2.115.2 (ma11p): 2. Parlamentarische Lage.

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2. Parlamentarische Lage.

Der Reichskanzler berichtete über seine Verhandlungen mit den Parteiführern7. Aus denselben habe sich eine Übereinstimmung in der Auffassung der Regierungsparteien mit den vom Kabinett beschlossenen Richtlinien für die Haltung gegenüber dem Reichstage ergeben; allerdings scheine bei der DVP und der DDP eine gewisse Neigung für Forderung eines Vertrauensvotums zu bestehen. Von seiten der SPD sei der schärfste Widerspruch erhoben worden gegen die angeblich diktatorische Haltung der Reichsregierung, und es sei zu erwägen, ob nicht eine gewisse Milderung in der Stellungnahme gegenüber Anträgen zu den Notverordnungen erwünscht sei. Vom parlamentarischen Standpunkte aus betrachtet müsse man das völlige Verbot der Ausschußberatungen als eine starke Beschneidung der Rechte der Volksvertretung ansehen.

7

S. Dok. Nr. 110, 111 und 113.

Der Reichswehrminister wies auf die außerordentlichen Gefahren einer Behandlung der Notverordnungen in Ausschüssen hin. Es sei kaum zu vermeiden, daß auch die Regierungsparteien bei ihrer sachlichen Stellungnahme an gewissen Maßnahmen der Regierung Kritik übten, und das führe zu einer unmöglichen parlamentarischen Lage. Nachdem der Reichstag einmal durch das Ermächtigungsgesetz der Regierung Vollmacht erteilt habe, sei die jetzige Rückrevidierung dieser Vollmacht ein Widerspruch in sich.

[390] Der Reichsarbeitsminister teilte diese Auffassung und führte aus, daß die gleichen Gründe, welche den Erlaß des Ermächtigungsgesetzes bedingt hätten, die Ausschußberatung über die auf Grund des Gesetzes erlassenen Verordnungen verböten.

Der Reichsminister der Justiz wies darauf hin, daß den von ihm entworfenen Verordnungen in den meisten Fällen die Mehrheit des Reichstags zugestimmt habe; auch die so stark umstrittene Strafprozeßverordnung8, zu der sogar ein Antrag der demokratischen Partei vorliege9, entspreche den Gedankengängen, die von der Mehrheit der Länder stets vertreten worden seien und in der Fachwelt weitgehendste Anerkennung gefunden hätten. Somit bleibe eine sachliche Berechtigung nur noch bei gewissen Anträgen zu Verordnungen geringerer Bedeutung, und diese könne man als unerheblich bezeichnen.

8

VO über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.24 (RGBl. I, S. 15 ).

9

Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der genannten VO, Antrag der DDP-Fraktion vom 28. 1. (RT-Drucks. Nr. 6433, Bd. 380 ).

Der Reichsverkehrsminister unterstrich die Notwendigkeit, den Parteien in interfraktionellen Besprechungen Gelegenheit zu geben, zu den Notverordnungen und den zu ihnen ergangenen Anträgen Stellung zu nehmen. Die parlamentarische Lage sei außerordentlich schwierig und erfordere eine feste und sichere Hand der Reichsregierung.

Der Reichswirtschaftsminister sprach sich hinsichtlich der geschäftlichen Behandlung gegen Ausschußberatungen aus und wies im übrigen darauf hin, daß das größte Gewicht auf eine geeignete Wahlparole zu legen sei. Hierbei komme es darauf an, eine volle Einigkeit unter den Regierungsparteien herzustellen; somit sei es ebenso schwierig wie wichtig, den richtigen psychologischen Moment zu erfassen.

Der Reichskanzler stellte als Auffassung des Kabinetts fest, zunächst keine Regierungserklärung stattfinden zu lassen, jedoch daran festzuhalten, daß Ausschußberatungen über die Notverordnungen nicht geduldet würden. Insoweit Anträge gestellt würden, müsse die Regierung generell oder von Fall zu Fall ihre Stellungnahme dem Reichstag bekanntgeben.

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