1.52.1 (ma12p): Micum-Verträge.

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Micum-Verträge.

Staatssekretär Fischer berichtete über das Ergebnis der Verhandlung mit dem Vertreter der Sechserkommission1.

1

Es handelt sich um Verhandlungen mit der Sechserkommission des Bergbaulichen Vereins über die finanzielle Entschädigung des Ruhrbergbaus für Reparationsleistungen auf Grund des Micum-Abkommens.

Ministerialdirektor v. Brandt führte die Einzelheiten der zustande gekommenen Einigung aus. Es sei beabsichtigt, einen Betrag von 133 Millionen in Schatzanweisungen dem Ruhrbergbau zu übergeben, von denen zunächst 50% diskontiert werden können. Der Diskontsatz solle 21% betragen. Der Erlös werde 54 Millionen Goldmark sein. Falls über den 15. August hinaus noch Micumleistungen stattfinden müßten, würden weitere 10 Millionen Schatzanweisungen gegeben und eine weitere Diskontierungsmöglichkeit von 7% geschaffen werden. Der Ertrag dieser Operation werde 12 Millionen betragen. Insgesamt werde also ein Betrag von 66 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Die nicht diskontierten Beträge verblieben dem Ruhrbergbau zur Verfügung zwecks etwaiger anderweitiger Diskontierung.

Die Zechen verpflichten sich, ab 31. Juli Reichs-, Landes- und Gemeinde-[927] (Gemeindeverbände-) Steuern zu den vorgesehenen Terminen zu zahlen2. Ferner sollen die rückständigen Reichssteuern mit größter Beschleunigung abgetragen werden. Verhandlungen dazu sollen mit den Landesfinanzämtern sofort aufgenommen werden. Wegen der rückständigen Gemeindesteuern sollen tunlichst bald Verhandlungen mit dem Preußischen Ministerium des Innern aufgenommen werden. Die Zusagen seien zunächst jedoch nur für August gemacht worden und unter der Voraussetzung, daß der Steuersatz der Lohnsummensteuer nicht höher als 4% sei. Bei einem höheren Satz werde Zahlung erst auf Anforderung des Preußischen Ministeriums des Innern erfolgen.

2

Bisher war der Ruhrbergbau gemäß einer schriftlichen Zusage Stresemanns vom 1.11.23 berechtigt, die von ihm erbrachten Micum-Leistungen bis zu ihrer Vergütung durch das Reich gegen bestimmte Steuerverpflichtungen aufzurechnen. Vgl. das Schreiben Stresemanns an die Sechserkommission vom 1.11.23 in: Ursachen und Folgen, Bd. V, Dok. Nr. 1097.

Voraussetzung für die Zahlungen des Reichs sei die Vermeidung von Stillegungen. Daher habe sich das Reich die Sperrung der Auszahlung vorbehalten, wenn Zechen aus wirtschaftlich nicht zwingenden Gründen stillgelegt würden.

Die Sechserkommission wünsche eine Mitteilung darüber, ob das Kabinett dieser Vereinbarung zustimme3, um am Donnerstag, den 31. Juli, die Verhandlungen mit der Micum führen zu können4.

3

Diese Vereinbarung über eine Teilentschädigung des Ruhrkohlenbergbaus für Micum-Leistungen wird durch Schreiben des RFM vom 30.7.24 an die Sechserkommission bestätigt (R 43 I /454 , Bl. 345-347). Außer dem hier bewilligten Betrag von 143 Mio GM in Schatzanweisungen erhält der Ruhrbergbau in den folgenden Monaten mehrfach Entschädigungszahlungen in bar. Die Gesamtvergütung, die allein dem Ruhrbergbau für Reparationsleistungen und Beschlagnahmeschäden vom Reich gewährt wird, beläuft sich schließlich auf 556 Mio GM. Vgl. hierzu die Denkschrift des RFM vom 16.2.25 „Die Reparationslasten und Schäden der Privatwirtschaft des Ruhr- und Rheingebiets und ihre Erstattung durch das Reich“, RT-Bd. 398 , Drucks. Nr. 568 , bes. S. 18 ff.; ferner den „Bericht des 23. Ausschusses (Untersuchungsausschuß – Ruhrentschädigungen) über die Feststellung der an die Ruhrindustriellen ausgezahlten Beträge“, RT-Drucks. Nr. 3615 , ausgegeben am 12.9.27, in RT-Bd. 417 .

4

Bei den Verhandlungen in Düsseldorf unterzeichnet die Sechserkommission am 31.7.24 das 5. Micum-Abkommen des Ruhrbergbaus. Es verlängert das bisherige Abkommen mit seinen Lieferverpflichtungen bis zur Aufnahme der Tätigkeit des Reparationsagenten, räumt dem Ruhrbergbau jedoch ein Kündigungsrecht ab 15. 8. ein und sieht Ermäßigungen der Kohlensteuer und der sonstigen Gebühren vor (Text des Abkommens in RT-Bd. 398 , Drucks. Nr. 568 , S. 63; vgl. Schultheß 1924, S. 418). Am 3. 9. wird das Micum-Abkommen mit dem Ruhrbergbau ein letztes Mal verlängert, und zwar bis zum 21. 10. Ende Oktober 1924 stellt die Micum ihre Tätigkeit im besetzten Gebiet ein. Hinfort werden die dt. Reparationssachleistungen nach den Richtlinien des Londoner Abkommens über die Durchführung des Dawesplans abgewickelt.

Der Reichsarbeitsminister bat um Angaben über das Verhältnis dieser Leistungen des Reichs zu den berechtigten Forderungen der Industrie.

Staatssekretär Fischer entwarf anhand von geschätzten Zahlen ein vorläufiges Bild und gab der Überzeugung Ausdruck, daß das, was jetzt von Reichs wegen geschehe, zweifellos nicht zu viel und unter allen Umständen gerechtfertigt sei.

Der Reichsarbeitsminister hielt eine Nachprüfung der gegebenen Zahlen für notwendig; ihm schien doch die eine oder andere nicht unerheblich zu hoch gegriffen.

Der Vizekanzler war der Meinung, daß eine Verlängerung5 nur bis zum 20. August vorgenommen werden sollte.

5

Gemeint ist die Verlängerung des Micum-Abkommens des Ruhrbergbaus. Vgl. Anm. 4.

[928] Der Reichswirtschaftsminister hielt den vorgegebenen Diskontsatz von 21% für zu hoch.

Staatssekretär Fischer erwiderte, daß der Diskontsatz nicht für alle Zeiten festgelegt sei, sondern nur angewendet werde für die erste Serie zu diskontierender Schatzanweisungen. Falls sich weitere Diskontierungen notwendig machen sollten, werde erneut über den Diskontsatz gesprochen werden können.

Staatssekretär Fischer teilte mit, daß eine ähnliche Aktion wie für den Ruhrbergbau für die chemische Industrie in Aussicht genommen sei6.

6

Die chemische Industrie des besetzten Gebiets erhält vom Reich eine Entschädigung für Micum-Lieferungen und Beschlagnahmungen zu Reparationszwecken in Höhe von insgesamt 50 Mio GM. Vgl. die Denkschrift des RFM vom 16.2.25 „Die Reparationslasten und Schäden der Privatwirtschaft“, RT-Bd. 398 , Drucks. Nr. 568 , bes. S. 23 f.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete befürchtete, daß bei einer derartigen Regelung weitere große Ansprüche aus dem besetzten Gebiet kommen würden.

Staatssekretär Fischer bat, die mitgeteilten Zahlen als vorläufige anzusehen und nach außen hin nicht zu verwenden. Im übrigen müsse die Aktion als eine Realisierung der seinerzeit vom Reichskanzler Dr. Stresemann gemachten Zusage an den Ruhrbergbau angesehen werden7.

7

S. das in Anm. 2 erwähnte Schreiben Stresemanns an die Sechserkommission vom 1.11.23.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete bat um Mitteilung, ob die Regiezechen bei der Aktion berücksichtigt seien.

Staatssekretär Fischer antwortete darauf, daß die Regiezechen in dem Verteilungsplan mit einbegriffen seien.

Das Kabinett erklärte sich mit der von dem Reichsfinanzministerium vorgeschlagenen Regelung einverstanden.

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