2.137.1 (mu21p): 1. Behandlung der Minderheitenfrage auf der Märztagung des Völkerbundsrates.

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1. Behandlung der Minderheitenfrage auf der Märztagung des Völkerbundsrates.

Der Reichsminister des Auswärtigen trug dem Reichskabinett den gegenwärtigen Sachstand in der Minderheitenfrage vor. Außer den deutschen Anträgen werde der Antrag des kanadischen Vertreters Dandurand eine wichtige Rolle spielen, wonach obligatorische Behandlung von Beschwerden der Minoritäten durch den Völkerbundsrat eingeführt werden solle2. Ein polnischer Antrag, alle Staaten dem Minderheitenschutz des Völkerbunds zu unterstellen, sei auf Veranlassung der mit Polen befreundeten Mächte wieder zurückgezogen worden. Deutscherseits werde in Genf in erster Linie die Änderung des Verfahrens beim Völkerbundsrat betrieben werden und zwar in Verbindung mit den Anregungen des kanadischen Vertreters. Grundsätzlich werde man sich gegen die von Herrn Mello-Franco und anderen vorgebrachte These wenden müssen, daß in allen Staaten die Minderheiten sich mit der Zeit zu assimilieren hätten3. Der Reichsminister des Auswärtigen machte darauf aufmerksam,[453] daß positive Beschlüsse während dieser Ratstagung wohl nicht zu erwarten seien. Es werde erforderlich sein, auch die Presse entsprechend zu informieren.

2

Minderheitenverträge zwischen einzelnen Staaten seien nur mit Zustimmung des Völkerbundes abzuändern, wenn sie unter dessen Garantie stünden, war in einer Denkschrift des AA vom Ende Februar 1929 ausgeführt worden. Ein deutscher Vorstoß auf Abänderung des Beschwerderechts werde daher zum Scheitern verurteilt sein. Die deutsche Delegation wolle sich für eine Studienkommission einsetzen, die als Aufgaben erhalten solle: „1. Aufstellung von Grundsätzen für die Stellung des Völkerbundrats als Garanten der geltenden Minderheitenschutzbestimmungen, 2. Vorschläge für eine Revision der jetzigen Prozedur bei Behandlung der Minderheitenbeschwerden, 3. Prüfung des von verschiedenen Seiten gemachten Vorschlags auf Schaffung einer ständigen Minderheitenkommission beim Völkerbund“ (R 43 I /561 , S. 43-58, hier: S. 53).

3

Die Fehler des Völkerbunds seien aus einer falschen Einstellung zu diesem Problem entstanden, war in der Denkschrift des AA vom Februar 1929 ausgeführt worden. „Charakteristisch für diese Einstellung sind die Ausführungen, die der brasilianische Vertreter Mello-Franco in der Ratstagung vom 9.12.25 und zwar in seiner Eigenschaft als Berichterstatter gemacht hat. Für ihn ist der Sinn der Minderheitenschutzverträge und der überwachenden Tätigkeit des Völkerbundsrats kein anderer, als das Aufgehen der Minderheit in dem neuen Staat, die Absorption der Minderheit durch das herrschende Staatsvolk vorzubereiten und zu erleichtern. Dieser Auffassung schlossen sich damals Chamberlain, Benesch und Hymans ausdrücklich an. Da sich sonst keinerlei Widerspruch geltend machte, glaubte der Grieche Politis auf der Bundesversammlung 1928 die Behauptung aufstellen zu können, die Rede Mello-Francos sei ein vom Völkerbund angenommener Bericht“ (R 43 I /561 , S. 43-58, hier: S. 50f).

Das Reichskabinett erklärte sich mit den vom Reichsminister des Auswärtigen vorgetragenen Gedankengängen einverstanden. Diesem Einverständnis schloß sich für die preußische Staatsregierung Staatssekretär Dr. Weismann an4.

4

Zu den Verhandlungen des Völkerbunds s. Schultheß 1929, S. 527 ff. Zu den Märzberatungen stellte das AA fest: Deutschland habe erreicht, daß die Prüfung der Minderheitenklage einige Tage vor der Juni-Tagung durch alle Ratsmitglieder erfolgen solle. Der Angelegenheit sei damit „gebührend Rechnung“ getragen worden. Zwar würden jetzt alle Mitglieder des Völkerbunds Stellung nehmen können, doch sei mit weiteren Widerständen zu rechnen (Runderlaß vom 20.3.29; R 43 I /494 , Bl. 279-287, hier: Bl. 282f).

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