschlag offensichtlich nur auf die dritte Möglichkeit abgestellt war.

[141] Ich erhob weiterhin Bedenken, daß irgendwelche Beträge von regionalen Stellen sollten endgültig bewilligt werden können. Weiter erhob sich eine Erörterung darüber, ob die Oeffa oder die Rentenbank-Kreditanstalt genötigt sein sollte, Beschlüsse auszuführen, die der Kreditausschuß gefaßt hat, auch wenn es gegen ihre Überzeugung sei. Dr. Gereke glaubte, daß sich das alles praktisch, wie bisher, regeln werde. Dreyse machte darauf aufmerksam, daß die Rentenbank-Kreditanstalt die Rolle eines lediglich ausführenden Organs sicher übernehmen würde.

Dreyse sagte schließlich noch, daß wir auf die Einräumung eines Sitzes im Kreditausschuß keinen Wert legten.

4. Die Angelegenheit soll heute im Reichskabinett grundsätzlich erneut vorgetragen werden7, und es soll uns dann ein zweiter Entwurf zugehen. Ich sagte schleunigste Behandlung zu, nachdem Dr. Gereke mitgeteilt hatte, der Wunsch der Reichsregierung sei der, noch vor Weihnachten die Erweiterung des öffentlichen Arbeitsbeschaffungsprogramms zu verabschieden.

7

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 34.

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