2.156.2 (ma31p): 2. Innenpolitische Lage.

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2. Innenpolitische Lage.

Der Reichsminister des Auswärtigen betonte nochmals, daß nach seiner Ansicht am besten keine außenpolitische Debatte am 16. und 17. Dezember im Reichstag stattfinde. Er werde es sehr begrüßen, wenn sich überhaupt eine politische Debatte vermeiden lasse.

Der Reichskanzler erklärte, man könne dieses Ziel vielleicht erreichen, wenn man der Sozialdemokratie rechtzeitig eröffne, daß man zu Verhandlungen über die Bildung der Großen Koalition bereit sei11.

11

Die SPD-Fraktion hatte angekündigt, sie werde bei der 3. Lesung des Nachtragsetats im RT, die am 16. 12. beginnen sollte, die Entscheidung über die künftige Gestaltung der RReg. herbeiführen; siehe Dok. Nr. 141, Anm. 16.

Der Staatssekretär in der Reichskanzlei führte in diesem Zusammenhang aus, der Abgeordnete Scheidemann habe ihm mitgeteilt, daß er von der Fraktion zum Redner für die große politische Aussprache im Reichstag bestimmt worden sei. Er und der Abgeordnete Hermann Müller hätten ihm auch erklärt, es lasse sich eine politische Aussprache dann vermeiden, wenn in der Regierungserklärung ein Satz des Inhalts enthalten sei, daß die Reichsregierung Verhandlungen über die Bildung der Großen Koalition begrüßen werde. Auch eine Aussprache über Militärfragen lasse sich dann nach der Mitteilung der Abgeordneten Hermann Müller und Scheidemann vielleicht vermeiden. Die Sozialdemokratie werde dann damit einverstanden sein, daß über Militärfragen lediglich in einer internen Besprechung zwischen dem Reichswehrminister, dem General Heye und dem Admiral Zenker einerseits und Mitgliedern der Sozialdemokratie andererseits am 16. Dezember früh verhandelt werde.

[455] Der Reichswehrminister erklärte auch eine Militärdebatte für bedenklich. Er gebrauche [sic] noch 2 bis 3 Wochen Zeit, um alle Beschwerden zu prüfen12, und übernehme die volle Verantwortung dafür, daß Mängel abgestellt würden. Die russischen Sachen seien seinerzeit durch das Auswärtige Amt gegangen.

12

Siehe das Schreiben von Müller-Franken und Wels an den RWeM vom 6. 12. (Dok. Nr. 138).

Der Reichskanzler bat zu erwägen, ob nicht über die Reichswehrfragen eine Erklärung der Reichsregierung formuliert werden könne, z. B. u. a. des Inhalts, daß irgendwelche Verbindung bei der Rekrutierung mit den Rechtsverbänden zu unterbleiben habe. Man könne dann diese formulierte Erklärung noch am Abend den Herren von der Sozialdemokratie und von der Demokratischen Partei vorlegen.

Der Reichsarbeitsminister betonte seine Auffassung, das Reichskabinett müsse sich dafür einsetzen, daß ein Rekrutierungsprogramm nach Löbeschem Muster13 nicht möglich sei.

13

Vgl. Dok. Nr. 96.

Der Reichswehrminister hielt eine Erklärung für nötig, daß nur Leute eingestellt würden, denen von der zuständigen Verwaltungsbehörde ihre Verfassungstreue bescheinigt werde.

Der Reichspostminister äußerte Bedenken dagegen, daß in der Regierungserklärung eine Bereitschaft zu Verhandlungen über die Große Koalition geäußert werde. Die Verhandlungen selber seien nach seiner Auffassung Sache der Parteien. Im übrigen bestehe doch auch die Möglichkeit, mit den Deutschnationalen zusammenzugehen. Darüber werde überhaupt nicht gesprochen.

Der Reichskanzler äußerte sich dahin, daß er für seine Person zur Zeit mit den Deutschnationalen nicht zusammengehen werde. Eine Außenpolitik in der bisherigen Richtung gemeinsam mit den Deutschnationalen sei nicht möglich. Er wolle nur an die letzte Rede des Abgeordneten von Freytagh-Loringhoven14 erinnern. Sicherlich würden auch die Demokraten nicht bereit sein, mit den Deutschnationalen gemeinsame Sache zu machen. Von dem Zentrum glaube er dasselbe sagen zu können.

14

Rede des Abg. v. Freytagh-Loringhoven in der außenpolitischen Debatte des RT am 24.11.26 (RT-Bd. 391, S. 8175  ff.).

Der Reichsminister der Finanzen vertrat den Standpunkt, daß eine Militärdebatte aus vaterländischen Gründen jetzt nicht möglich sei. Dieser Punkt müsse zur Bedingung der Großen Koalition gemacht werden.

Der Reichsminister des Auswärtigen äußerte sich in demselben Sinne.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß der entscheidende Punkt immer noch nicht geklärt sei. Die Deutsche Volkspartei müsse jetzt beschleunigt zu der Frage der Großen Koalition Stellung nehmen.

Nach kurzer Debatte hierüber faßte das Reichskabinett einstimmig folgenden Beschluß:

Der Reichskanzler wird vom Reichskabinett beauftragt, mit den Regierungsparteien darüber zu verhandeln, ob sie bereit sind, in Verhandlungen mit[456] der Sozialdemokratischen Partei mit dem Ziele der Bildung der Großen Koalition einzutreten15.

15

Siehe die Besprechung mit Vertretern der Regierungsparteien am 15. 12. um 15.30 Uhr (Dok. Nr. 157).

Der Reichspostminister erklärte jedoch ausdrücklich, daß er die Stellungnahme seiner Fraktion nicht kenne und nur unter diesem Vorbehalt dem Beschluß des Kabinetts zustimmen könne.

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