1.192.1 (bru2p): Beratungen des Finanzkomitees in Basel.

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Beratungen des Finanzkomitees in Basel.

Der Reichskanzler teilte mit, daß die Arbeiten des von dem Amerikaner Wiggin präsidierten Finanzkomitees in Basel soweit fortgeschritten seien1, daß ein von dem Engländer Layton aufgestellter Berichtentwurf zur Erörterung stehe. Dr. Melchior habe den Entwurf hierher mitgeteilt und sei bereit, etwaige Abänderungswünsche der Reichsregierung bei der am heutigen Tage beginnenden Generaldebatte zu vertreten.

1

Zur Berufung des Basler Finanzkomitees s. Dok. Nr. 434, Anm. 1; vgl. auch Dok. Nr. 436. Zum Vorsitzenden des Komitees war Albert H. Wiggin (USA) gewählt worden; weitere Mitglieder des Komitees waren Beneduce (Italien), Bindschedler (Schweiz), Francqui (Belgien), P. Hofstede de Groot (Niederlande), Sir Walter T. Layton (Großbritannien), Melchior (Dtld), Moreau (Frankreich), Rydbeck (Schweden) und Tanaka (Japan). Das dt. Mitglied der BIZ, Blessing, war zum Sekretär des Komitees bestellt worden. Aufzeichnungen in dt. Sprache und die offiziellen Protokolle in englischer Sprache über die Sitzungen vom 8.–15.8.31 befinden sich in Durchschrift in R 43 I /315 , Bl. 268–278 (dt); Bl. 300–334, Bl. 340–347 (englisch).

Der Reichskanzler stellte den anliegenden Entwurf zur Erörterung2.

2

Als Anlage 1 abgedruckt.

Auf Grund der Aussprache wurde beschlossen, Dr. Melchior zu bitten, eine Reihe von Änderungen zu vertreten. Diese Änderungen betrafen zunächst die Zahlenangaben auf Seite 4 des Entwurfs3. Der geschätzte Exportüberschuß Deutschlands für die zweite Hälfte 1931 wurde für zu hoch gehalten. Auf Seite 8 unten soll dem Sinne nach gesagt werden, daß Deutschland, wenn nicht eine vertrauensvollere Atmosphäre zwischen den beteiligten Ländern geschaffen werde, kaum in der Lage sein werde, der inneren Schwierigkeiten Herr zu werden4. Ferner stellte der Reichskanzler eine von Dr. Melchior fernmündlich mitgeteilte Anregung zur Erörterung, derzufolge Herr Wiggin gegebenenfalls bereit wäre, die terms of reference des Komitees dahin erweitern zu lassen, daß das Reparationsproblem vom Finanzkomitee mitbehandelt werde. Demzufolge soll in der Generaldebatte des Finanzkomitees erörtert werden, ob ein entsprechender Schlußsatz in dem Bericht mitaufzunehmen ist5.

3

S. Anlage 1, S. 1567.

4

Vgl. Anlage 1, S. 1569.

5

Melchior hatte StS Schäffer am 15.8.31 in einem Telefongespräch folgende Frage vorgelegt: Ob, wenn der Layton-Bericht zu dem Ergebnis komme, daß empfohlen werde, die terms of reference dahin zu erweitern, daß das Reparationsproblem mit von diesem Ausschuß behandelt werde, die dt. Reg. einen entsprechenden Antrag an MacDonald als Vorsitzenden der Konferenz zu stellen bereit wäre (Vermerk von ORegR Planck in R 43 I /315 , Bl. 356; vgl. auch das Tagebuch Schäffers vom 15.8.31, IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 625 f.).

[1565] Es wurde beschlossen, Herrn Dr. Melchior zu bitten, sich mit der Aufnahme eines derartigen, auf die Reparationsfrage bezüglichen Schlußsatzes einverstanden zu erklären, mit der Alternative, daß im Bericht empfohlen wird, das Reparationsproblem entweder durch die Regierungen oder durch einen besonderen Ausschuß beraten zu lassen.

Die auf Grund der Aussprache an Dr. Melchior gesandten Instruktionen haben den aus der Anlage ersichtlichen Wortlaut6.

6

Als Anlage 2 abgedruckt.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther berichtete sodann über den Stand der Stillhalteverhandlungen in Basel7. Er teilte mit, daß die von den Sachverständigen geführten Verhandlungen sehr schlechte Fortschritte gemacht hätten. Die Verhandlungen vollzögen sich leider in sehr unangenehmen Formen. Der den Vorsitz führende Engländer Tiarks verhandle im Augenblick allein mit der deutschen Gruppe und werde sodann auf Grund dieser Verhandlungen die zwischen der deutschen Gruppe und den Gläubigermächten bestehenden Differenzpunkte formulieren. Diese Differenzpunkte würden alsdann am kommenden Tage dem Hauptkomitee unterbreitet werden. Die Gläubigerseite habe bisher nur völlig unzulängliche Konzessionen gemacht. Ihr Vorschlag auferlege der Reichsbank große Devisenopfer und stehe infolgedessen in Widerspruch zu dem soeben erörterten Berichtentwurf des Finanzkomitees8. Einstweilen sei noch nicht abzusehen, auf welchem Wege eine befriedigende Lösung gefunden werden könne9.

7

Auf Wunsch des Wiggin-Komitees verhandelten seit dem 14.8.31 Vertreter internationaler Banken in Basel über ein Moratorium für private dt. Schulden (Schultheß 1931, S. 508). Vgl. zu dieser Frage auch Dok. Nr. 413; Nachl. Luther Nr. 365, Bl. 122–124, 126–127, 129, 131; Tagebuchaufzeichnung Schäffers vom 16.8.31, IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 641 f.; Luther, Vor dem Abgrund, S. 207–209.

8

Die Gläubiger wünschten, daß ausländische Markguthaben in Dtld von der Stillhaltung ausgenommen werden sollten. Außerdem sollte jeder zahlungswillige dt. Debitor seine Schulden ins Ausland abführen können; die Erneuerung von Akzeptkrediten sollten nur noch auf der Grundlage von Rembourskrediten vorgenommen werden können. Nach Auffassung des RbkPräs. konnte bei einer Verwirklichung dieser Vorschläge nicht mehr von einer Stillhaltung gesprochen werden (Nachl. Luther Nr. 365, Bl. 122–123; Luther, Vor dem Abgrund, S. 208).

9

Vgl. hierzu Dok. Nr. 448.

Auf Grund der Aussprache hielt das Reichskabinett – einem Vorschlage des Reichskanzlers entsprechend – für richtig, Herrn Dr. Melchior zu empfehlen, angesichts des Widerstandes der Gläubigermächte, insbesondere der halsstarrigen Haltung der Schweiz und Hollands, mit der Erklärung eines deutschen Moratoriums für Auslandsschulden zu drohen. Diese Instruktionen sollen Herrn Dr. Melchior nach Lörrach fernmündlich übermittelt werden10.

10

Zum Fortgang der Beratungen über den Layton-Bericht s. Dok. Nr. 445.

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