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[1238] Anlage

Herr Reichskanzler

Mit schmerzlicher Besorgnis verfolgen ungezählte Bayern und wie Sie wissen, auch Angehörige anderer deutscher Staaten eine Entwicklung im Reich, die den Anschein erweckt, als sollte das Deutsche Reich, das einst unter der jubelnden Zustimmung aller deutschen Staaten entstand, den Boden seiner Tradition verlassen, indem es mehr und mehr dem Ziele eines Einheitsstaates zustrebt. Es ist nicht unsere Absicht, Ihnen hier darzulegen, daß wir aus kulturellen, bevölkerungspolitischen und wirtschaftlichen Gründen eine solche Entwicklung für das Wohl der deutschen Nation für verhängnisvoll halten. Aber es ist uns ein Herzensbedürfnis, zu erklären, daß wir an dem bayerischen Staate, wie ihn mehr als ein Jahrtausend geformt, mit dem ganzen Herzen und der ganzen Liebe hängen, die für jeden Staat die Voraussetzung seines Bestehens ist. Aus diesem Empfinden heraus ist es uns nachgerade unerträglich, daß immer wieder Konflikte zwischen unserem Reiche und Bayern entstehen, bei denen der Eindruck aufkommen muß, als ginge das Reich von der Voraussetzung aus, die Länder seien absterbende Gebilde, an deren Weiterbestand nur kleine Kreise aus Egoismus und Beharrungsvermögen interessiert wären. Eine solche Voraussetzung wäre ebenso falsch, wie die Annahme, daß Ministerpräsident Dr. Held in seinem Kampf für Bayerns Eigenstaatlichkeit nur die Teile des Volkes hinter sich hätte, die ihm parteipolitisch Gefolgschaft leisten. In diesem Kampfe unterstützen ihn die Männer und Frauen fast ausnahmslos, die Bayerns Wirtschaft, Kultur- und Gemeindeleben führen.

Wir wiederholen, daß hier verhängnisvolle Irrtümer vorzuliegen scheinen und daß der Gedanke unfaßbar erscheint, das Reich, an dessen Entstehung unser Land schon unter König Ludwig I.7 freudig mitarbeitete und für das tausende unserer bayerischen Brüder ihr Blut vergossen, könnte die Gefühle der unverbrüchlichen Treue mißachten, die uns mit unserem Heimatstaat verbinden. Es scheint uns Pflicht, Ihr Augenmerk darauf zu lenken, daß der Weg, den das Reich einschlägt, um zu einem Ziel zu gelangen, das für uns unannehmbar und für die ganze Nation schädlich ist, uns ständig in Konflikte stürzt zwischen der inneren und liebevollen Verbundenheit zu unserem Staat und der frohen Bejahung unseres Reiches, für dessen Entstehen und Bestand wir so viele Opfer brachten. Diese unablässige Beunruhigung der Öffentlichkeit halten wir für einen der schlimmsten Schäden, die die innere Kraft der Nation beeinträchtigen. Die Heimatliebe ist bei uns in Bayern unlösbar mit der Idee des bayerischen Staates verknüpft, als eines Staates kraft eigenen Rechtes.

7

Ludwig I., König von Bayern 1825–1848.

Wir sind überzeugt, daß Sie, Herr Reichskanzler, mit uns die Ansicht teilen, daß kein Reich bestehen kann, das dauernd die berechtigte und notwendige Heimatliebe seiner Angehörigen mißachtet und verletzt.

Pfingsten 1931

Ludwig.

Dr. Georg Escherich

Hans Adlhoch

Bischof von Speyer.

Martin Gregorius

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