2.13.1 (wir1p): Oberschlesien.

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 1Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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Oberschlesien.

Staatssekretär v. Haniel macht Mitteilung über seine letzte Unterredung mit dem englischen Botschafter. Dieser habe empfohlen, in der Frage der Lebensmittel- und Geldsendungen nach Oberschlesien nicht prinzipiell Opposition zu machen1 und außerdem zugesagt, daß 4 Bataillone englischer Truppen vom Rhein nach Oberschlesien gesandt werden sollen.

1

Siehe dazu auch Dok. Nr. 10, Anm. 1.

Der Preußische Minister des Innern Dominicus teilt mit, daß nach Meldung der Regierungspräsidenten in Breslau die Absperrung der Grenze gegen Oberschlesien am 24. Mai in die Wege geleitet würde. Nach einem ihm zugegangenen Bericht aus Beuthen nehme die Bewegung dort bolschewistisch-kommunistischen Charakter an. Der Minister teilt ferner mit, daß der Regierungspräsident in Schneidemühl eine der oberschlesischen ähnliche polnische Invasion befürchte.

Der Herr Reichskanzler stellt fest, daß das Auswärtige Amt entsprechende Mitteilungen an die Allierten machen werde.

General v. Seeckt führt aus, daß in dem unter deutscher Verwaltung verbliebenen Oberschlesien geordnete Verhältnisse herrschten. Die Bildung der Freiwilligenkorps jedoch habe einen Umfang angenommen, der unerwünschte Konsequenzen für die Wehrmacht zeitigen könnte2. Er schlage daher vor,[26] durch eine Verordnung die Bildung von Freiwilligenkorps unter Strafe zu stellen. Der General stellt außerdem fest, daß von einer Demobilmachung der Polen keine Rede sein könne.

2

Schon am 14.5.1921 hatte v. Seeckt sich in einer Weisung an den GenLt. v. Preinitzer, Befehlshaber der 2. Kavalleriedivision in Breslau, ähnlich geäußert: „Die politische Entwicklung hat bisher dem Verhalten der deutschen Regierung in der oberschlesischen Frage Recht gegeben. Sie fordert von den Alliierten Einhaltung des Versailler Friedens und macht sie für die Ordnung in Oberschlesien verantwortlich. Dieser Standpunkt ist unhaltbar, wenn von unserer Seite Schritte unternommen und geduldet werden, welche gleichfalls einen Bruch des Friedens darstellen, d. h. wenn wir einen deutschen Aufstand dem polnischen entgegensetzen. – Alle Regierungsstellen und im besonderen die militärischen haben sich streng in den Grenzen zu halten, daß nur die lokale Abwehr der deutschen Bevölkerung Oberschlesiens gegen polnische Angriffe unterstützt werden darf. Alle weiteren Maßnahmen sind Sache der Regierung, und ihre Ausführung kann nur in den Händen ihrer staatlichen Machtmittel liegen. Das erfordert, daß die Bildung größerer und zusammenhängender Freiwilligenformationen nicht nur nicht unterstützt werden darf, sondern mit allen Mitteln zu hindern ist. Nach hier vorliegenden Nachrichten sind die Anfänge von Bildung von Freikorps erkennbar. Es darf kein Zweifel gelassen werden, daß solche Freikorps weder jetzt noch später anerkannt oder von militärischer Seite ausgenutzt werden können. Ich bin gewillt, mit allen Mitteln das Wiederaufleben des Freikorpswesens zu unterdrücken. In gleicher Weise halte ich das Auftreten höherer inaktiver Offiziere in Oberschlesien oder im Grenzgebiet für überflüssig. Solche Bildungen und Persönlichkeiten sind nur geeignet, im Fall des Einsatzes staatlicher Machtmittel, also von Truppen der militärischen Führung, Schwierigkeiten zu machen. Ich mache ferner auf das Auftreten höchst zweifelhafter Elemente aus dem Reich in Schlesien aufmerksam. Es scheint ein Zufluß von Abenteurern bereits einzusetzen, deren unverantwortliche Tätigkeit den schwersten Schaden anrichten kann. Ich ersuche die Division, mit aller Energie dafür zu sorgen, daß in keiner Weise gegen diese Anweisungen verstoßen wird, und so die allein von hier zu übersehende Gesamtlage zum Schaden des Reiches von unberufener Seite beeinflußt wird.“ (R 43 I /355 , Bl. 152 f.). Das Schreiben gelangte abschriftlich nicht nur an das Gruppenkommando 1, das Wehrbereichskommando III, die Rkei und das AA, sondern auch an Oberst a. D. v. Schwartzkoppen, den militärischen Leiter einer die „Zentrale“ genannten Geheimorganisation in Breslau.

Ministerialdirektor Dr. Meissner teilt mit, daß der Herr Reichspräsident Bedenken getragen habe, die vorgelegte Verordnung, nach der die Bildnug von Freiwilligenkorps unter Strafe gestellt werde, zu zeichnen. Er wolle nicht den Anschein erwecken, als ob die Regierung die Verordnung auf das Diktat des Generals Nollet hin erlassen hätte.

Nach eingehender Debatte beschließt das Kabinett, gegen die Stimmen der Reichsminister Schiffer und Geßler, den Herrn Reichspräsidenten zu bitten, eine entsprechende Verordnung zu erlassen3.

3

Eine VO des RPräs. auf Grund des Art. 48 vom 24.5.21 stellte die Bildung militärischer Verbände ohne Genehmigung der zuständigen Dienststellen unter Strafe (R 43 I /2729 , Bl. 238 und RGBl. 1921, I, S. 711 ).

Von der vom Reichswehrminister Dr. Geßler in Anregung gebrachten Verhängung des Belagerungszustandes in Schlesien beschließt das Kabinett Abstand zu nehmen.

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