1.52.1 (bru2p): Arbeitsbeschaffung durch die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft.

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RTF

Arbeitsbeschaffung durch die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft.

Die Besprechung vom 22. Mai – […] – über den gleichen Gegenstand wurde fortgesetzt1.

1

S. Dok. Nr. 301.

Generaldirektor Dr. DorpmüllerDorpmüller trug vor, daß die Reichsbahn ein Programm ausgearbeitet habe, dessen Finanzierung 200 Millionen RM erfordere und etwa 180 000–190 000 Arbeitern für fünf Monate Arbeit verschaffen werde2. Das Programm ermögliche nämlich die Einstellung

2

Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der RB befindet sich in R 43 I /1052 , Bl. 192–195.

von

60 000

Arbeitern für Arbeiten beim Oberbau,

von

17 000

Arbeitern für Brücken- und Neubauten,

[1102]von

26 000

Arbeitern für die Ausführung von Unterhaltungsarbeiten an Anlagen und Gebäuden

103 000

20 000

Arbeiter würden durch die Aufträge der Reichsbahn in der

Steinindustrie Beschäftigung finden;

60–70 000

Arbeiter würden auf Grund der zu erteilenden Aufträge in der

Schwerindustrie zu neuer Arbeit kommen.

Von dem erforderlichen Kapital von 200 Millionen werde die Industrie 100 Millionen aufbringen müssen. 70 Millionen werde das Reich aus dem Krisenfonds beizusteuern haben, und 30 Millionen könne die Reichsbahn-Gesellschaft aufbringen, und zwar aus den durch die Besoldungskürzung eintretenden Ersparnissen.

Hierzu führte der Reichsminister der Finanzen aus, daß die Industrie das Kapital nicht in bar aufzubringen gedenke, vielmehr dadurch beisteuere, daß sie die vorhandenen Läger an Erzen und Kohle, die einen Wert von nahezu 100 Millionen darstellten, flüssigmachen werde. Es handele sich also nur darum, der Industrie das jetzt brachliegende Kapital zu verzinsen. Ferner handele es sich darum, die Löhne für die Verwertung dieser Lagerbestände aufzubringen.

Die erforderliche Lohnsumme wurde auf 15–20 Millionen geschätzt. Über die Zahl der von der Industrie neu einzustellenden Arbeiter, die Generaldirektor Dorpmüller auf 60 000–70 000 geschätzt hatte, bestanden Meinungsverschiedenheiten. Die Zahl wurde teilweise erheblich niedriger angesetzt.

Der Reichsminister der Finanzen bemängelte auch, daß der Zuschuß des Reichs von der Reichsbahn zu hoch bemessen sei, besonders im Verhältnis zur eigenen Leistung der Bahn.

Man einigte sich schließlich im Prinzip auf ein Zuschußverhältnis von 6 : 4, d. h. das Reich gewährt 60 v.H., die Reichsbahn trägt 40 v.H. der Löhne für die zusätzlichen Beschäftigungsaufträge der Reichsbahn-Gesellschaft.

Generaldirektor Dr. DorpmüllerDorpmüller glaubte, daß der Verwaltungsrat der Reichsbahn-Gesellschaft, der auf den 27. Mai einberufen sei, sich mit einer derartigen Abmachung einverstanden erklären würde3.

3

Der Verwaltungsrat der RB stimmte am 27. 5. dem Programm zu (Schreiben des RVM vom 2.6.31 mit Beschluß des Verwaltungsrats und Umdruck des Programms in R 43 I /1052 , Bl. 196–201).

Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich ferner grundsätzlich bereit, Mittel für die Verzinsung der Kapitalleistung der Industrie bereitzustellen. Bei der Weiterverfolgung des ganzen Projekts soll nach Möglichkeit danach gestrebt werden, die zusätzlich zu vergebenden Arbeiten nur solchen Arbeitern zugute kommen zu lassen, die jetzt arbeitslos sind. Ferner sollen die Arbeiten nach Möglichkeit so gestreckt werden, daß sie nicht für fünf, sondern für mehr Monate Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben4.

4

Die Verhandlungen zwischen der RB und der Industrie wegen der Finanzierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms führten zu keinem Ergebnis, weil einerseits das Projekt nach Meinung der Industrie nicht durchgreifend genug war, andererseits die Industrie wegen der eigenen bedrängten finanziellen Lage sich nicht mit der bloßen Verzinsung der zu verarbeitenden Eisen- und Kohlevorräte im Werte von rund 100 Mio RM begnügen wollte (Vermerk des RegR Krebs vom 16. 6. und 5.9.31, R 43 I /1052 , Bl. 202 und 217).

[1103] Generaldirektor Dr. DorpmüllerDorpmüller erklärte noch, daß die Reichsbahn nicht alle zusätzlichen Arbeiten in eigener Regie ausführen könne, daß sie vielmehr einen Teil an Unternehmer vergeben müsse. Er sei aber bereit, den Unternehmern bei der Auftragserteilung vertraglich die Auflage zu machen, die Arbeiten durch bisher arbeitslose Leute ausführen zu lassen und ferner den Unternehmern die Einführung von Kurzarbeit vorzuschreiben. Allerdings sei dazu erforderlich, daß die Reichsregierung die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen schaffe, um die Kurzarbeit auch wirklich vorschreiben zu können. Nach dem geltenden Recht bestünden nach dieser Richtung hin Hindernisse.

Der Reichsarbeitsminister erklärte sich bereit, in der bevorstehenden Notverordnung Bestimmungen vorzusehen, durch die für die Reichsregierung die Ermächtigung geschaffen wird, die Arbeiten in Betrieben der öffentlichen Hand zu strecken5.

5

Eine derartige Bestimmung ist in die NotVO vom 5.6.31 nicht aufgenommen worden.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg sagte insoweit seine Mitarbeit zu.

In der Aussprache spielte ferner die Frage eine Rolle, in welcher Form der Reichsbahn die Zuschüsse des Reichs zufließen sollen.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther widerriet dringend, den Weg verlorener Zuschüsse zu wählen. Er meinte, daß es notwendig sei, die Form der Gewährung einer Anleihe an die Reichsbahn-Gesellschaft zu wählen, damit Berufungen von der Privatindustrie vermieden würden. Bezüglich der Bedingungen der Anleihe meinte Reichsbankpräsident Dr. Luther, könne man der Reichsbahn-Gesellschaft da weitestgehend entgegenkommen.

Demgegenüber bat Generaldirektor Dr. DorpmüllerDorpmüller, einen Weg zu wählen, durch den der Finanzabschluß der Reichsbahn-Gesellschaft nicht verschlechtert werde. Er verwarf den Weg der Anleihe, weil es sich bei den zusätzlichen Arbeiten um Betriebsausgaben handele, die nicht aus Anleihemitteln gedeckt werden könnten. Diesen Fehler dürfe sich die Reichsbahn-Gesellschaft in ihrer Finanzgebarung schon mit Rücksicht auf ihre Kreditfähigkeit nicht zuschulden kommen lassen.

Der Reichsbahn-Gesellschaft wurde zugestanden, daß ein Weg gesucht werden solle, der ihren Wünschen Rechnung trägt, etwa in der Form, daß ihr formell ein zinsloses Darlehen gewährt wird, rückzahlbar nach 50 Jahren, und auch dann nur aus Übergewinnen.

Direktor Dr. HombergerHomberger erklärte sein Einverständnis zu jeder Form, durch die zwar die Betriebsrechnung belastet, das Anleihekonto aber entlastet werde.

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