1.164 (bru2p): Nr. 416 Vermerk des Staatssekretärs Pünder über eine Unterredung des Reichskanzlers mit dem Amerikanischen Botschafter Sackett, 29. Juli 1931, 12 Uhr

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 416
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über eine Unterredung des Reichskanzlers mit dem Amerikanischen Botschafter Sackett, 29. Juli 1931, 12 Uhr

R 43 I /2372 , S. 59–61

Der Herr amerikanische Botschafter Sackett hatte gestern abend den Herrn Reichskanzler um eine dringende Besprechung gebeten, da er ihm wichtige Mitteilungen zu machen habe. Die Besprechung fand heute mittag 12 Uhr statt. Hierbei las Botschafter Sackett dem Herrn Reichskanzler zwei Telegramme des Herrn Präsidenten Hoover vor, die beide auf den gleichen Ton gestimmt waren, daß Deutschland sich für die nächsten 2–3 Wochen selber helfen müsse. Die Reichsregierung müsse, wie bisher, mit Energie, Umsicht und Optimismus die Schwierigkeiten zu meistern suchen, dann würde der Enderfolg der Sanierung Deutschlands ganz bestimmt nicht ausbleiben. Die Hauptsache sei im Augenblick, daß sich Deutschland nicht selber aufgebe. In eine Wirtschaft, die selber das Vertrauen in sich verloren habe, stecke kein Gläubiger einen neuen Pfennig hinein. Umgekehrt habe aber der Herr Präsident die festeste Zuversicht, daß der größte Teil der in der letzten Zeit abgezogenen ausländischen Kredite wieder sehr bald zurückströmen würde, wenn das Ausland in Deutschland und seiner Regierung, wie bisher, ein Beispiel eigenen Kraftbewußtseins erblicken könne. Wenn die amerikanischen Banken dies erkennten, seien die Geschäfte in Deutschland zu lockend, und wegen der höheren Zinsen würden die abgeströmten Gelder alsbald wieder einströmen. Botschafter Sackett wiederholte hierbei mehrfach den Zeitraum von etwa 2–3 Wochen, während dessen Deutschland sich auf seine eigene Kraft stellen müsse. Er brauchte hierbei das Bild, wir sollten jetzt nach den politischen Besuchen Zylinder und Gehrock ausziehen und uns alle zusammen in diesen Kampf um die ruhige Fortentwicklung unserer Verhältnisse stürzen.

In diesem Zusammenhang warnte Botschafter Sackett – gleichfalls im ausdrücklichen Auftrag seines Präsidenten Hoover – ausdrücklich davor, eine große Auslandsanleihe im Augenblick zu betreiben. Das Wort von politischen[1454] Bedingungen und die diesbezüglichen Wünsche Frankreichs1 erwähnte der Botschafter hierbei nicht. Der äußere Zusammenhang war aber unverkennbar. Seine Ausführungen ließen den Eindruck aufkommen, daß sich die amerikanische Regierung – wie dies auch aus der gestrigen politischen Besprechung mit Ministerpräsident MacDonald hervorging2 – schon gewisse Pläne über die Behandlung des Reparations- und des interalliierten Schuldenproblems gemacht hat und dies durch politische Anleihepläne nicht gestört sehen möchte.

1

Vgl. Dok. Nr. 398.

2

Vgl. Dok. Nr. 412, Anm. 1.

Wie bereits erwähnt, fiel hierüber in der Besprechung mit dem Herrn Reichskanzler aber kein Wort. Nur wurde mehrfach die Warnung vor Anleiheplänen ausgesprochen.

Im Laufe des Gesprächs regte der Botschafter an, der Reichskanzler möchte doch hin und wieder die amerikanischen Pressevertreter in Berlin empfangen, insbesondere wäre es sehr wertvoll, wenn ein Herr von Kaltenborn, der Ende dieser Woche in Berlin einen Vortrag halte, vorher die Möglichkeit eines kurzen Empfanges durch den Herrn Reichskanzler bekommen könnte3. Bezüglich der amerikanischen Öffentlichkeit und Bankwelt käme es eben unter allen Umständen darauf an, daß in der nächsten Zeit günstige Mitteilungen über die ruhige Fortarbeit, Entschlossenheit und zuversichtliche Stimmung der Reichsregierung und über die Klarheit ihrer Notmaßnahmen berichtet würden.

3

v. Kaltenborn wurde am 31.7.31 vom RK empfangen (Nachl. Pünder Nr. 43, Bl. 98).

Schließlich drehte sich das Gespräch um die bekannten Pläne eines zusätzlichen Absatzes von Weizen, Baumwolle, Kupfer usw. durch Deutschland4.

4

S. Dok. Nr. 401 und Dok. Nr. 403.

Der Reichskanzler versprach dem Botschafter, über diese Frage morgen eine erneute Besprechung zu haben, und zwar unter Hinzuziehung der beiden Ressortchefs Reichsminister Schiele und Staatssekretär Trendelenburg sowie unter Beteiligung von Ministerialdirektor Dieckhoff5.

5

Am 30.7.31 fand eine Besprechung des RK mit Sackett über das Weizengeschäft statt, an der außerdem der REM, StS Trendelenburg, MinDir. Dieckhoff und der amerik. BotschaftsR Gordon teilnahmen (Durchschrift einer Aufzeichnung Dieckhoffs vom 30. 7. in: Pol. Arch. des AA, Handakten Ritter, Akten betr. Amerika. Dt.-amerik. Weizen- und Baumwollgeschäft Bd. 1). Vgl. auch Dok. Nr. 403, Anm. 4.

Pünder

Extras (Fußzeile):