2.213.1 (ma11p): 1. Stellungnahme zu den von den Reichsarbeitern beantragten allgemeinen Lohnerhöhungen.

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1. Stellungnahme zu den von den Reichsarbeitern beantragten allgemeinen Lohnerhöhungen1.

1

Es handelt sich um Lohnforderungen der Eisenbahnergewerkschaften. Eine Kabinettsvorlage hierzu konnte in R 43 I nicht ermittelt werden.

Ministerialdirektor Hitzler teilte mit, daß die Organisationen eine allgemeine Lohnerhöhung von 30% gefordert hätten. Im Reichsverkehrsministerium werde eine allgemeine Lohnerhöhung auch nur um 10%, die 50 bis 60 Millionen Mark jährlich erfordere, für untragbar gehalten. Bei einem Vergleich der Reichsarbeiterlöhne mit den Löhnen entsprechender Arbeitergruppen in der Industrie ergebe sich, daß von den rund 400 000 Arbeitern der Eisenbahn 260 000 in ihren Löhnen mit denen der Industrie gleich oder über ihnen ständen und 140 000 darunter und zum Teil wesentlich darunter. Für letztere könne man eine Erhöhung des Lohnes im Wege der Erhöhung der Ortszuschläge vorsehen; es sei bei dieser Regelung allerdings mit politischen Schwierigkeiten und größeren Teilstreiks zu rechnen. Das Reichsverkehrsministerium bitte das Kabinett um Zustimmung zu einem derartigen Vorgehen.

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß in den letzten Jahren immer ein sehr unglückliches Verhältnis zwischen den Arbeiterlöhnen und den Gehältern der unteren Beamtengruppen bestanden habe. Bei den niedrigen Beamtengehältern sei es nicht möglich gewesen, die Arbeiter in das Beamtenverhältnis zu überführen. Die Neuregelung der Beamtengehälter müsse als endgültig angesehen werden2. Damit scheide aber eine neuerliche Heranführung der Arbeiterlöhne an die Beamtengehälter als unmöglich aus. Preissteigerungen seien außerdem in letzter Zeit nicht mehr eingetreten; für die Zukunft sei auch mit einem schärferen Preisabbau zu rechnen. Er schließe sich dem Vorschlag des Reichsverkehrsministeriums an.

2

Mit Wirkung vom 1. 6. waren die Beamtengehälter erhöht worden (vgl. Dok. Nr. 204, P. 1).

Der Reichswirtschaftsminister sprach sich ebenfalls gegen eine generelle Lohnerhöhung aus.

[…]

Der Reichsarbeitsminister gab zu erwägen, ob man nicht doch von vornherein mit einer generellen Lohnerhöhung von 5% rechnen solle. Es sei nicht zu verkennen, daß der Forderung der Arbeiter eine gewisse Berechtigung, vor[675] allem auch psychologischer Natur, zukomme. Dann sei zu berücksichtigen, daß die Ablehnung einer allgemeinen Lohnerhöhung wahrscheinlich zu Streiks führen werde, die letzten Endes die Regierung doch zwängen, einer mäßigen allgemeinen Lohnerhöhung zuzustimmen.

Der Reichsminister der Finanzen warnte vor einer zu großen Nachgiebigkeit. Wir seien jetzt in einem Zustand der Entwicklung, die zu endgültigen Lösungen dränge. Man müsse sich dabei in der Frage der Lohnfestsetzung davor hüten, Löhne zu bewilligen, die in kurzer Zeit infolge des Preisabbaus untragbar wären.

Der Reichsarbeitsminister empfahl nochmals, eine allgemeine Lohnerhöhung um 5% zu erwägen. Er verspreche sich davon eine große Beruhigung für die Reichsarbeiter. Eine Beunruhigung der Industriearbeiter und besonders der Bergarbeiter werde von einer derart mäßigen Erhöhung nicht ausgehen. Notwendig sei, daß mit allen Mitteln der Preisabbau betrieben werde.

Staatssekretär Sautter äußerte gegen diesen Vorschlag vom Standpunkt der Reichspost keine Bedenken, hielt es nur für gefährlich, die Lohnerhöhungen in Zusammenhang mit der stattgehabten Beamtengehaltserhöhung zu bringen.

Der Reichskanzler war ebenfalls der Meinung, daß man versuchen sollte, sich auf den Vorschlag des Reichsarbeitsministers zu einigen.

Staatssekretär Bodenstein erklärte, daß bei einer allgemeinen Erhöhung der Löhne eine Herabsetzung der Tarife nicht möglich sei.

Der Vizekanzler stimmte dem Vorschlag des Reichsarbeitsministers zu.

[…]

Das Kabinett schloß sich dem Vorschlag des Reichsarbeitsministers an3.

3

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 214.

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