1.118.1 (wir2p): Reparation.

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 2Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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Reparation.

Der Reichskanzler teilt zunächst mit, daß die Verhandlungen mit den Gewerkschaften in ruhiger Weise verlaufen wären. Die Ressorts würden eine Abschrift der Niederschrift bekommen1. Am 25. August müßte eine Kabinettssitzung über diese Frage unter Zuziehung der Preußischen Ministerien des Innern, für Handel und Gewerbe und für Landwirtschaft stattfinden2.

1

Siehe Dok. Nr. 352.

2

Siehe Dok. Nr. 355.

Demnächst berichtet der Reichskanzler über die heutige Verhandlung mit den Vertretern der Reparationskommission. Mauclère hätte im Namen der Französischen Regierung den Bergmannschen Vorschlag über die Bestellung eines Garantiefonds für Rückstände an Kohlen- und Holzlieferungen abgelehnt und Pfänder verlangt, die den Poincaréschen äquivalent seien. Hierauf habe er, der Reichskanzler, in seinem und der Reichsregierung Namen den Vorschlag Bergmann offiziell zur Kenntnis gebracht3. Darauf habe Bradbury sein neues Programm über Besitz- und Eigentumsergreifung an Gruben und Forsten vorgelegt.

3

Zum Vorschlag Bergmann siehe Dok. 349 Anm. 4; D’Abernon berichtet in seinen Memoiren, daß Wirth am 24. 8. vor der Ablehnung dieses Vorschlages durch die Franzosen mit ihm über den Plan gesprochen und gesagt habe, er habe ihn bekämpft, weil Deutschland nicht genügend Geld habe, um die 50 Mio Goldmark zu hinterlegen; D’Abernon bemerkt abschließend: „Ich habe Wirth nie so bedrückt und abgespannt gesehen wie heute.“ (D’Abernon, Botschafter, Bd. II, S. 111 f.).

Das Programm wird verlesen4.

4

In den Akten finden sich unsignierte Durchschläge des Bradbury’schen Vorschlages in engl. und dt. Fassung: „Minen und Forsten (Die folgenden Vorschläge sind von Sir John Bradbury lediglich als eine mündliche Basis für die Diskussion aufgestellt. Er ist sich zur Zeit selbst noch nicht klar darüber, ob sie fair oder praktisch durchführbar sind).

Die Deutsche Regierung soll ihr Einverständnis erklären, daß in dem Fall eines Rückstandes an Kohle- und Holzlieferungen nach dem Programm, das die Reparationskommission von Zeit zu Zeit vorlegt, die Reparationskommission das erste Vorrecht auf die Produktion der fiskalischen Gruben und staatlichen Wälder hat, bis zu einem Quantum, das die Lieferungsrückstände nicht überschreitet, und zwar solange, bis die Rückstände ausgeglichen sind. – Für den Fall, daß dieses Arrangement in Kraft tritt, wird die Deutsche Regierung den von der Reparationskommission bestellten Sachverständigen die Möglichkeit geben, die in Rede stehenden Gruben und Wälder zu besichtigen und Programme für die Lieferungen aufzustellen. – Es werden Überwacher der Ablieferungen ernannt werden – einer für Kohle und einer für Holz –, die weder deutscher noch alliierter Nationalität sind und im Einverständnis zwischen der Reparationskommission und der Deutschen Regierung ausgewählt werden. Die Programme der Lieferungen, die durch die Sachverständigen der Reparationskommission vorbereitet werden, werden durch die Überwacher der Lieferungen geprüft werden, die die Befugnis haben sollen, die Programme herabzusetzen, wenn nach ihrer Meinung die geforderten Quantitäten irgendeiner Mine oder irgendeines Waldes die Quantitäten übersteigen, die verständigerweise innerhalb der vorgeschriebenen Periode erlangt oder gefällt werden können, unter Berücksichtigung der verständigen technischen und kaufmännischen Ausbeutung der fraglichen Mine oder des fraglichen Waldes. – Die von den Überwachern gebilligten Lieferungsprogramme sollen in der Ausführung für die betreffenden Gruben- und Forstverwaltungen bindend sein, ihre Ausführung soll von den Überwachern überwacht werden. – Jede Nichtausführung des gebilligten Programms bei irgendeiner Grube oder irgendeinem Walde (soweit sie nicht anch der Ansicht des Überwachers ausschließlich auf Ursachen beruht, die außerhalb der Kontrolle der Verwaltung oder der betreffenden Staatsregierung liegen) soll sogleich durch den Überwacher der Reparationskommission berichtet werden, welche daraufhin in den Besitz der Mine oder des Waldes treten wird, bei denen die Nichtausführung eingetreten ist. Von dem Zeitpunkt des Inbesitztretens an sollen die vollen Eigentumsrechte an der fraglichen Mine oder an dem fraglichen Walde bei der Reparationskommission begründet sein, frei von allen Kosten und Lasten. – Die Deutsche Regierung wird hiernach berechtigt sein, daß ihr auf Reparationskonto nach der Wahl der Reparationskommission gutgeschrieben wird, entweder a) der Kapitalwert der Grube oder des Waldes, wie er von der Repko zu dem Zeitpunkt der Besitzergreifung bestimmt ist, – oder b) die Nettoeinnahmen, die von Zeit zu Zeit aus Verkauf, Verpachtung oder Ausbeutung durch die Repko eingehen, die aber, wo es nötig ist, solchen Berichtigungen unterliegen sollen, die in Hinsicht auf die unter Teil VIII des Vertrages von Versailles abgelieferten Produkte gerecht erscheinen.“ (R 43 I /30 , Bl. 211).

Staatssekretär Dr. von Simson: In der Ressortbesprechung von heute nachmittag hätten alle Ressorts den Vorschlag Bradbury für völlig unannehmbar erklärt,[1050] insbesondere, weil er eine dauernde Verpfändung der fiskalischen Forsten und Gruben vorsehe, und weil er weiter verschlechternd auf die Mark wirken werde. Andererseits sei man sich darüber klargeworden, daß eine ernste Lage geschaffen sei, und habe neue Möglichkeiten im Sinne der Mauclèreschen „Äquivalente“ gesucht, ohne solche bisher zu finden. Im übrigen hätte Mauclère heute beim Herrn Reichskanzler ja auch erklärt, daß nach so viel verflossener Zeit nicht zu erwarten stände, daß Frankreich einen anderen Weg akzeptieren würde.

Er, Simson, empfehle, jedenfalls den Abschluß der Verhandlungen freundlich zu gestalten.

Der Reichskanzler weist darauf hin, daß nach dem Bradburyschen Plan Gruben und Forsten das Pfand für die Lieferungen sein sollten. Wo bliebe bei solcher Lage die Sicherung für eine spätere Anleihe?

Er sei für Ablehnung des Vorschlags Bradbury; die daraus sich ergebenden wirtschaftlichen Maßnahmen müßte das Kabinett demnächst beraten.

Reichswirtschaftsminister Schmidt bezeichnet den Vorschlag Bradbury als wirtschaftlich und politisch ganz untragbar.

Staatssekretär Dr. Schroeder teilt mit, daß Bradbury zur Zeit bei Minister Hermes sei.

Der Reichskanzler stellt die Frage, ob jemand der Ablehnung des Vorschlags Bradbury widerspreche?

Dies ist nicht der Fall.

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