1.7 (bru3p): Nr. 521 Aufzeichnung des Reichskanzlers über eine Unterredung mit dem italienischen Außenminister Grandi am 25. Oktober 1931, 11 Uhr

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 521
Aufzeichnung des Reichskanzlers über eine Unterredung mit dem italienischen Außenminister Grandi am 25. Oktober 1931, 11 Uhr

Nachl. Pünder, Nr. 55, Bl. 11–13 Abschrift1

1

Die hier vorliegende Durchschrift ist ungezeichnet.

Bei dem Besuch, den mir der italienische Außenminister in Begleitung des Botschafters Orsini-Baroni am Sonntag, den 25. Oktober vormittags abstattete, entspann sich sogleich eine politische Unterhaltung, die etwa eine ¾-Stunde andauerte2. Das Gespräch wendete sich sehr bald den französisch-amerikanischen Verhandlungen in Washington zu3. Als ich auf die soeben hier angelangten ungünstigen Nachrichten aus dem „Matin“ hinwies, erwiderte Grandi, er könne nicht glauben, daß die Amerikaner ein ganz negatives Ergebnis der Besprechungen von Washington hinnehmen könnten. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten würde das nicht ertragen. Ein ungünstiges Moment erblicke er allerdings darin, daß sowohl Laval wie Hoover wegen der ihnen bevorstehenden Neuwahlen4 geneigt sein würden, Augenblickserfolge anzustreben, d. h. mit Lösungen vor die Öffentlichkeit zu treten, die nur äußerlich bestechend seien, im Grunde aber keine Besserung bringen könnten. Im übrigen arbeite aber die Zeit doch wohl gegen Frankreich. Herr Briand, der übrigens gar nicht so verbraucht sei, habe vielleicht den französischen Ministerpräsidenten mit einer gewissen Schadenfreude nach Amerika reisen lassen. Laval vertrete zwar immer noch brutal die Wünsche Frankreichs; die wirtschaftliche und finanzielle Lage Frankreichs verschlechtere sich aber zusehends und damit auch die innerpolitische Situation Lavals, an dem rechts und links von den Parteien gezerrt werde. Er sei ein anderer Mann geworden, als noch vor drei Monaten.

2

Der Besuch des ital. AM fand vom 25.–27.10.31 statt. Eine Aufzeichnung des AA über die politischen Ergebnisse der Verhandlungen ist als Abschrift im Nachl. Pünder  Nr. 55, Bl. 1–6 vorhanden. Die Durchschrift einer Aufzeichnung des StS Meissner über den Empfang Grandis beim RPräs. befindet sich in R 43 I /82 , Bl. 75–79. Vgl. auch ADAP, Serie B, Bel. XIX, Dok. Nr. 17.

3

Zum Besuch des Frz. MinPräs. Laval in Washington vom 22.–26.10.31, siehe Schultheß 1931, S. 450–452 und FRUS II, S. 237–258.

4

Vgl. Dok. Nr. 291, Anm. 2 und 3.

[1837] Ich habe demgegenüber darauf hingewiesen, daß die Zeit in gewisser Weise auch gegen uns arbeite, weil die Nervosität der Bevölkerung gegenüber den wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Gefahren zu neuen Krisen führen könne. Allerdings sei zuzugeben, daß die Nervosität der Sparer nicht nur auf Deutschland beschränkt sei. Mir scheine aber doch das möglichst baldige Zustandekommen einer internationalen Konferenz dringend wünschenswert.

Herr Grandi meinte, es werde wohl im Februar, aus Anlaß der Abrüstungskonferenz, eine ganz allgemeine internationale Konferenz zustande kommen, die von der allergrößten politischen Bedeutung für die Welt sein würde. Diese Konferenz werde die wichtigste politische Auseinandersetzung seit Versailles sein, bei der nicht nur die Abrüstung, sondern alle großen Fragen der internationalen Wirtschaft und Politik neugeregelt werden müßten. Bis dahin müßten eben Deutschland und Italien aushalten und bis dahin werde sich hoffentlich die Situation der Franzosen wesentlich verschlechtern.

Wir machten uns dann gegenseitig Mitteilung über die wirtschaftliche Situation Deutschlands und Italiens. Herr Grandi äußerte sich über die letztere recht zuversichtlich.

Von seinem Regierungschef überbrachte Grandi besondere Grüße und die Mitteilung, daß der Plan einer Reise Mussolinis nach Berlin keineswegs aufgegeben sei, sondern sicherlich zur Ausführung kommen werde. Grandi versicherte mit besonderem Nachdruck, daß Mussolini auf eine Fortführung der bisherigen deutschen Außenpolitik und auf weitere Zusammenarbeit mit den gegenwärtigen Leitern der deutschen Politik den größten Wert legten5.

5

Ein Kommuniqué über die dt.-ital. Besprechungen wurde vom WTB Nr. 2254 vom 26.10.31 veröffentlicht (R 43 I /82 , Bl. 59; Schultheß 1931, S. 243 ff.).

Extras (Fußzeile):