2.82.1 (bau1p): 1. Stellungnahme des Reichsministeriums zur Frage des Streikrechts der Beamten.

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1. Stellungnahme des Reichsministeriums zur Frage des Streikrechts der Beamten1.

1

Vgl. dazu bereits diese Edition: Das Kabinett Scheidemann, Dok. Nr. 34, P. 5 und 40, P. 1.

Der Reichsminister des Innern teilte mit, daß das Preußische Staatsministerium die Stellung des Reichsministeriums zu dieser Frage aus Anlaß der Anfrage in der Preußischen Landesversammlung erbeten habe2. Ein Teil der Beamten berufe sich darauf, daß die Volksbeauftragten das Koalitionsrecht gewährleistet hätten3 und daß das Koalitionsrecht das Streikrecht einschlösse. Diese Auffassung sei nicht ganz zutreffend. Zwar könne man den Beamten das persönliche Recht zu streiken nicht bestreiten, aber es müsse doch Folgen haben, da der Beamte lebenslänglich angestellt sei und ein Recht auf Pension habe.

2

Anfrage der Abgg. Schmidt und Ebersbach (DNVP) über den Schutz arbeitswilliger Beamter bei einem Streik (PrLV-Drucks Nr. 777, Bd. 647).

3

Vgl. im Aufruf des Rates der Volksbeauftragten vom 12.11.18: „Das Vereins- und Versammlungsrecht unterliegt keinen Beschränkungen, auch nicht für Beamte und Staatsarbeiter“ (RGBl. S. 1303 ).

Der Reichskanzler trat dem Reichsminister des Innern darin bei, daß jeder Staatsbürger, auch der Beamte, das Koalitionsrecht und damit auch das Streikrecht besitze. Zu berücksichtigen sei aber, daß die im Beamtenverhältnis stehenden Pesonen nur unter besonderen Voraussetzungen hiervon Gebrauch machen könnten, nämlich nur dann, wenn sie das Beamtenverhältnis vorher aufgäben. Solange es bestünde, hätte der Beamte seine Pflicht zu erfüllen. Dies folge daraus, daß er seitens des Reichs unkündbar angestellt sei und nur im Disziplinarwege entlassen werden könne und einen Ruhegehaltsanspruch besitze. Diese Rechte des Beamten schüfen für ihn eine weitergehende Verpflichtung gegenüber dem Reiche als für den Arbeiter. In dieser Weise würde[309] er vorschlagen, die Anfrage zu beantworten und hinzuzufügen, daß eine Neuregelung des ganzen Beamtenrechts bevorstände und daß darin auch diese Fragen klargestellt werden würden.

Der Preußische Finanzminister war der Auffassung, daß ein Streikrecht der Beamten zu verneinen sei, weil es außerdem auch mit dem Etatrecht kollidiere4; das Koalitionsrecht schließe das Streikrecht nicht ein; dies sei auch die Auffassung des Preußischen Staatsministeriums. Was das taktische Vorgehen anlange, so halte er ein Umgehen der Frage und lediglich eine Verweisung auf das Beamtenratsgesetz5, wie von einer Seite angeregt sei, nicht für richtig6.

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In gleichem Sinne äußerte sich der damalige RIM David im Verlauf der NatVers.-Debatte am 1. 8., in der die Vertreter der einzelnen Fraktionen ihren Standpunkt zur Frage des Streikrechts der Beamten darlegten (NatVers.-Bd. 329, S. 2231 ). – Die Ausführungen Davids waren der Ausgangspunkt der in Anm. 2 zit. DNVP-Anfrage.

5

Gemeint ist wahrscheinlich das pr. Ges. über Dienstvergehen der nicht-richterlichen Beamten vom 21.7.1852, nach dessen § 2 „ein Beamter, welcher die Pflichten verletzt, die ihm sein Amt auferlegt“, den Disziplinarstrafbestimmungen dieses Gesetzes unterliegt (GS S. 465).

6

Hiernach im Protokoll gestrichen: „Er glaube vielmehr, daß man in dem von dem Herrn Reichskanzler vorgeschlagenen Sinne die Frage beantworten müsse. Der Reichsminister der Justiz war gleichfalls der Auffassung, daß man Klarheit schaffen müsse.“

Nach weiteren Erörterungen kam man zu dem Ergebnis, daß aus den in Vorstehendem angegebenen Gründen ein Streiken der Beamten nicht geduldet werden könne und daß sie im Falle eines Streiks alle Folgen zu gewärtigen hätten7.

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Als im Dezember 1919 von den Verbänden der Postbeamten ultimativ versucht wird, eine Erhöhung der Teuerungszulagen um 300% durchzusetzen, hält der RPM es „für ein Gebot der Stunde, daß die Reichsregierung ohne Verzug zu der Frage des Streikrechts Stellung nimmt und ihre Entschließung den Beamten bekannt gibt. Diese Entschließung kann m. E. nur in dem Sinne ergehen, daß das Streikrecht mit der Stellung eines Reichsbeamten nicht zu vereinbaren ist“ (Der RPM an den RIM, 30.12.19; Abschrift an den UStSRkei; R 43 I /2640 , Bl. 28). In seinem Antwortschreiben weist der RIM auf die in der Sitzung des RKab. vom 16.10.19 festgestellte Einmütigkeit zwischen RReg. und PrReg. in der Frage selbst hin; eine eigene Stellungnahme der RReg. hält er nicht für zweckmäßig, vielmehr könne die PrReg. bei der Beantwortung der zit. Anfrage in der PrLV erklären, ihre Stellungnahme erfolge im Einvernehmen mit der RReg. (Der RIM an den RPM, 12.1.20; Abschrift an den UStSRkei; R 43 I /2640 , Bl. 28 f.). In diesem Sinne teilt der UStSRkei dem PrMinPräs. am 26.1.20 das Einverständnis der RReg. mit dem vorgelegten Antwortentw. mit (R 43 I /2640 , Bl. 33 ff.). Die Erklärung wird von der PrStReg. am 20.2.20 vor der PrLV abgegeben (PrLV-Bd. 639, Sp. 9603 f.).

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