2.153.1 (ma31p): Bericht des Reichswehrministers über Reichswehrfragen.

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Text

RTF

Bericht des Reichswehrministers über Reichswehrfragen.

Der Reichswehrminister erstattete Bericht über die Militärpolitik bezüglich folgender Fragen:

1.

Verbände mit Einschluß der Sportvereinigungen und Kleinkaliberschießvereine,

2.

Grenzschutz und System der Kreisoffiziere,

3.

Russisches Geschäft,

4.

Rekrutierung und Werbesystem1.

1

Vgl. dazu Dok. Nr. 96; Nr. 130, P. 1; Nr. 141, P. 5.

General Heye und Admiral Zenker ergänzten diesen Vortrag durch eingehende Erläuterungen.

Die Vertreter der Regierungsparteien stellten hierauf eine Anzahl von Einzelfragen, die vom Reichswehrminister bzw. Oberst von Schleicher beantwortet wurden.

[446] Die Fragen der Herren Koch und Haas bezogen sich im wesentlichen auf Beziehungen zwischen Reichswehr und Verbänden. Insbesondere wurde um Feststellung gebeten, ob noch irgendwelche Organisationen mit Waffen oder Geld beliefert würden, und verlangt, daß Waffen nicht bei rechtsradikalen Persönlichkeiten untergebracht werden dürften.

Die beiden vorgenannten demokratischen Abgeordneten verlangten deutlich sichtbare Kundgebungen und Maßnahmen des Reichswehrministers, die eine klare Einstellung für die Republik erkennen ließen2. Insbesondere sei die Ersatzfrage befriedigend zu regeln und Vorsorge zu treffen, daß nicht Reichswehroffiziere gegen die heutigen Verhältnisse Mißachtung bezeugten. Gegen derartige Fälle sei mit strengsten Strafen vorzugehen.

2

In einer Tagebuchaufzeichnung des DDP-Vorsitzenden Koch-Weser vom 13.12.26 heißt es über RWeM Geßler: „Ich verliere mehr und mehr die Achtung vor ihm, der sich jetzt dadurch halten zu können glaubt, daß er alle Schuld auf Seeckt schiebt. Vorgestern versuchte er es in einer Besprechung mit Erkelenz, Haas und mir sogar abzulehnen, Fragen zu diskutieren, die sich in diesem Frühjahr zugetragen haben. ‚Ja damals war ja noch der General Seeckt da‘. Ein Minister, der sich jahrelang hinstellt und Angriffe abweist, der sie aber hinterher zugibt und auf seine Untergebenen schiebt, erscheint mir unmöglich. Am wenigsten zutreffend sind allerdings wohl die Vorwürfe wegen der russischen Waffenbrüderschaft von 1921, denn damals hat das Wehrministerium offenbar im Auftrage von Wirth gehandelt.

Geßler ist innerlich voreingenommen gegen die Linke, weil sie ihn angegriffen hat. Obwohl er doch nun wohl zugeben müßte, daß es, wenigstens so lange der General Seeckt regierte, mit Recht geschehen ist. Um so peinlicher ist es, daß er nicht seinerseits der Partei [d. h. der DDP] den Nachteil erspart, der mit seiner Tätigkeit als Wehrminister für sie verbunden ist, sondern darauf fußt, daß sie ihn nicht angreifen kann, weil manche in ihrer Mitte noch an ihm festhalten.

Es werden jetzt außerordentliche Kämpfe einsetzen. Marx will ihn nach wie vor halten. Die Sozialdemokraten werden, wenn es sich um ihren Eintritt in die große Koalition handelt, seinen Kopf fordern. Wir müssen uns zurückhalten, dürfen ihn aber auch nicht ganz ungeschoren lassen. Tun wir gar nichts oder wagen wir uns zu weit vor, so geht die Partei auseinander.“ (Nachl. Koch -Weser, Nr. 34, S. 381–383).

Auch nach Beantwortung ihrer Fragen erklärten die Vertreter der Demokratischen Partei, wenngleich sie Vertrauen darauf hätten, daß die Reichswehr unter dem neuen Chef der Heeresleitung3 in guter Hand sei, müsse ihnen die Kritik doch unbenommen bleiben, und sie behielten sich zum Nachtragsetat des Reichswehrministeriums eigene Anträge vor.

3

General Heye.

Der Reichskanzler stellte fest, daß über derartige Anträge im Kreise der Regierungsparteien nochmals zu beraten sein würde.

Abgeordneter Scholz wendete sich mit sehr scharfen Worten gegen irgendwelche grundsätzlichen Änderungen in der Reichswehr. Die Reichswehr sei zur Zeit von sehr hoher Qualität, und es sei immer gefährlich, an bewährten Einrichtungen etwas zu ändern.

Gegenüber der Mitteilung des Reichswehrministers, daß in nächster Zeit noch weitere Personalveränderungen stattfinden würden, forderte Herr Abgeordneter Scholz, daß bei derartigen Revirements auf politische Gesinnung keinerlei Gewicht gelegt werden dürfe.

Der Abgeordnete von Guérard berichtete sodann über einen Kommentar zur Sitzung dieses Nachmittags, herausgegeben vom Verein Deutscher Presseverleger4, in dem darauf verwiesen wurde, daß die jetzt vorhandenen Beschwerdepunkte[447] gegen die Reichswehr größtenteils von der Kanzlerschaft Wirth her datierten.

4

Nicht zu ermitteln.

Es wurde von allen an der Besprechung Beteiligten festgestellt, daß aus der Besprechung heraus eine Indiskretion nicht begangen sei, sondern es sich nur um eine redaktionelle Kombination über die im Reichstag bekannt gewordene Sitzung handeln könne.

Ministerialdirektor Dr. Zechlin wurde mit Veröffentlichung eines Dementis der Nachricht durch W.T.B. beauftragt.

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