1.159.3 (bru2p): 3. Reparationspolitische Frage (außerhalb der Tagesordnung).

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3. Reparationspolitische Frage (außerhalb der Tagesordnung).

Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Finanzen führte aus, daß bei den Besprechungen der Sachverständigen in London10 eine Streitfrage darüber entstanden sei, ob die mixed claims11 unter das Hooversche[1436] Feierjahr fielen12 Ministerialdirektor von Krosigk und Ministerialrat Berger verträten den Standpunkt, daß die mixed claims unter das Feierjahr fielen und befürchteten bei einem Nachgeben Konsequenzen für andere Fragen. Es entstehe nun die Frage, ob Deutschland die Zahlung unter Hinweis auf das Hoover-Feierjahr ablehnen könne. Vielleicht sei es möglich, die Zahlungspflicht anzuerkennen, jedoch die zu zahlenden Summen unmittelbar unter Verrechnung mit den mixed claims den Deutschen auszuzahlen, welche Freigabe-Ansprüche gegen die Vereinigten Staaten von Nordamerika hätten.

10

Auf Anregung der Brit. Reg. war eine internationale Finanzexpertenkommission für den 17.7.31 nach London einberufen worden, die Einzelfragen des Hoovermoratoriums beraten sollte (WTB Nr. 1431 vom 8.7.31, R 43 I /314 , Bl. 3; WTB Nr. 1452 vom 10.7.31, R 43 I /314 , Bl. 7). Die eigentliche Arbeit des Ausschusses begann nach Abschluß der Londoner Konferenz am 24.7.31.

11

Das Dt. Reich hatte im Berliner Vertrag vom 25.8.21 (RGBl., S. 1317 ) anerkannt, daß die US-Reg. auch weiterhin die volle Verfügungsgewalt über das im Kriege beschlagnahmte dt. Eigentum ausübt. Dieses Recht sollte so lange in Kraft bleiben, bis Dtld angemessene Vorbereitungen zur Befriedigung der Forderungen amerik. Bürger auf Schadenersatz kriegsbedingter Sach- und Vermögensverluste getroffen haben würde. Gemäß dem dt.-amerik. Abkommen vom 10.8.22 (RGBl. 1923 II, S. 113 ) wurde zur Feststellung dieser privaten Ansprüche eine Dt.-Amerik. Gemischte Kommission (Mixed Claims Commission) gebildet: vgl. diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 257 Anm. 1 und 2. Im Dt.-Amerik. Schuldenabkommen, das Bestandteil des Youngplans war, hatte sich das Dt. Reich zur jährlichen Zahlung von 40,8 Mio RM zur Abgeltung der Urteilssprüche der Mixed Claims Commission verpflichtet (RGBl. 1930 II, S. 385 ).

12

Schwerin v. Krosigk und Botschafter v. Neurath hatten telegraphisch den Reparationsministerien berichtet, daß die mixed-claims-Frage ein schwieriges Problem darstelle. Der Text des Hooverplans rechtfertige die Weiterzahlung an sich nicht, da die dt. Regierungsverpflichtungen nicht als in Händen Privater befindlich angesehen werden könnten. Würde deutscherseits trotzdem die Weiterzahlung angekündigt, würde den Bestrebungen, den Hooverplan extensiv auszulegen, Tür und Tor geöffnet. Der amerik. Sachverständige Livesey hätte als Kompromiß vorgeschlagen, daß Dtld in Höhe der 40,8 Mio RM in die Verpflichtung der USA gegenüber den dt. Berechtigten aus der amerik. Freigabe-Bill eintrete. „Bei dieser Regelung handelt es sich natürlich um eine Kulisse, über die sich die Beteiligten klar sein müßten. Deutscherseits würde von einem Verzicht der Amerikaner auf die mixed claims bei gleichzeitigem Verzicht der deutschen Berechtigten auf direkte Entschädigung zu sprechen sein“ (Dt. Botschaft London, Telegramm Nr. 293 vom 25.7.31, R 43 I /314 , Bl. 36–37). In einer Aufzeichnung „Zur Kabinettssitzung am 27.7.31“ vom 27.7.31 legte der Referent des RFMin., MinR Fuchs, den Sachstand dar und formulierte drei Fragen, zu denen das RKab. Stellung nehmen sollte: „1) Kann überhaupt eine Sonderregelung mit Amerika getroffen werden, durch die den Amerikanern praktisch die Zahlung aus der Mixed Claims-Annuität auch während des Hooverjahres zugutekommt? Dazu ist zu bemerken, daß laut heutiger telefon. Mitteilung die Delegation nicht annimmt, daß die Amerikaner sich von dieser Forderung werden abbringen lassen. 2) Wird die Frage zu 1) grundsätzlich bejaht, fragt es sich weiter, ob Voraussetzung für den Abschluß einer solchen Sondervereinbarung mit den Amerikanern sein soll, daß für diese Vereinbarung die oben erörterte oder eine andere Form gefunden wird, durch die ein Präjudiz zugunsten anderer Mächte nach Möglichkeit vermieden wird? 3) Ist das Kabinett damit einverstanden, daß der Anregung der deutschen Delegation, von hier aus eine Unterstützung des oben genannten Vermittlungsvorschlags, z. B. durch eine Intervention des hiesigen amerikan. Botschafters oder durch den deutschen Botschafter in Washington, vorzunehmen, gefolgt wird?“ (R 2 /3537 ).

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß man den Vereinigten Staaten von Nordamerika in irgendeiner Weise entgegenkommen müsse.

Es bestand Übereinstimmung darüber, daß der Deutschen Delegation in London die Ermächtigung erteilt werden soll, in dieser Frage so zu handeln, wie es die Gesamtsituation erfordert. Auf jeden Fall soll jedoch den Amerikanern Entgegenkommen gezeigt werden13.

13

In der Sitzung des Sachverständigen-Komitees vom 31.7.31 erläuterte Livesey seinen Vorschlag. Danach hätte Dtld während des Hooverjahres die Mixed Claims-Annuität zu den Fälligkeitsterminen fortzuzahlen. Die Vereinigten Staaten erklärten sich aber bereit, den dt. Berechtigten in kurzer Frist mindestens einen Betrag von 18 Mio $ als Vorausleistung zur Verfügung zu stellen. Das Sachverständigen-Komitee sollte einfach von der Tatsache der Fortsetzung der dt. Zahlungen und der Vorausleistung der Vereinigten Staaten Kenntnis nehmen. Die dt. Delegation erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden, da die während des Hooverjahres auf Mixed Claims zu leistenden Zahlungen nach diesem Plan mindestens in gleicher Höhe bereits vorher der dt. Wirtschaft zugeflossen sein würden (Durchschrift eines Berichts des MinR Berger vom 1.8.31, R 43 I /314 , Bl. 74–75; vgl. auch FRUS 1931, Vol. II, S. 282  f.). Diese dt.-amerik. Vereinbarung ist nicht in das Schlußprotokoll des Sachverständigen-Komitees vom 11.8.31 aufgenommen worden (Text des Protokolls in R 43 I /314 , Bl. 219–266).

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