2.138 (ma31p): Nr. 138 Die Reichstagsabgeordneten Müller-Franken und Wels an den Reichswehrminister. 6. Dezember 1926

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Die Kabinette Marx III und IVDas Kabinett Marx IV Bild 146-2004-0143Chamberlain, Vandervelde, Briand und Stresemann Bild 102-08491Stresemann an den Völkerbund Bild 102-03141Groener und Geßler Bild 102-05351

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Text

RTF

[400] Nr. 138
Die Reichstagsabgeordneten Müller-Franken und Wels an den Reichswehrminister. 6. Dezember 1926

R 43 I /686 , Bl. 103–151 Abschrift1

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Diese Abschrift (auf Kopfbogen „Reichstagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“) übersandte Müller-Franken an RK Marx mit Begleitbrief vom 6.12.26 (R 43 I /686 ), Bl. 102). – Das Schreiben an RWeM Geßler sowie Anlage 7 sind nach einer Abschrift, die Müller an RAM Stresemann übermittelte, abgedr. in: ADAP, Serie B, Bd. I,2, Dok. Nr. 238.

[Unerlaubte Verbindungen und Tätigkeiten der Reichswehr.]

Sehr geehrter Herr Minister!

Im Anschluß an unsere unter Vorsitz des Herrn Reichskanzlers und unter Anwesenheit des Herrn Außenministers erfolgte Besprechung vom Mittwoch, dem 1. Dezember2, übergeben wir Ihrem Wunsche entsprechend beifolgend die Materialien über eine Reihe von Fällen, aus denen hervorgeht, daß Reichswehrdienststellen in unerlaubten Beziehungen zu Wehrverbänden stehen, daß sie weiterhin eine Tätigkeit ungesetzlicher Art in verschiedenen Formen ausüben und daß sich diese Vorgänge bis in die jüngste Zeit erstrecken.

2

In der Besprechung mit Marx, Stresemann und Geßler im AA am 1.12.26 hatten die SPD-Abgeordneten Müller-Franken, Wels, Breitscheid, Scheidemann und Eggerstedt über fortgesetzte illegale Aktivitäten der Reichswehr Beschwerde geführt, insbesondere über die militärische Zusammenarbeit mit rechtsgerichteten Verbänden und über die Herstellung von Rüstungsmaterial in Rußland. Geßler hatte die SPD-Vertreter gebeten, ihm die entsprechenden Unterlagen zur Prüfung zuzuleiten. Die von Eggerstedt angefertigte Niederschrift dieser Besprechung wurde erstmals veröffentlicht in: Der Monat, 1. Jg., H. 6 (März 1949), S. 103 ff.; wiederabgedr. in: Schüddekopf, Das Heer und die Republik, S. 214 ff.; Ursachen und Folgen, Bd. VII, Dok. Nr. 1609.

In Sonderanlage liegt bei das Material über Verstöße innerhalb der Reichsmarine (Marinestation Kiel), aus dem insbesondere hervorgeht, daß in der Marinestation Kiel eine der O. C.3 bzw. dem Wikingbund angehörige Persönlichkeit als besoldeter Verbindungsmann für die Vaterländischen Verbände tätig ist und daß unter Beteiligung von Angehörigen der Marinestation Sammlungen zur Finanzierung ungesetzlicher Tätigkeit und der Vaterländischen Verbände vorgenommen werden.

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Organisation Consul.

Die weiteren Anlagen betreffen:

Anlage 1: Der Fall Erfurt, wo Waffenlager der Reichswehr zu treuen Händen an Mitglieder des Wikingbundes gegeben wurden, die außerdem noch in die Grabschändung auf einem Friedhof in Erfurt verwickelt sind.

Anlage 2: Aussagen des Gottlieb Schwarz in Firma E. Leitz, Optische Werke Wetzlar über eine Sitzung des Arbeitgeberverbandes Hessen-Lahngau im Frühjahr 1924 betr. Finanzierung von Zeitfreiwilligen-Ausbildung durch freiwillige Sammlungen in Unternehmerkreisen. Beteiligt Oberst a. D. Kock und ein aktiver Reichswehrhauptmann, die sich auf die Heeresleitung berufen.

[401] Anlage 3: Die Rede des Generals von Tschischwitz am 17. Dezember 1924 im Offizierskasino in Rostock betreffend Ausbildung von Wehrverbänden durch die Reichswehr, Einrichtung von Bezirkskommandos und Pläne der Finanzierung solcher Maßnahmen aus Mitteln der Industrie und Landwirtschaft.

Anlage 4a: Ausbildungskursus im Frühjahr 1926 im Kreis Lebus durch einen Zivilangestellten des Wehrkreiskommandos III, den Leutnant a. D. Appel.

Anlage 4b: Ausbildung auf dem Truppenübungsplatz Wünsdorf.

Anlage 4c: Ausbildung in Paderborn, I. R. 18, November 1926.

Anlage 4d: Ausbildungskurse im Wehrkreis II. S. Anlage 7.

Anlage 5: Scharfschießen des Gießener Stahlhelms auf den Schießständen des Gießener Reichswehrbataillons Sommer 1926.

Anlage 6: Das Kreisoffiziersystem in der Provinz Schlesien (Regierungsbezirke Liegnitz und Breslau).

Anlage 7: Ausbildungskurse, Anstellung von Kreisoffizieren (Bezirkskommandos) im Bereich des Wehrkreiskommandos II durch Zivilangestellte des Wehrkreiskommandos II, Herbst 1926. (Dazu das Statut des Wehrverbandes „Pommernsport“, als Beleg dafür, daß rechtsradikale Wehrorganisationen unter dem Deckmantel des Sportverbandes gegründet werden, um die Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Wehrverbänden zu maskieren und ihre Verbindung mit Wehrverbänden scheinbar ableugnen zu können.)

Anlage 8: Mitwirkung nichtoffizieller Persönlichkeiten bei der Einstellung von Bewerbern in die Reichswehr (Darmstadt 1926).

Anlage 9: Einquartierung von R. W. durch Stahlhelm (Neuhaldensleben).

Anlage 10: Kleinkaliberschützenorganisationen in engster Verbindung mit der Reichswehr.

Anlage 11: Wiederherstellung von „zerstörten und zerstreuten“ Maschinen und Fabrikation von Heeresmaterial mit diesen.

Anlage 12: Einrichtung von Rüstungsindustrie im Auslande (Munitionstransporte in Stettin, Anlage 12 a).

Anlage 13: Feststellungen über das Berliner Konto des „Wirtschaftskontors m.b.H.“ bzw. der Gefu und ihre Beziehungen zum Reichswehrministerium im Jahre 1926.

Wir sind bereit, die in Anlage 7 mitgeteilten Verhältnisse im Wehrkreis II als typisch für das ganze Reich nachzuweisen.

Wir bemerken, daß in Anlage nur ein kleiner Auszug aus der Fülle unseres Materials überreicht wird, um eine Beschleunigung der Untersuchung zu ermöglichen, wie sie uns vom Reichswehrminister in Aussicht gestellt wurde.

Wir behalten uns jedoch vor, das gesamte Material, das sich in unseren Händen befindet und sich täglich noch weiter ergänzt, zusammengestellt zur Verwendung zu bringen, falls die unbedingt erforderliche Abstellung dieser unhaltbaren und außen- und innenpolitisch ebenso gefährlichen wie untragbaren Zustände nicht umgehend erfolgt4.

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Einzelheiten aus dem in den Anlagen enthaltenen Material trug Scheidemann in seiner Reichstagsrede vom 16.12.26 vor; siehe RT-Bd. 391, S. 8579 –8586.

[402] Ferner erlauben wir uns, die zur Abstellung der gerügten Übelstände von uns als notwendig erachteten Maßnahmen, die bei der Besprechung ebenfalls mitgeteilt wurden, schriftlich in Anlage 14 zu unterbreiten5.

5

Von den beigefügten Anlagen (insgesamt 45 Schreibmaschinenseiten) werden im folgenden die Anlagen 6, 7, 7a, 10, 12, 12a, 13 und 14 abgedruckt.

Hochachtungsvoll ergebenst

gez. Hermannn Müller-Franken M.d.R.

gez. Otto Wels M.d.R.

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