2.62.2 (feh1p): 2. Strafantrag gegen die deutschnationale Jugendzeitung wegen des Artikel vom Sonntag, den 18. Juli 1920, „Die französische Fahne in Berlin“.

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2. Strafantrag gegen die deutschnationale Jugendzeitung wegen des Artikel vom Sonntag, den 18. Juli 1920, „Die französische Fahne in Berlin“.

Der Reichskanzler trug den Inhalt des Artikels vor, in dem in hetzerischer Weise das Verhalten der Regierung und des Reichspräsidenten gelegentlich des Flaggenvorfalls am 14. Juli in Berlin kritisiert wurde4. Er machte Mitteilung von einem Gutachten des Reichsministers der Justiz, der im Falle der Einleitung eines Strafverfahrens eine Bestrafung des Verfassers und des Verbreiters des Artikels in Aussicht stellen zu können glaube, gleichwohl aber einen Strafantrag nicht empfehle, weil er es unter der Würde der Reichsregierung halte, jede törichte Äußerung über die Maßnahmen der Regierung unter dem Gesichtspunkte der Beleidigung zu verfolgen; außerdem seien seit Erscheinen der Zeitung bereits mehrere Wochen verstrichen; ein Beleidigungsverfahren würde, abgesehen davon, daß voraussichtlich nur auf eine Geldstrafe erkannt werden würde, der Zeitung eine Wertschätzung beilegen, die sie bei ihrer geringen Bedeutung nicht verdiene; endlich könnte die Beweisaufnahme über die Ereignisse des 14. Juli von den Prozeßbeteiligten, insbesondere den Verteidigern, zu unerwünschten Erörterungen in der Presse ausgebeutet werden5.

4

Zum Vorfall an der frz. Botschaft in Berlin am 14.7.1920 s. Dok. Nr. 27.

Am 18. 7. hatte die „Deutsch-Nationale Jugendzeitung“ mit Bezug auf diesen Vorfall einen Artikel unter dem Titel „Die französische Fahne in Berlin“ veröffentlicht. In diesem Artikel hatte es u. a. gehießen: „Es ist bezeichnend, daß die deutsche Regierung eine vollkommen verlogene amtliche Darstellung von dem Vorfall gegeben hat, die einseitig zugunsten der Franzosen gefärbt ist. […] Ebert der Ehrlose und seine ebenso ehrlosen Genossen scheinen auch das Gefühl für völkische Solidarität nicht zu kennen. Die Ermordung des deutschen Konsuls in Täbris und das Attentat auf Hindenburg ließ die Herren kalt; es handelte sich ja nur um beste deutsche Männer. Während sie sich aber in Spa alles gefallen lassen, treiben sie die Bedientenseligkeit dem Feinde gegenüber bis zur Entstellung von Tatsachen und zur hündischen Winselei.“ (Deutsch-Nationale-Jugendzeitung Nr. 21 vom 18.7.1920, R 43 I /1226 , Bl. 209).

Am 11.8.1920 hatte dann das Büro des RPräs. ein Schreiben an den StSRkei gerichtet, in dem es auf diesen Artikel aufmerksam gemacht hatte. MinDir. Meissner hatte im Auftrage des RPräs. erklärt, daß es an sich zwecklos und unter der Würde der RReg. sei, jede solche Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Beleidigung zu verfolgen. Die „Deutsch-Nationale Jugendzeitung“ scheine jedoch das Organ des der DNVP nahestehenden deutschnationalen Jugendbundes zu sein, so daß diesem Artikel doch eine gewisse Bedeutung zuzumessen sei. MinDir. Meissner hatte mitgeteilt, daß der RPräs. die strafrechtliche Verfolgung anheimstelle (R 43 I /1226 , Bl. 207).

5

Auf Anforderung des StSRkei hatte der RJM unter dem Datum des 31.8.1920 ein Gutachten erstattet, in dem er aus den hier aufgeführten Erwägungen von einer strafrechtlichen Verfolgung abriet (R 43 I /1226 , Bl. 218–219).

Nachdem der Vertreter des Reichsministers der Justiz noch mündlich die Rechtslage erörtert und darauf hingewiesen hatte, daß außer der Beleidigung eine andere strafbare Handlung nicht in Betracht komme, wurde beschlossen, von einem Strafantrag in diesem Falle abzusehen.

Bei dieser Gelegenheit wurde aber von verschiedenen Seiten die Anregung gegeben, daß die Staatsanwaltschaften darauf hingewiesen werden möchten, den in letzter Zeit in erschreckendem Maße zunehmenden Hetzartikeln, die[152] zum Klassenkampf aufreizten, dadurch zu steuern, daß in allen Fällen, wo eine Verletzung der Strafgesetze vorliege, nachdrücklich eingeschritten würde. Das gleiche Augenmerk sollten die Staatsanwaltschaften auch auf Aufreizungen, die in Versammlungen stattfänden, richten.

Der Reichsminister der Justiz und der Staatskommissar für die öffentliche Ordnung, Dr. Weismann, werden in dieser Hinsicht das Weitere veranlassen.

Von verschiedenen Seiten wurde es mit Rücksicht auf die zunehmende Verschärfung der Gegensätze zwischen rechts und links für erforderlich erachtet, möglichst bald eine eingehende Besprechung über die innerpolitische Lage herbeizuführen und Maßnahmen zur Verhütung von Gewalttätigkeiten zu erwägen.

Der Reichsminister des Innern wird sich mit dem Reichsminister der Justiz, dem Reichsarbeitsminister und dem Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung in Verbindung setzen und Vorschläge für die bei der alsbald in Aussicht genommenen Besprechung zu treffenden Maßnahmen machen6.

6

Dazu war in R 43 I nichts zu ermitteln.

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