2.3.1 (ma11p): 1. Besatzungslasten.

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1. Besatzungslasten.1

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Nach der Ruhrgebietsbesetzung war die Zahlung der sog. Markvorschüsse (nach Art. 249 des VV) an die frz. und belg. Besatzungstruppen eingestellt worden. Erst nach Aufgabe des passiven Widerstandes hatte sich die RReg. in einem Abkommen mit der Irko vom 7.11.23 bereit erklärt, die Markvorschußzahlungen unter der Bedingung wiederaufzunehmen, daß die Anforderungen auf der Grundlage der Besatzungsstärken von 1922 (also ohne Ruhrarmee) erfolgen und daß die Geldbeschlagnahmungen im gesamten besetzten Gebiet eingestellt würden. Die Markvorschußzahlungen an die engl. Besatzung waren auch während der Ruhraktion fortgesetzt worden, mit Einschränkungen auch die Leistungen für das altbesetzte Gebiet auf Grund des Rheinlandabkommens (Art. 6, 8 bis 12). Zu den Leistungen an die Besatzungsmächte kamen Entschädigungszahlungen des Reichs an die dt. Bevölkerung des besetzten Gebiets hinzu (auf Grund des Okkupationsleistungsgesetzes, des Besatzungspersonenschädengesetzes, des Sonderverfahrens usw.).

Zur Entwicklung der Besatzungskostenfrage und zur Höhe der dt. Leistungen vgl. die „4. Denkschrift über die Besatzungskosten“ vom 13.5.24 (Stand: 31.12.23), RT-Drucks. Nr. 10, Bd. 382 ; ferner die „Zusammenstellung von Tatsachenmaterial über die Besatzungskosten“, die der RFM am 28.12.23 dem RK übersendet (R 43 I /229 , Bl. 284-316).

Generalkommissar Schmid: Die uns zur Verfügung stehende Summe für die Besatzungslasten reicht nicht aus2. Wir haben in den letzten Wochen übermäßige[11] Zahlungen leisten müssen, aber man wird daraus keine Rückschlüsse auf die Gesamtbelastung ziehen dürfen. In der letzten Zeit haben sich die Ausgaben sehr zusammengedrängt. Man darf vor allem aber nicht vergessen, daß bei Berechnung der Besatzungskosten ein Voranschlag auf Grund des Berliner Einheitskurses erfolgt ist, und daß der Kurs der Mark im besetzten Gebiet ungefähr 1/5 unter dem Berliner Kurs liegt3.

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In einem voraufgegangenen Schriftwechsel hatte das RMinbesGeb. die vom RFMin. für Besatzungskosten ausgeworfenen Beträge als unzureichend bezeichnet; das RFMin. hingegen hatte die Anforderungen des RMinbesGeb. als zu hoch kritisiert (R 43 I /229 , Bl. 234 f.).

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Zur Entwicklung des Markkurses an der Kölner Börse zwischen dem 13. 11. und dem 10.12.23 vgl. Schacht, Die Stabilisierung der Mark, S. 80 f.

Wir können uns mit dem Antrage des Reichsfinanzministeriums, das Kabinett möge das Auswärtige Amt unverzüglich mit der Aufnahme von Verhandlungen mit der französischen, englischen und belgischen Regierung beauftragen, mit dem Ziel, eine Einstellung der Leistungen an die Besatzungstruppen für die Zeit der Sanierungsaktion der Reichsfinanzen zu erreichen4, nur einverstanden erklären. Ohne Verhandlungen soll man jedoch die Zahlungsunfähigkeit nicht erklären. Bis zu einem Ergebnis der Verhandlungen muß das besetzte Gebiet mit wertbeständigen Zahlungsmitteln versehen werden. Es ist der Weg möglich, die Rentenmark in das besetzte Gebiet einzuführen5. Ich gebe allerdings zu, daß hiergegen schwere Bedenken bestehen. Will die Regierung die Rentenmark[12] nicht in das besetzte Gebiet einführen, so hat sie die Pflicht, für ein anderes wertbeständiges Zahlungsmittel zu sorgen. Es dürfte da die Ausgabe von Notgeld im besetzten Gebiet durch Vermittelung der Landesbanken und Kommunen in Betracht kommen.

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Wörtlich heißt es im Schreiben des RFM Luther an den RK vom 28. 11.: „Da eine sofortige Einstellung aller Besatzungsleistungen aus politischen Gründen im gegenwärtigen Augenblick nicht in Betracht kommt, beantrage ich, das Kabinett möge das AA unverzüglich mit der Aufnahme von Verhandlungen mit der frz., engl. und belg. Reg. beauftragen mit dem Ziele, unter Hinweis auf die verzweifelte Finanzlage des Reiches und auf die Unmöglichkeit, die in Angriff genommene Sanierung der Reichsfinanzen aufrechtzuerhalten, für die Zeit der Sanierungsaktion der Reichsfinanzen eine Einstellung der Leistungen an die Besatzungstruppen zu erreichen. Dabei wird besonders hervorzuheben sein, daß Deutschland die Verpflichtung zur Leistung der Besatzungskosten auf Grund des VV und des Rheinlandabkommens durchaus nicht bestreitet, aber gegenwärtig zur Aufbringung der Zahlungen aus finanziellen Gründen außerstande ist.“ (R 43 I /229 , Bl. 220-222).

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In einem Rundschreiben vom 14. 11. hatte der RFM u. a. verfügt, daß für das besetzte Gebiet eine Lieferung von Rentenmark oder Goldanleihe nicht in Frage komme (R 43 I /2440 , Bl. 263 f.; auch in RBesBl. 1923, S. 391, lfd. Nr. 673). Im Gegensatz hierzu beantragte der RMbesGeb. (i. V. Schmid) mit Schreiben vom 26. 11. an die Rkei folgenden Kabinettsbeschluß: „Das besetzte Gebiet wird sofort im gleichen Umfange mit Rentenmark versorgt wie das unbesetzte Gebiet; insbesondere erhalten die Beamten und öffentlichen Angestellten des besetzten Gebiets sofort ihr Gehalt in Rentenmark in demselben Verhältnis ausbezahlt wie die Beamten des unbesetzten Gebiets.“ Nachdem die Zahlung der Markvorschüsse an die Besatzungsarmeen wiederaufgenommen worden sei (vgl. Anm. 1), hätten diese und die Irko die Verpflichtung übernommen, von weiteren Beschlagnahmungen dt. Geldes abzusehen. Die Irko habe ferner mündlich und schriftlich erklärt, daß die Zirkulation der Rentenmark im besetzten Gebiet freigegeben sei. „Unter diesen Umständen kann m. E. kein stichhaltiger Grund mehr für die Verweigerung der Zuteilung angemessener Bestände von Rentenmark an das besetzte Gebiet und insbesondere für die Verweigerung der Bezahlung der dt. Beamten im besetzten Gebiet mit Rentenmark vorgebracht werden. Aus der Tatsache allein, daß die Besatzungsbehörden die hypothekarische Belastung des besetzten Gebiets für die Rentenmark nicht zugelassen haben, kann kein Grund hergeleitet werden, um die Bevölkerung des besetzten Gebiets, insbesondere die Gehalts- und Lohnempfänger, ohne wertbeständige Zahlungsmittel zu lassen.“ (R 43 I /190 , Bl. 73-75).

Dagegen führte der RFM in einem Schreiben an den RMbesGeb. vom 30. 11. aus: „Ich kann mich unter keinen Umständen damit einverstanden erklären, daß amtliche Zahlungen im alt- oder neubesetzten Gebiet in Rentenmark geleistet werden, solange das Rentenbankgesetz [RGBl. 1923, I, S. 963 ] als solches nicht im vollen Umfange von der Rheinlandkommission bzw. dem General Degoutte anerkannt und damit auch die Möglichkeit der hypothekarischen Belastung als Deckung für die Ausgabe der Rentenmarkscheine im besetzten Gebiet gewährleistet ist.“ (R 43 I /190 , Bl. 111).

Der Reichsminister der Finanzen Einen Beschluß, die Leistungen so lange fortzusetzen, bis die Verhandlungen mit den Besatzungsmächten zu einem Erfolg gekommen sind, halte ich nicht für möglich. Die Franzosen haben sicher die Absicht, die Verhandlungen hinzuzögern. Im Übergangshaushalt steht nichts von Besatzungskosten6. Die Zahlen, die für die Besatzungskosten ausgegeben werden, sind erschreckend hoch. Die Oberfinanzkassen Köln und Düsseldorf geben täglich  7½  Goldmillionen für die Besatzung aus. Eine Kontingentierung der Besatzungskosten auf 1,473 Goldmillionen pro Tag ist unbedingt notwendig. Ich habe sonst die schwersten Bedenken, daß wir noch vor Weihnachten mit der Rentenmark fertig sind. Ich fasse nochmal dahin zusammen: Bezüglich der Besatzungskosten muß es

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Im Schreiben des RFM vom 28. 11. (s. Anm. 4) wird ausgeführt, „daß in dem Übergangshaushalt [für die Zeit vom 15.11.23 bis zum 31.3.24] für die Zwecke der Besatzungskosten überhaupt keine Kredite vorgesehen sind, da man bei der Aufstellung des Haushalts von der Annahme ausging, daß die Zahlung der Besatzungskosten gemäß meinem Antrag eingestellt werden würde“. Luther hatte im Kabinett Stresemann wiederholt die Einstellung der Besatzungsleistungen gefordert.

a) bei einer Kontingentierung bleiben7,

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Der RFM hatte dem RMinbesGeb. am 29. 11. mitgeteilt, daß er für Besatzungskosten (einschl. Markvorschüsse an die Besatzungstruppen und Entschädigungszahlungen an die Bevölkerung) vom 1. bis 15.12.23 einen Gesamtbetrag von 20 Mio GM zur Verfügung stelle. Die Zahlungen dürften nur in Papiermark erfolgen (R 43 I /229 , Bl. 218 f.).

b) die Kosten können nur allerhöchstens bis zum 31.12.23 getragen werden.

Das ganze problem muß außenpolitisch angefaßt werden.

Generalkommissar Schmid führte kurz aus, daß sich wertbeständiges Geld für das besetzte Gebiet leicht schaffen lasse, da 300 Millionen Goldschatzanweisungen als Unterlage für Notgeld zur Verfügung ständen.

Der Reichsminister der Finanzen entgegnete, daß man jedenfalls etwa auszugebendes Notgeld der Entente nicht geben dürfe. Im übrigen betonte er, daß das Reich bankrott sei und daß es infolgedessen außenpolitisch falsch sei, Besatzungskosten weiter zu zahlen.

Der Reichswährungskommissar Ich warne vor der Auffassung, daß die Zahlung der Besatzungskosten keine Währungsfrage sei. Die Besatzungskosten sind Luxusbeträge, und wenn man diese Beträge ins Uferlose weiter zahlt, dann entsteht ein neues Währungselend im unbesetzten Deutschland. Wenn man die Besatzungskosten durch neue Anleihen, Steuern oder durch Verkauf von fiskalischen Vermögensgegenständen decken kann, käme ihre Weiterzahlung vielleicht in Betracht.

Der Vizekanzler führte aus, daß eine große Not im besetzten Gebiet entstehen werde, wenn das Reich die Besatzungslasten nicht mehr trüge.

Der Reichsminister der Finanzen Keiner der vom Herrn Reichswährungskommissar zur Erörterung gebrachten Wege ist möglich, um die Besatzungskosten zu decken. Es sind schon mehrere hundert Goldmillionen noch erforderlich,[13] um den Übergangshaushalt aufrechtzuerhalten. Unsere Bemühungen, die Reichsbahn ganz auf sich zu stellen, sind erfolglos geblieben. Wir haben vor rigorosen Maßnahmen nicht zurückgeschreckt und z. B. den Ländern jeden Kredit gesperrt. Trotzdem wird es nur durch Verkauf eines erheblichen Teiles des sogenannten kleinen Reichsvermögens möglich sein, den Übergangsetat aufrechtzuerhalten. Ich gebe mich keinem Zweifel darüber hin, daß die neuen Steuern teilweise zu hoch sein werden. Drei Einnahmequellen sind noch vielleicht möglich, nämlich a) Steuern auf Mieten, b) eine Erfassung von Gold und Silber sowie von Kunstwerken, c) eine steuerliche Erfassung der Inflationsgewinne. Eine Mietzinssteuer ist schon vorgesehen. Von etwaigen Maßnahmen zu b) und c) verspreche ich mir keinen Erfolg; die steuerliche Erfassung der Inflationsgewinne wird auch technisch kaum möglich sein.

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