1.20.3 (bru2p): 3. Buch des Reichsbankpräsidenten a. D. Schacht.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 2). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

3. Buch des Reichsbankpräsidenten a. D. Schacht.

Bei der Beratung dieses Punktes war außer Reichsminister Dietrich auch der Reichsminister des Innern nicht mehr anwesend.

Der Reichsminister des Auswärtigen erklärte, daß weite Kreise sich mit dem Buch des früheren Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht, betitelt „Das Ende der Reparationen“, befaßt hätten. Nach seinen Informationen sei auch damit zu rechnen, daß alsbald nach Ostern weitere Publikationen über das Reparationsthema erscheinen würden, die auf der Schachtschen Darstellung der Reparationsgeschichte aufbauen würden. Daher müsse unbedingt baldigst etwas geschehen, um den in der Schachtschen Darstellung enthaltenen ungeheuerlichen Geschichtsfälschungen zu begegnen. Dr. Schacht habe neben einer an sich ausgezeichneten Behandlung des Reparationsthemas sehr viel Polemik gegen die Reichsregierung in seine Darstellung gemischt. An Hand von drei besonders markanten Beispielen setzte der Reichsminister des Auswärtigen auseinander, daß Dr. Schacht in seinem Buch die geschichtliche Wahrheit gröblich verletzt[993] habe. Der dokumentarische Gegenbeweis sei ohne weiteres zu führen. Pflicht der Reichsregierung sei es nach seiner Meinung, den wahren Tatbestand vor der Öffentlichkeit klarzulegen; und zwar müsse dies in einer Form geschehen, die erkennen lasse, daß die Richtigstellung von der Reichsregierung ausgehe.

Der Reichskanzler erwiderte, daß auch er eine Stellungnahme gegen die Schachtsche Polemik für notwendig halte. Wenn die Antwort der Reichsregierung wirksam sein solle, komme es sehr darauf an, die richtige Form für die Antwort zu finden.

Reichsminister TreviranusTreviranus meinte, man könne den früheren Reichsminister Moldenhauer, der ja an der zweiten Haager Konferenz maßgeblich beteiligt gewesen sei, dafür zu gewinnen suchen, in kritischer Form auf Schacht zu erwidern, unter Benutzung amtlichen Materials.

Hiergegen wandte sich der Reichsminister des Auswärtigen mit der Bemerkung, daß Reichsminister a. D. Moldenhauer mit der Reparationsfrage erst im letzten Stadium der Entwicklung befaßt gewesen sei.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg schlug vor, einen besonders flagranten Fall von Geschichtsfälschung aus dem Schachtschen Buch herauszugreifen und ihn durch Heranziehung amtlichen Quellenmaterials dokumentarisch zu widerlegen. Auf diese Weise werde es gelingen, die Zuverlässigkeit der Schachtschen Darstellung vor der Öffentlichkeit zu erschüttern. Darauf allein aber komme es an.

In ähnlichem Sinne sprach sich Staatssekretär SchäfferSchäffer aus. Er meinte, daß es zur Erschütterung des Glaubens an die Richtigkeit der Schachtschen Darstellung genügen werde, einige besonders krasse Unrichtigkeiten herauszugreifen und diese zu widerlegen.

Staatssekretär Dr. WeismannWeismann erklärte, daß er es auf Grund seiner persönlichen Erfahrungen mit Dr. Schacht gerade noch aus der letzten Zeit für unzureichend halte, wenn man ihm durch den Mund einer Mittelsperson antworten lasse. Auf seine groben Unwahrheiten müsse amtlich geantwortet werden. Eine andere Form der Erwiderung werde den gewünschten Eindruck nicht erzielen.

Der Reichskanzler bemerkte, daß das jetzige Reichskabinett sich nicht allzu stark mit der Reparationspolitik des früheren Kabinetts identifizieren dürfe. Dies treffe speziell für seine Person zu. Er regte an, für die Erwiderung eine in der Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeit zu gewinnen, der das amtliche Material zur Verfügung gestellt werden könne. Diese Persönlichkeit könne dann die Feststellung treffen, daß sie auf Grund der Kenntnis des amtlichen Materials die Schachtsche Darstellung für unzutreffend befunden habe.

Mit diesem Gedanken erklärte sich der Reichsminister des Auswärtigen einverstanden.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther führte aus, daß auch nach seiner Meinung von seiten der Reichsregierung auf das Schachtsche Buch etwas geschehen müsse. In der Öffentlichkeit drohe sich, nachdem Dr. Stolper im „Volkswirt“ seine bekannten Artikel habe erscheinen lassen14, der Eindruck festzusetzen,[994] daß die Reichsregierung in der Reparationsfrage etwas zu verbergen habe. Er selbst sei durch das Schachtsche Buch stark enttäuscht worden. Er habe ursprünglich gehofft, daß das Buch eine willkommene Waffe für die Fortsetzung der Reparationspolitik werden würde.

14

Vgl. die Aufsätze Stolpers: „Das Ende der Reparationen?“ Der deutsche Volkswirt Nr. 24 vom 13.3.31, S. 775–777 und: „‚Verfälschung‘ des Young-Plans?“, a.a.O., Nr. 25 vom 20.3.31, S. 807–811.

Eine brauchbare Waffe wäre das Buch auch geworden, wenn es ausgeklungen wäre mit der Feststellung, daß Deutschland eines Tages die Reparationszahlungen einstellen müsse und daß jede Regierung einsehen müsse, daß es einen anderen Weg, die Reparationsfrage zu beenden, nicht gebe. Das Buch hätte sagen müssen, daß es auf dem Wege wie bisher nicht weitergehen könne. Schacht aber habe mit seinem Buch den Eindruck erzeugt, daß das deutsche Volk bisher von Trotteln und Betrügern regiert worden sei.

Der Reichsminister des Auswärtigen regte an, den Auftrag, den der Herr Reichskanzler kurz umrissen hatte, einem Historiker zu übertragen. Als geeignete Persönlichkeiten wurden genannt die Namen von Thimme, Meinecke, Oncken und Brandenburg.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther nannte Professor Sering.

Auch Reichsminister a. D. Bredt wurde vorgeschlagen.

Schließlich einigte sich das Kabinett dahin, daß die Frage der Auswahl der Persönlichkeit im Kreise der an der Reparationsfrage unmittelbar beteiligten Minister nochmals besprochen und daß es diesen Ministern überlassen werden solle, im Einvernehmen mit dem Reichskanzler, am kommenden Vormittag die letzte Auswahl zu treffen.

Der Reichskanzler stellte das Einverständnis des Reichskabinetts mit dieser Art der Erledigung der Angelegenheit fest15.

15

Mit der Widerlegung des Schachtschen Buches wurde schließlich das Reichsarchiv beauftragt, das zu Beginn des Jahres 1933 das Manuskript fertigstellte, jedoch nicht vorlegte. Die Arbeit ist jetzt ediert worden von M. Vogt: Die Entstehung des Youngplans, dargestellt vom Reichsarchiv 1931–1933 (1970).

Extras (Fußzeile):