2.140.1 (wir1p): [Kreditaktion der Industrie]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 1Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

Extras:

 

Text

RTF

[Kreditaktion der Industrie]

Reichskanzler berichtete über die Verhandlungen von gestern mit den Vertretern der Industrie1. Er betonte insbesondere, daß zur Zeit Kredit nicht zu haben sei, da die ausländischen Kreditgeber erst die Konferenz in Washington2 abwarten wollten.

1

Siehe Dok. Nr. 133 u. Dok.Nr. 135

2

Siehe Dok. Nr. 126 Anm. 2

Der Vorschlag der Industrie weiche von dem ursprünglichen Plan insofern ab3, als früher auf dem Boden der Substanz der Industrie, jetzt aber auf der Grundlage der Verkehrsbetriebe Kredit beschafft werden solle.

3

Zum ursprünglichen Plan siehe Dok. Nr. 133 Anm. 1, zum neuesten Vorschlag der Industrie Dok. Nr. 135 Anm. 2.

Er hielt die Forderungen der Industrie für unerfüllbar, bemerkte jedoch, daß eine Umorganisation unserer Verkehrsbetriebe erforderlich sei; anderenfalls würde die Reparationskommission eingreifen. Die heutige Besprechung solle nur eine vorläufige Fühlungnahme bedeuten.

[384] Leipart wies auf die in den heutigen Morgenblättern veröffentlichte Entschließung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Afa hin4. Beide Organisationen verlangten von der Regierung unbedingte Ablehnung. Wegen der Frage der Umorganisation der Verkehrsbetriebe könnten noch keine Vorschläge gemacht werden.

4

Siehe Dok. Nr. 133 Anm. 5.

Reichsmin[ister] Groener: Gestern wäre in einer großen Sitzung mit den Eisenbahngewerkschaften die Frage der Überführung der Eisenbahn in Privatbetriebe besprochen und in einer Entschließung abgelehnt worden. Man hätte einen kleinen Ausschuß der Eihenbahngewerkschaften gebildet, der in dauernder Fühlung mit dem Reichsverkehrsministerium bleibe, und von ihm auf dem laufenden gehalten werden solle.

Leipart forderte, daß nach Scheitern der Kreditaktion nunmehr die Erfassung der Goldwerte der Industrie durchgesetzt werde. Demgegenüber entgegnete der Reichskanzler daß hierüber heute noch keine Erklärung abgegeben werden könnte, weil die Absichten der Reparationskommission noch unbekannt wären und das Kabinett noch nicht Stellung genommen hätte.

Nachträglich erschien der Geschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften, Baltrusch, und sprach sich dafür aus, daß die Forderung der Industrie nicht ohne weiteres abgelehnt werden sollte. Ehe in die Substanz eingegriffen werde, müssen erst alle anderen Mittel versucht werden.

Der Reichskanzler sagte zu, in einer gemeinsamen Besprechung mit den Gewerkschaften demnächst eine Erklärung der Reichsregierung abgeben zu wollen5.

5

Möglicherweise ist die Besprechung vom 22.11.21 gemeint, in der der RK eine längere Erklärung abgibt (Dok. Nr. 152).

Nach Entfernung der Gewerkschaftsführer wurde die Besprechung fortgesetzt.

Reichsminister Groener führte in längerer Darlegung aus, daß er auf den Kampf vorbereitet wäre. Das Problem, den Betrieb der Eisenbahn, namentlich der Werkstätten, wirtschaftlicher zu gestalten, wäre schon seit längeren Jahren erörtert worden. Eine Reihe von Werkstätten wären bereits zu Musterbetrieben umgestaltet worden, und zwar unter tätiger Mitwirkung von Männern der Industrie. Die Überführung der Werkstätten in reine Privatbetriebe sei auch von Vertretern der Industrie abgelehnt und die bisherige Art des Geschäftsbetriebes gebilligt worden. Ein reiner Privatbetrieb nehme der Eisenbahn den Charakter eines gemeinnützigen Unternehmens. Jedoch müßte weiter daran gearbeitet werden, die Vorteile einer privatwirtschaftlichen Organisation auf die Eisenbahn, unter Wahrung ihres jetzigen Charakters zu übernehmen. So würde sich vielleicht für die Zukunft die Trennung der Ministerialinstanz von der reinen Betriebsverwaltung empfehlen.

Im übrigen wäre es verfehlt, von dem Defizit im Etat der Reichseisenbahn auf eine ungesunde Wirtschaftslage der Bahnen zu schließen. Die jetzigen Schäden wären nur Kriegsfolgen, die überwunden werden würden. Das ginge jedoch nicht so schnell, wie es wünschenswert wäre, weil die Eisenbahn nicht in der[385] Lage wäre, ihre Tarife in demselben Maße, wie die Teuerung fortschreite, zu erhöhen. Wenn die jetzige Valutabewegung nicht eingetreten wäre, hätte man im April 1923 die Deckung für die Betriebsunkosten im Etat erreicht.

Die Absicht von Stinnes ginge darauf hinaus, Deutschland wirtschaftlich und damit politisch zu beherrschen.

Im Kabinett will Reichsminister Groener in den nächsten Wochen seine Pläne des näheren darlegen. Ein Eisenbahnfinanzgesetz soll in einigen Wochen dem Reichsfinanzministerium zugehen.

Extras (Fußzeile):