2.165.2 (mu21p): 2. Einreisegesuch Trotzkis.

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2. Einreisegesuch Trotzkis7.

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In dieser Angelegenheit hatte Pünder dem RAM am 19. 3. geschrieben: „Unerledigt hängt noch immer die leidige Angelegenheit Trotzki. Der Herr RK hat einen verhältnismäßig schweren Standpunkt bei seinen eigenen Freunden, zumal auch der PrIM und überhaupt das PrStMin. bereits mehrfach mehr oder weniger deutlich haben erkennen lassen, daß sie keinerlei Schwierigkeiten machen würden. Alle solche Anzapfungen haben indessen den Herrn RK in keiner Weise wankelmütig gemacht […]“ (BA: Nachlaß Pünder  30).

Der Reichsminister des Auswärtigen trug vor, daß eine Beschlußfassung des Reichskabinetts auf das Einreisegesuch Trotzkis nicht länger hinausgezögert werden könne, damit die unerwünschte Polemik in der Presse über diese Angelegenheit nicht weiter fortgesetzt werde. Er beantragte zu beschließen, dem Einreisegesuch Trotzkis nicht stattzugeben. Bekanntlich habe in einem früheren Stadium der Angelegenheit die Sowjet-Regierung bei der deutschen Botschaft in Moskau angefragt, ob die deutsche Regierung bereit sein würde, Trotzki den Aufenthalt in Deutschland zu gestatten. Die Reichsregierung habe die russische Regierung damals gebeten, von der Stellung eines offiziellen Antrages zugunsten Trotzkis abzusehen. Die Sowjet-Regierung habe sich mit dieser Stellungnahme der Reichsregierung abgefunden und sei auf die Angelegenheit nicht mehr zurückgekommen. Es sei daher aus außenpolitischen Gründen nicht möglich, auf die jetzt vorliegende private Bitte von Trotzki auf Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland eine zustimmende Antwort zu geben, ohne die russische Regierung vor den Kopf zu stoßen. Übrigens sei das Gesuch Trotzkis nicht etwa mit Krankheit begründet, vielmehr habe Trotzki seine Bitte damit begründet, daß er deutsche Büchereien benutzen wolle, um seine Autobiographie schreiben zu können. Der Reichsminister des Auswärtigen erklärte ferner, daß man die innerpolitischen Schwierigkeiten, die mit der Versagung des Asylrechts begründet würden, nicht allzu hoch einzuschätzen brauche. Trotzki habe in der Türkei ein Asyl gefunden; dort werde für seine Sicherheit weitgehendst Sorge getragen, und er sei in der Türkei wahrscheinlich erheblich weniger gefährdet als in Deutschland.

Der Reichskanzler stimmte den Ausführungen des Reichsministers des Auswärtigen in ihren Endzielen zu.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß er davon Abstand nehmen wolle, sich für die Genehmigung des Gesuchs Trotzkis einzusetzen, da er annehme, daß sich die Mehrheit des Kabinetts für den Vorschlag des Reichsministers des Auswärtigen entscheiden werde; es sei aber sicher, daß die Entscheidung des Kabinetts innerpolitische Schwierigkeiten im Gefolge haben werde. Mit Rücksicht darauf bat er, den ablehnenden Beschluß des Kabinetts solange nicht zu veröffentlichen, bis die schwebenden Verhandlungen über die Umbildung der Regierung erledigt seien. Er halte es für unerwünscht, die ohnehin schwierigen Verhandlungen durch die Angelegenheit Trotzki zu belasten.

[531] Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß er für Zurückstellung der Angelegenheit bis zur Erledigung der Umbildung des Kabinetts sei.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß, wenn das Kabinett heute entsprechend dem Vorschlage des Reichsministers des Auswärtigen Beschluß fasse, mit der Veröffentlichung des Kabinettsbeschlusses in der Presse schon aus dem Grunde einige Tage gewartet werden müsse, daß der Kabinettsbeschluß ja zunächst auf diplomatischem Wege über den deutschen Botschafter in Angora an Trotzki in Konstantinopel weitergeleitet werden müsse. Es gehe nicht an, daß Trotzki die Ablehnung seines Gesuches aus der Zeitung erfahre, bevor sie ihm auf amtlichem Wege mitgeteilt worden sei. Die amtliche Übermittlung werde sicherlich einige Tage in Anspruch nehmen und daher die bevorstehenden Verhandlungen über die Regierungsumbildung nicht belasten.

Staatssekretär Zweigert erklärte, daß er dem auf einer Dienstreise abwesenden Herrn Reichsminister Severing nicht mehr habe mitteilen können, daß die Angelegenheit Trotzki heute im Kabinett beraten werde. Er wisse aber, daß Reichsminister Severing eine etwaige Genehmigung des Gesuchs Trotzkis innerpolitisch für tragbar halte. Wie Reichsminister Severing zu den außenpolitischen Argumenten des Reichsministers des Auswärtigen stehe, sei ihm nicht bekannt.

Das Reichskabinett beschloß mit Mehrheit, entsprechend dem Vorschlag des Reichsministers des Auswärtigen, dem Einreisegesuch nicht stattzugeben. Mit der Veröffentlichung dieses Kabinettsbeschlusses soll einige Tage gewartet werden, bis Trotzki der Beschluß des Kabinetts auf amtlichem Wege in Konstantinopel zugegangen ist8.

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In der Ministerbesprechung am 11. 4. teilte der RAM mit, daß er beabsichtige, die Instruktionen abzuschicken. Das RKab. war einverstanden.

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