2.112.6 (lut1p): 6. Einspruch gegen den Beschluß der Verwaltungsabbaukommission betreffend die Überleitung der Seeschiffahrtsangelegenheiten vom Reichswirtschaftsministerium auf das Reichsverkehrsministerium.

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6. Einspruch gegen den Beschluß der Verwaltungsabbaukommission betreffend die Überleitung der Seeschiffahrtsangelegenheiten vom Reichswirtschaftsministerium auf das Reichsverkehrsministerium7.

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Zur Vorgeschichte: Die Verwaltungsabbaukommission, eingesetzt durch Kabinettsbeschluß vom 10.1.24 (s. diese Edition: Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 55, P. 8), hatte am 5.2.24 beschlossen, folgende bis dahin im RWiMin. bearbeitete Angelegenheiten mit dem 1.4.24 auf das RVMin. übergehen zu lassen: 1) die Binnenschiffahrtsangelegenheiten, 2) die Angelegenheiten der Seeschiffahrt und des Seeverkehrs (Schreiben der Vorsitzenden der Kommission, Saemisch und Lewald, an die Rkei vom 11.3.24 mit umfangreicher Begründung in R 43 I /1949 , Bl. 258-265). Dieser Beschluß wurde, soweit er die Binnenschiffahrt betraf, am 1.4.24 durchgeführt (s. RVBl., Nr. 9 vom 9.4.24). Gegen die Überweisung der Seeschiffahrtsangelegenheiten an das RVMin. erhob der RWiM mit Schreiben an die Rkei vom 26.2.24 Einspruch und bat um Kabinettsentscheidung (R 43 I /1949 , Bl. 199-203). Eine Stellungnahme der RReg. war bis zur obigen Kabinettssitzung jedoch nicht erfolgt.

Der Reichswirtschaftsminister begründete seinen Standpunkt: Ein Eingehen auf die sachlichen Gründe für den Verbleib der Seeschiffahrtsangelegenheiten bei seinem Ressort erübrige sich nach den ausführlichen Darlegungen seiner Denkschriften8, da schon die politische Seite der Angelegenheit eine Verkürzung der Zuständigkeit seines Ressorts in der Bearbeitung der Seeschiffahrtsangelegenheiten verbiete. Das Plenum des Reichstags habe sich bereits am 12. März 1924 und der Reichsrat am 3. Juni 1924 nach eingehenden Beratungen in den Ausschüssen gegen eine Veränderung in dem bestehenden Zustand ausgesprochen.[382] Diese einen Übergang der Seeschiffahrtssachen auf das Reichsverkehrsministerium ablehnende Stellung sei auch bei den letzten diesjährigen Haushaltsberatungen im Reichsrat und im Hauptausschuß des Reichstags zum Ausdruck gekommen. Ebenso hätten die Seeschiffahrtsinteressenten, insbesondere der Verband Deutscher Reeder, in überaus zahlreichen Zuschriften und vielen Presseäußerungen keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie mit Nachdruck die Belassung aller Seeschiffahrtsangelegenheiten beim Reichswirtschaftsministerium verlangten9. Diese Forderung hätten einstimmige Beschlüsse der Deutschen Seeschiffahrtstage von 1924 und 1925 bestätigt. Er könne auf die Abteilung nicht verzichten.

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In den Akten der Rkei lediglich eine vom RWiMin. unter dem 26.1.24 übermittelte Denkschrift „Zusammenfassung der Bearbeitung der Schiffahrtsangelegenheiten bei den Reichsministerien“ (R 43 I /1949 , Bl. 149-156). – Mit Schreiben vom 26.3.25 hatte der RWiM (unter Bezugnahme auf ein Schreiben des RVM an die Rkei vom 12.3.25, s. R 43 I /1950 , Bl. 108-110) u. a. ausgeführt: Der RVM betrachte die Seeschiffahrt als „ein Glied in der Organisation der Güterverteilung, das gleich den übrigen ihm unterstehenden Verkehrsanstalten ein Objekt der staatlichen Verkehrspolitik sein müsse. Er schließt daran die Folgerung, daß die Verwaltungstätigkeit des Reichs in Seeschiffahrtssachen dem Reichsverkehrsministerium als dem zur Regelung der Verkehrsfragen berufenen Ressort übertragen werden müsse. […] Soweit bei der Seeschiffahrt als einem freien Gewerbe eine behördliche Verkehrsregelung erfolgt, steht diese bereits dem Reichsverkehrsministerium zu, dem sämtliche auf den Verkehr in deutschen Gewässern bezügliche Organe der Seeschiffahrt […] unterstehen.“ Die eigentliche Hauptaufgabe des Reichs hinsichtlich der Seeschiffahrt bestehe jedoch „in der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Seeschiffahrt innerhalb der deutschen Gesamtwirtschaft und gegenüber dem Auslande.“ Die Förderung der Seeschiffahrt als einer dem Weltverkehr dienenden Institution könne nur durch dasjenige Ressort erfolgen, zu dessen Obliegenheiten es gehöre, die wirtschaftlichen Zusammenhänge im Auge zu behalten, nicht aber durch ein Ressort, das nur einen Teil der innerdeutschen Verkehrsverhältnisse regelt (R 43 I /1950 , Bl. 117-119).

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S. die Eingaben des Verbandes Dt. Reeder an den RWiM vom 1. 4. und an den RK vom 24.4.25 sowie der Senatskommissionen für Reichs- und Auswärtige Angelegenheiten von Lübeck (28. 3.) und Hamburg (18.4.25) an den RK in R 43 I /1950 , Bl. 113-115, 121, 124-126, 129.

Exzellenz Lewald berichtete über das Gutachten der Verwaltungsabbaukommission10. Die technischen Fragen in der Seeschiffahrtsabteilung überwögen die wirtschaftlichen. Das einzige, was dafür spreche, die Abteilung beim Reichswirtschaftsministerium zu belassen, sei die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Beziehungen zwischen Schiffahrtskreisen und Reichswirtschaftsministerium. Das gleiche gelte aber z. B. für die Binnenschiffahrt. Diese gehöre heute schon zum Ressort des Reichsverkehrsministeriums. Ein enger Zusammenhang zwischen den Wirtschaftskreisen könne ohne Schwierigkeiten auch dann gewahrt werden, wenn die Schiffahrtsabteilung beim Reichsverkehrsministerium ressortiere.

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Ein Spezialgutachten der Kommission zur Seeschiffahrtsangelegenheit in den Akten nicht ermittelt. Gemeint ist möglicherweise die Begründung zum Beschluß der Kommission vom 5.2.24 (s. zuvor Anm. 7).

Der Reichsverkehrsminister wies darauf hin, daß für ihn die Situation gar nicht mehr haltbar sei. Er könne sich der inszenierten Hetze kaum mehr erwehren. Er müsse darauf hinweisen, daß nach den früher gefaßten Beschlüssen die Entscheidungen der Verwaltungsabbaukommission einzuhalten seien. Er bitte daher, dem Beschluß der Verwaltungsabbaukommission zuzustimmen mit der Einschränkung, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Angelegenheiten der Seeschiffahrt im Reichswirtschaftsministerium genügend verankert würden. Für sein Ministerium sei heute auch die Situation eine ganz andere als vor einem Jahr, als das Reichsverkehrsministerium sich noch im wesentlichen als eine Betriebsverwaltung darstellte. Heute sei das Ministerium ein technisches Ministerium und könne auf die Seeschiffahrtsabteilung nicht verzichten.

Der Reichskanzler hielt vom Standpunkt eines logischen Behördenaufbaues die Auffassung des Reichsverkehrsministeriums für unwiderlegbar. Ob es seinerzeit richtig gewesen sei, ein besonderes Verkehrsministerium zu bilden, möchte er dahinstellen. Nachdem dies aber gebildet sei, sei es nur die logische Konsequenz, wenn diesem Ministerium auch die Seeschiffahrtsabteilung gegeben werde. Dabei sei der Standpunkt der Interessenten, die sich gegen die Abtrennung wenden, durchaus verständlich.

Der Reichswehrminister und der Reichsminister der Finanzen sprachen sich für das Votum der Verwaltungsabbaukommission aus.

[383] Bei der Abstimmung über die Frage, ob dem Einspruch des Reichswirtschaftsministeriums gegen den Beschluß der Verwaltungsabbaukommission stattgegeben werden solle, wurde der Einspruch gegen die Stimmen des Reichswirtschaftsministers, des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft und des Reichspostministers abgelehnt11.

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Zur Durchführung dieses Beschlusses kommt es vorerst nicht, da der RWiM auch weiterhin auf seinem ablehnenden Standpunkt beharrt. In diesbez. Schreiben vom 4. 8. ersucht Neuhaus den RK, Vertreter des Dt. Seeschiffahrtstages zu einer Unterredung in der Rkei zu empfangen. Letztere (u. a. Holm und Schrödter) hätten bei einer Besprechung im RWiMin. am 29. 7. von großer „Erregung der beteiligten Schiffahrtskreise“ über den Kabinettsbeschluß vom 26. 6. gesprochen und dessen Aufhebung gefordert. Neuhaus bittet abschließend, die Ausführung des Kabinettsbeschlusses bis nach der Anhörung der Schiffahrtsvertreter auszusetzen (R 43 I /1950 , Bl. 211 f.). Diesem Ersuchen wird von der Rkei nicht stattgegeben, doch gelangt die Frage der Seeschiffahrtskompetenzen bei einer Besprechung in der Rkei, an der u. a. Luther, Krohne und Neuhaus teilnehmen, am 26. 8. nochmals zur Beratung. Offermann vermerkt hierzu unter dem 27.8.<in der Druckfassung: 27.6.; Anm. der Online-Edition> : Eine Einigung sei nicht zustandegekommen, da der RWiM unnachgiebig den Standpunkt vertreten habe, die wirtschaftspolitischen Fragen der Seeschiffahrt müßten gänzlich dem RWiMin. belassen bleiben. Es sei beschlossen worden, die Angelegenheit erneut im Kabinett zur Entscheidung zu bringen (R 43 I /1950 , Bl. 224). Zum Fortgang s. die Kabinettssitzung vom 25.3.26 (Dok. Nr. 322, P. 12).

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