1.174.1 (lut2p): 1. Außenpolitische Lage.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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1. Außenpolitische Lage.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete, daß der Vertrag mit Rußland vertragsreif sei. Die Russen legten außerordentlichen Wert darauf, den Vertrag noch heute zu zeichnen. Sie würden zu diesem Zweck heute mittag in das Auswärtige Amt kommen. Die Veröffentlichung des Vertrages solle am Dienstagmorgen [27. 4.] erfolgen. Er bitte um die Ermächtigung, den Vertrag zeichnen zu dürfen.

Der Reichskanzler wies auf das Telegramm des Botschafters v. Hoesch hin, nach dem er, der Botschafter, Briand zugesagt habe, Deutschland werde mit dem Abschluß des Vertrages und der Veröffentlichung noch einige Tage warten2. Es frage sich jetzt, ob mit dieser Zusage des deutschen Botschafters das beabsichtigte Vorgehen zu vereinigen sei. Der Reichskanzler fragte, ob es nicht möglich sei, den Russen heute lediglich mitzuteilen, daß der Ministerrat zugestimmt habe, die Unterzeichnung aber erst nächste Woche erfolge.

2

Dieses Telegramm v. Hoeschs vom 22. 4. ist abgedr. in: ADAP, Serie B, Bd. I, 1. Dok. Nr. 159.

Der Reichsminister des Auswärtigen äußerte dagegen große Bedenken. Es sei sehr gefährlich, die Russen jetzt wieder nach Hause zu schicken. Es sei auch zu beachten, daß die Presse bereits über den Vertrag völlig informiert sei3, so daß, selbst wenn die Zeichnung bekannt werde, Unheil kaum zu befürchten sei. Zu erwägen sei, ob vielleicht Herrn Briand der Vertrag bereits am Montag übergeben werden könnte, damit er bei irgendwelchen Anfragen in der Kammer zur Regelung seiner Sprache informiert sei.

3

Vgl. Dok. Nr. 333, P. 3.

Der Reichswirtschaftsminister bat, den Vertrag so rasch als möglich abzuschließen. Die Unbequemlichkeit, die daraus für Briand entstehen könne, sei nicht so groß.

Der Ministerrat beschloß darauf: Der Reichsminister des Auswärtigen wird ermächtigt, den vorgelegten Vertrag mit Rußland abzuschließen. Das Auswärtige Amt wird prüfen, ob der Text Herrn Briand bereits am Montag übergeben werden kann4.

4

StS v. Schubert übermittelt die Texte des Vertrages und des zugehörigen Notenwechsels (s. RGBl. 1926 II, S. 359 ; Schultheß, S. 87 ff.) am 24. 4. an die Missionen in Paris, London, Brüssel und Rom. Schubert empfiehlt, den betr. Regg. Abdrucke dieser Texte am Vormittag des 27. 4. (Dienstag) zu übergeben. Vgl. ADAP, Serie B, Bd. II, 1, Dok. Nr. 168, Anm. 6.

[1301] Der Reichskanzler bat, bei der Veröffentlichung und Kommentierung des Vertrages bezüglich der Worte „trotz friedlichen Verhaltens“5 klar zum Ausdruck zu bringen, daß diese Worte den Sinn von „unprovoziert“ wiedergeben sollen. Wenn dies nicht geschehe, befürchte er, daß im Hinblick auf diese Formulierung unfreundliche Auslegungen erfolgen. Eine Änderung des Vertragstextes selbst schlage er nicht vor.

5

Dt. Kompromißformel für das von den Sowjets abgelehnte „unprovoziert“ des dt. Entwurfs (Art. 2) vom 30.3.26. Vgl. Dok. Nr. 330, P. 2, dort bes. Anm. 4.

Der Ministerrat stimmte zu; das Auswärtige Amt wird dies berücksichtigen.

Der Presse soll mitgeteilt werden, daß das Kabinett dem Vertrag zugestimmt habe und der Herr Reichspräsident nunmehr dem Reichsminister des Auswärtigen die Vollmacht zur Zeichnung gegeben habe6.

6

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 346, P. 5.

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