2.250.2 (bru1p): b) Rationalisierung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens.

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b) Rationalisierung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens.

Staatssekretär Dr. Joël führte in Fortsetzung der Aussprache vom Nachmittag aus1, daß nach dem Reichsgesetz vom 17. August 1925 über Zolländerungen in § 4 die Änderung oder Aufhebung von Zöllen durch die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats und eines Ausschusses des Reichstags vorgesehen sei2. Auch diese Art der Gesetzesdelegation entferne sich von dem Weg der Gesetzgebung, den die Reichsverfassung vorsehe. Die Wissenschaft bestreite zwar die Möglichkeit derartiger Ermächtigungen. Die deutsche Staatspraxis stehe aber auf dem gegenteiligen Standpunkt. Deswegen könne auch die Ermächtigung zur Erhöhung einzelner Zölle der Reichsregierung ohne die Mitwirkung des Reichsrats und eines Ausschusses des Reichstags grundsätzlich vorgesehen werden.

1

Vgl. Dok. Nr. 249.

2

S. Dok. Nr. 76, Anm. 19.

Auch die Ermächtigung, Handelsverträge vor ihrer Ratifizierung durch den Reichstag längstens drei Monate anzuwenden, sei durch ein einfaches Gesetz der Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats und eines Ausschusses des Reichstags delegiert worden. Nur die Ratifizierung könne nicht in dieser oder anderer Weise durch Gesetz an die Reichsregierung delegiert werden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft verlas sodann die Formulierung für ein Ermächtigungsgesetz (Anlage 1)3.

3

Über „Anlage 1“ ist handschriftlich im Protokoll vermerkt: „fehlt“. Als Anlage 1 zu dem Protokoll ist dagegen handschriftlich ein Artikel formuliert, der die RReg. ermächtigte, „im Falle eines dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisses […] die Einfuhrzölle für einzelne Waren abweichend von den geltenden Vorschriften zu regeln“, sowie „zweiseitige Wirtschaftsabkommen mit ausländischen Staaten vorläufig anzuwenden“ (R 43 I /1448 , Bl. 381). Dieser Artikel wurde in den GesEntw. über Zolländerungen als Artikel 1 aufgenommen (Durchschrift des GesEntw. sowie der agrarpolitischen Kabinettsbeschlüsse (2. Fassung) in R 43 I /2546 , Bl. 371–376).

Staatssekretär Dr. Trendelenburg wies darauf hin, daß plurilaterale Verträge nicht unter diese Bestimmung fallen sollen. Das habe der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft gewünscht. Er selbst habe hiergegen keine Bedenken.

Der Reichsminister des Auswärtigen bat, das Genfer Handelsabkommen dem Reichstag zuzuleiten.

[911] Der Reichskanzler stellte fest, daß das Kabinett die Weiterleitung des Genfer Handelsabkommens an den Reichstag beschlossen habe4.

4

Vgl. den GesEntw. vom 24.2.31 über das Genfer Handelsabkommen vom 24.3.30 in RT-Bd. 450 , Drucks. Nr. 816 , sowie das Gesetz vom 24.3.31, RGBl. II, S. 64 .

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bat, die Agrarmaßnahmen hiervon nicht abhängig zu machen. Die Opposition würde daraus sofort eine Gegenaktion gegen die günstige Stimmung einleiten, die von den Agrarmaßnahmen in landwirtschaftlichen Kreisen zu erhoffen sei.

Der Reichskanzler erklärte hierzu, daß es sich um eine interne Vereinbarung handele, die der Öffentlichkeit nicht bekanntzugeben sei.

Die Ermächtigung zur Erhöhung des Butterzolls wurde nach der Formulierung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft beschlossen. Bei einer Anwendung dieser Ermächtigung soll auf die Lage der Arbeitslosigkeit Rücksicht genommen werden. Dadurch soll den Bedenken des Reichsarbeitsministers Rechnung getragen werden. Die Bestimmung soll lediglich im Kabinettsprotokoll niedergelegt, nicht aber der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden.

Der Reichsarbeitsminister erklärte sich bereit, der allgemeinen Ermächtigung, wie sie ja auch in früheren Gesetzen ähnlich niedergelegt sei, zuzustimmen. Er halte dies aber nur für eine Verschiebung der Krise bis zur endgültigen Entscheidung über die Anwendung der Ermächtigung.

Der Reichskanzler stellte fest, daß das Reichskabinett einig sei. Die Verantwortung, ob die Vereinbarung vom Reichstag angenommen würde, fiele der Rechten zu. Es sei genau zu überlegen, was der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in seiner Etatsrede am 24. Februar sagen werde. Er werde dabei auf die Lage der Weltwirtschaft und der Weltwirtschaftspolitik eingehen und betonen müssen, daß die Ermächtigung sich auch auf industrielles Gebiet bezöge. Die agrarpolitischen Maßnahmen müßten im engen Zusammenhang mit den sonstigen Plänen und dem großen Programm für die Landwirtschaft gebracht werden. Der Entwurf der Rede soll am 24. Februar vormittags beim Reichskanzler mit den zuständigen Reichsministern durchgesprochen werden5.

5

Die Besprechung fand am 24. 2. von 12.15 Uhr bis 13.10 Uhr statt (Nachl. Pünder  Nr. 43, Bl. 238). Zur RT-Rede des REM s. RT-Bd. 445, S. 1163 –1173.

Staatssekretär Dr. Trendelenburg fürchtete, daß die Ermöglichung von Zollerhöhungen die Wirtschaft auf diesen an sich falschen Weg bringen werde.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft führte weiter aus, daß er auf die Feststellung des Enquêteausschusses, die innere Verflechtung der deutschen Wirtschaft und die Notwendigkeit einer Ordnung des Binnenmarktes eingehen werde6. Er werde an die Worte des Reichsministers des Auswärtigen erinnern, der auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, die Ausfuhr zu steigern und die Einfuhr zu verringern7.

6

S. RT-Bd. 445, S. 1164 . Vgl. dazu: „Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft“ (Hrsg), Die innere Verflechtung der deutschen Wirtschaft […] I. Unterausschuß, 2. Arbeitsgruppe, 2. Bd. (1930), S. 273.

7

S. RT-Bd. 445, S. 1164 .

[912] Das Reichsministerium war sich darüber einig, daß die Zwischenzölle für Speck und Schmalz aufgehoben werden. Die Reichsregierung wird den Zeitpunkt der Aufhebung bestimmen8.

8

Vgl. den bereits vorliegenden Kabinettsbeschluß vom 25.10.30, Dok. Nr. 149, P. 2.

Wegen des kleinen Grenzverkehrs wird der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in seiner Rede nur allgemein mitteilen, daß Übelstände durch Verhandlungen möglichst bald beseitigt werden sollen. Die Einzelmaßnahmen für die Landwirtschaft sollen von der Lösung des Problems des Genossenschaftswesens und der Durchführung des Gesamtplans für die Landwirtschaft abhängig gemacht werden. Den Handelspolitischen Ausschuß des Reichstags mit der Aufhebung der Zwischenzölle für Speck zu befassen, sei nur während der Session des Reichstags möglich, da nachher nur der Auswärtige Ausschuß und der Überwachungsausschuß zusammentreten können9.

9

Zur parlamentarischen Beratung der Agrarvorlage s. Dok. Nr. 260 und Dok. Nr. 264.

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