2.118.2 (bru1p): 2. Außerhalb der Tagesordnung: Aussage Hitlers vor dem Reichsgericht.

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2. Außerhalb der Tagesordnung: Aussage Hitlers vor dem Reichsgericht.

Der Reichsminister der Justiz gab an Hand der „B.Z. am Mittag“ und weiterer Nachrichten, die ihm zugegangen waren, eine Darstellung der Aussage Hitlers vor dem Reichsgericht am Vormittage des 25. September 1930, soweit sie vorlag6. Nach seiner Auffassung habe die Aussage den Angeklagten mehr[448] geschadet als genützt. Auch in dem Hochverratsprozeß gegen Hitler selbst dürfte die Aussage gegen Hitler und Goebbels zu verwerten sein7.

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In dem sog. „Ulmer Reichswehrprozeß“ gegen Scheringer, Wendt und Ludin wegen Hochverrats hatte der Verteidiger Frank beantragt, Hitler als Zeugen für die Legalität der NSDAP vorzuladen; Hitler beschwor am 25. 9. seine Aussage, die NSDAP werde auf verfassungsmäßigem Wege die Macht im Staate erobern. Der Prozeßverlauf ist von P. Bucher, Der Reichswehrprozeß, aus Zeitungsberichten rekonstruiert worden; Vernehmung Hitlers dort S. 237–280; Vereidigung S. 296–298. Vgl. auch „Erinnerungen und Dokumente von Joh. Victor Bredt 1914–1933“, S. 250–252.

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1929 waren von der Reichsanwaltschaft Hochverratsverfahren gegen Hitler und Goebbels eingeleitet worden; die Ermittlungen gegen Hitler wurden 1931 eingestellt, gegen Goebbels erhob der Reichsanwalt am 6.4.32 Anklage, doch es fand keine Verhandlung statt (Bucher, S. 13–14).

Auf Wunsch des Reichskanzlers wurde mit dem Oberreichsanwalt telefonische Verbindung aufgenommen.

Inzwischen erklärte der Reichsbankpräsident daß nach Mitteilungen, die er am Vormittage erhalten habe, die Börse zwar ungünstiger sei als am Tage vorher, aber nicht so schlecht wie etwa nach einer gefährlichen Rede Hitlers zu erwarten wäre. Die Rede scheine demnach also nicht ernst genommen worden zu sein. Immerhin sei es ihm unverständlich, wie eine Zeitung sie in großer Form tendenziös aufmachen könne, ohne Rücksicht auf die Folgen im Inland und draußen.

Nachdem der Reichsminister der Justiz mit dem Oberreichsanwalt Werner in Leipzig gesprochen hatte, teilte er über diese Unterredung folgendes mit:

Die Rede Hitlers habe zwei Stunden gedauert. Er sei davon ausgegangen, daß zwischen Volk und Staat zu unterscheiden sei und daß der Staat das Wohl des Volkes erstreben müsse. Da der moderne Staat dies nicht tue, müsse er umgestellt werden, jedoch nur auf legalem Wege, mit den Mitteln, die von der Verfassung selbst hierzu zur Verfügung gestellt würden. Er rechne damit, daß seine Partei in drei Jahren 300 Abgeordnete zählen würde und daß dann die Umstellung in diesem Sinne erfolgen könne.

Auf eine Frage des Vorsitzenden, was die Bemerkung zu bedeuten habe, daß Köpfe in den Sand rollen würden, habe er erklärt, auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung solle ein Staatsgerichtshof geschaffen werden, der die Schuldigen am Zusammenbruch vom November 1918 aburteilen solle. Auch ihre Hinrichtung müsse auf gesetzlicher Grundlage erfolgen.

Die Vernehmung des Staatssekretärs Zweigert als Zeugen finde gegenwärtig statt und sei noch nicht abgeschlossen8.

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StS Zweigert war vom Vertreter der Anklage als Gegenzeuge gegen Hitler benannt worden; zu Zweigerts Vernehmung s. Bucher, S. 284–294.

Die Verteidigung habe in Aussicht gestellt, daß sich eine große Anzahl von Gegenzeugen dafür benennen würde, daß tatsächlich die Nationalsozialistische Partei den Umsturz nicht wolle. Die Reichsanwaltschaft werde diesen Versuch bekämpfen, der die ganze Parteifrage ins Rollen brächte. Gelänge es nicht, dies zu vermeiden, so werde sie die Vertagung beantragen, um inzwischen selbst Material sammeln zu können.

Der Reichsminister der Justiz erklärte, daß er hierzu die Zustimmung gegeben habe.

Nach Ansicht des Reichsministers der Finanzen müsse dafür gesorgt werden, daß die Pressenotizen richtig gestellt würden.

Demgegenüber wurde insbesondere vom Reichsarbeitsminister der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Presse aus parteipolitischen Gründen diesem[449] Ersuchen nicht entsprechen werde, selbst wenn durch ihr Vorgehen außenpolitisch und für den Reichskredit Schaden entstände.

Vor weiterer Entschließung soll der volle Wortlaut der Zeugenaussage Hitlers abgewartet werden.

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