1.124.1 (mu22p): Reichsfinanzreform.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

Reichsfinanzreform.

Der Reichskanzler bemerkte, daß er eine kurze Aussprache des Kabinetts über die durch die Haltung der Koalitionsparteien in der voraufgegangenen Debatte in der Vollsitzung des Reichstags über das Finanzprogramm der Reichsregierung geschaffene Lage für erforderlich gehalten habe1.

1

Siehe zur Debatte über die Regierungserklärung RT-Bd. 426, S. 3543  ff. Trotz Bedenken ihrer Parteien hatten die Abgeordneten Brüning (Zentrum), Hoff (DVP), Leicht (BVP) und Reinhold (DDP) die Bereitschaft zur Mitarbeit am Sofort-Programm erklärt, wenn alle Regierungsparteien sich beteiligen würden; dagegen hatte Breitscheid die Beteiligung der SPD fraglich erscheinen lassen. – Bereits am Vormittag war eine Sitzung der Fraktionsführer ergebnislos verlaufen (Tagebuch Pünders am 15. 12., Politik in der Rkei, S. 31).

Reichsminister Curtius erklärte, daß nach der Auffassung der Deutschen Volkspartei die Situation durch die Ausführungen des Sprechers der Sozialdemokratie Dr. Breitscheid eine derartige Versteifung erfahren habe, daß kaum noch eine Lösung der Krise erhofft werden könne. Er stellte die Frage zur Debatte, was zu geschehen habe, wenn das Reichskabinett am Schlusse der Aussprache[1255] in der Vollsitzung die Feststellung treffen müsse, daß eine Einigung der Koalitionsparteien nicht möglich gewesen sei, und daß das Kabinett deshalb zurücktreten müsse. Er erklärte weiter auf das Bestimmteste darauf hinweisen zu müssen, daß die Volkspartei sich mit einem allgemeinen Vertrauensvotum nicht zufrieden geben könne, und daß sich seine Fraktion in die Notwendigkeit versetzt sehen werde, ihre beiden Minister aus der Reichsregierung zurückzuziehen, wenn das von der Reichsregierung bisher geforderte, das Finanzprogramm ausdrücklich mit umfassende Vertrauensvotum nicht zustande kommen sollte.

Es wurde festgestellt, daß der Abgeordnete Dr. Breitscheid am Schlusse seiner Rede in der Vollsitzung des Reichstags den Standpunkt der Sozialdemokratischen Partei zum Finanzprogramm der Reichsregierung in folgender Form zum Ausdruck gebracht hat2:

2

RT-Bd. 426, S. 3561 .

„Die Sozialdemokratie ist bereit, an einer Finanzreform, die diese Ziele verfolgt, mitzuwirken. Das gilt auch für das sogenannte Sofortprogramm. Sie läßt sich dabei in erster Linie von der hohen Verantwortung leiten, die ihr durch ihre Stellung in der demokratischen Republik zugewiesen ist.

Wenn sie im gegenwärtigen Augenblick zu den von der Reichsregierung vorgelegten Grundzügen der Finanzreform nicht abschließend Stellung nimmt, so vor allem deswegen, weil die ungünstige Entwicklung der Finanzverhältnisse des Reiches es fraglich erscheinen läßt, ob die Voraussetzungen für eine so umfangreiche Steuersenkung, wie die Regierung sie plant, gegeben sind.“

Reichsminister Curtius stellte, ohne Widerspruch zu finden, fest, daß aus dieser Erklärung das von der Reichsregierung geforderte Vertrauen zum Regierungsprogramm nicht herausgelesen werden könne.

Auf Vorschlag des Reichskanzlers beschloß das Kabinett, die Parteiführer auf abends 11 Uhr zu einer erneuten Aussprache zur Sache in die Reichskanzlei einzuladen3.

3

Siehe Dok. Nr. 381. Zuvor fand ein Diner beim RPräs. statt (Tagebuch Pünders vom 15. 12., Politik in der Rkei, S. 31).

Extras (Fußzeile):