1.25 (bru3p): Nr. 539 Sprechzettel über die Reparationsfrage für die Reichsminister 4. November 1931

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Nr. 539
Sprechzettel über die Reparationsfrage für die Reichsminister 4. November 1931

R 43 I /330 , Bl. 343–346

Vorauszuschicken ist, daß wir erst zu Beginn einer Aussprache stehen, die zunächst zwischen Berlin und Paris stattfinden wird, in die aber sehr bald alle übrigen Interessenten einbezogen werden müssen, zum mindesten Amerika, England und Italien, mit denen wir ohnehin in dauernder Fühlung stehen1.

1

Diese Aufzeichnung des AA vom 4.11.31, die auf einen Wunsch des RK zurückging (siehe Dok. Nr. 537), wurde den RMM durch den StS Rkei „persönlich und streng vertraulich“ am 5. 11. übersandt (R 43 I /330 , Bl. 342).

Zur Haltung der frz. Reg. vgl. auch Dok. Nr. 540 und Dok. Nr. 580.

Das Ergebnis der ersten Aussprache mit Frankreich ist, wenngleich es in einigen Punkten Verständnis für unsere Notwendigkeiten gezeigt hat, im Ganzen keineswegs befriedigend. Wie schon die Havas-Kommuniqués vom 3. 11. abends und vom 4. 11.2 früh über den Besuch des Herrn von Hoesch beim Ministerpräsidenten Laval3 mitteilen, hat Laval Hoesch mitgeteilt, daß der Gegenstand der Washingtoner Besprechung die Ablösung des gegenwärtigen, auf Grund des Hoover-Vorschlages vom Juni laufenden Moratoriums durch ein Regime, das den Youngplan und sein Verfahren zum Ausgangspunkt nimmt, war. Dies wird in Paris als ein unerläßliches Erfordernis der französischen Innenpolitik angesehen. Wenn man darauf bis zu einem gewissen Grade auch wird Rücksicht nehmen müssen, so muß anderseits doch sichergestellt sein, daß der Youngplan und sein Verfahren wirklich nur den „Ausgangspunkt“ bilden wird, und daß er nicht schließlich etwa zum Endpunkt wird. In dieser Beziehung ist darauf hinzuweisen, daß Ziffer 125 des Youngplans[1911] den nichtaufschiebbaren Teil der Youngannuität von der Zuständigkeit des Beratenden Sonderausschusses überhaupt ganz ausschließt4, und daß die Gegenseite aus Ziffer 119 des Youngplans das Argument herleiten könnte, daß der Ausschuß sich auch mit dem aufschiebbaren Teil nur unter dem Gesichtspunkt des Transfers befassen darf5. Allerdings haben die bisherigen Gespräche eine gewisse Bereitwilligkeit gezeigt, die Ziffer 120 des Youngplans so auszulegen6, daß der Sonderausschuß die Gesamtlage Deutschlands zu prüfen und daraus auch die gesamten Folgerungen zu ziehen hat.

2

WTB Nr. 2313 vom 4.11.31 brachte über die Havas-Communiqués zwei Kurzmeldungen (R 43 I /331 , Bl. 332).

3

Vgl. Dok. Nr. 537, Anm. 10.

4

Ziffer 125 des Young-Plans: [Der beratende Sonderausschuß] „soll sich mit der von Deutschland angenommenen ungeschützten Annuität, die im Plane als solche bezeichnet ist, nicht befassen“ (RGBl. 1930 II, S. 450 ).

5

Ziffer 129 des Young-Plans: „Nach Erklärung eines Aufschubs soll die Bank für den internationalen Zahlungsausgleich den Beratenden Sonderausschuß einberufen. Auch wenn sonst zu irgendwelcher Zeit die Deutsche Regierung den Regierungen der Gläubigerländer und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich erklärt, sie sei in gutem Glauben zu dem Schlusse gekommen, daß die Währung und das Wirtschaftsleben Deutschlands durch den teilweisen oder vollständigen Transfer des aufschiebbaren Teils der Annuitäten ernstlich in Gefahr gebracht werden könnten, soll der Ausschuß gleichfalls einberufen werden“ (RGBl. 1930 II, S. 448 ).

6

Ziffer 120 des Young-Plans: „Nach seiner Einberufung soll der Beratende Sonderausschuß unverzüglich die Umstände und Verhältnisse untersuchen, die zu der Notwendigkeit des Aufschubs geführt oder eine Lage geschaffen haben, in der nach Ansicht Deutschlands seine Währung und sein Wirtschaftsleben durch weiteren Transfer des aufschiebbaren Teils der Annuität ernsthaft gefährdet werden können. Er soll ferner in eine gründliche Prüfung der Lage Deutschlands hinsichtlich der unter diesem Plane ihm obliegenden Verpflichtungen eintreten“ (RGBl. 1930 II, S. 448 ).

Wenn das Havas-Kommuniqué schreibt, „daß binnen kurzem der Beratende Sonderausschuß regelrecht einberufen und den Auftrag erhalten wird, sich noch vor Jahresende über die Zahlungsfähigkeit Deutschlands zu äußern“, so könnte man auch daraus die Zulassung einer weiteren Kompetenz des Beratenden Sonderausschusses entnehmen. Trotzdem muß auf einer weiteren Klärung dieser Frage bestanden werden. Es ist aber zu empfehlen, daß sie möglichst nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen wird, da dadurch die Haltung der Französischen Regierung nur erschwert und versteift wird.

Der zweite Punkt ist das Verhältnis von Stillehaltung zu Reparationen. Die intensive Bearbeitung dieser Frage hier und die sich daran anknüpfende öffentliche Diskussion haben in Paris zu der Auffassung geführt, als wollten wir der Reparationsregelung mit der Regelung der privaten Schulden zuvorkommen und gewissermaßen die Privatgläubiger gegen die Reparationsgläubiger ausspielen7. Eine solche Absicht wäre sehr kurzsichtig, da Frankreich uns in der Stillehaltung, zum mindesten indirekt (finanzieller Druck auf England und Verein. Staaten) die größten Schwierigkeiten machen könnte. Unsere Aktivität in der Stillehaltungsfrage entspringt vielmehr einer sachlichen Notwendigkeit und ganz loyalen Erwägungen. Die Privatgläubiger machen uns ohnehin schon den Vorwurf, daß wir die Sorge vor dem 29. Februar allzusehr unseren Gläubigern überlassen8. Wir halten es daher für die loyale Pflicht des Schuldners, mit einem konstruktiven Plan zur Konsolidierung der privaten Schulden hervorzutreten. Die Verhandlungen werden infolge der komplizierten Details so schwierig und zeitraubend sein, daß ohnehin keine Zeit mehr zu verlieren ist. Außerdem hat sich in der Praxis gezeigt, daß die Maschen des[1912] Stillehalteabkommens so zahlreich und groß sind, daß laufend so viel an Krediten zurückgezahlt werden muß, daß dies für die Reichsbank kaum mehr erträglich ist. Die aus den großen Ausfuhrüberschüssen erwarteten9 und durch rigorose Einforderung auch tatsächlich eingehenden Ausfuhrdevisen reichen daher kaum aus, diese Abgänge zu decken; von einer Auffüllung der Gold- und Devisenreserve der Reichsbank gar nicht zu reden. Diese Situation macht es uns zur Pflicht, auf eine möglichst baldige Konsolidierung der kurzfristigen Schulden bedacht zu sein. Wahrscheinlich werden die beiden Probleme, Stillehaltung und Reparationen, dann doch in eine gleichzeitige Regelung münden müssen.

7

Siehe auch Dok. Nr. 530, Dok. Nr. 533 und Dok. Nr. 540.

8

Das Stillhalteabkommen vom 9.9.31 sollte am 29.2.32 auslaufen; Dok. Nr. 465, P. 3.

9

Vgl. dazu den Entwurf des Layton-Berichts in Anlage 1 zu Dok. Nr. 444.

In dem Havas-Kommuniqué heißt es weiter: „Die an den Reparationszahlungen hauptsächlich interessierten Regierungen werden alsdann im Verlauf einer internationalen Konferenz mit der deutschen Regierung eine Regelung zu treffen haben. Ihr Bestreben wird dahin gehen, diese Regelung noch vor dem 1. Februar 1932 zu erzielen.“ Daraus ergeben sich mehrere wertvolle Fingerzeige. Einmal, daß man auch auf französischer Seite der Auffassung ist, daß nach dem Bericht des Beratenden Sonderausschusses, gleichviel welches sein Inhalt ist, eine Regierungskonferenz stattfinden muß. Auf dieser Regierungskonferenz wird die Art der dann folgenden Regelung – in erster Linie die Frage Zwischenlösung oder Endregelung – zu entscheiden sein. Daß in diesem Punkt die Meinungen an den verschiedenen beteiligten Stellen auseinandergehen, ist bekannt. Wichtig ist ferner, daß auch nach französischer Auffassung eine Regelung vor dem 1. Februar 1932, also vor Ablauf des gegenwärtigen Stillehalteabkommens, erfolgen muß. In dem Havas-Kommuniqué wird dies auch deutlich ausgesprochen mit den Worten „Damit, wenn möglich, gleichzeitig auch die Frage der namentlich von den Vereinigten Staaten und England Deutschland bewilligten kurzfristigen Kredite geregelt werden kann.“ Die Eventualisierung der gleichzeitigen Regelung mit den Worten „wenn möglich“ erscheint allerdings abwegig. Auf deutscher Seite erscheint eine neue Reparationsregelung ohne Berücksichtigung und gleichzeitige Regelung der privaten Schulden völlig unmöglich10.

10

Vgl. hierzu auch Dok. Nr. 522 und Dok. Nr. 528.

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