2.150.1 (wir1p): Reparationsfragen.

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Reparationsfragen.

Die Anwesenden nahmen Kenntnis von der gestern Abend eingegangenen Antwort der Industrie auf das Ersuchen des Reichskanzlers um Aufnahme eines kurzfristigen Kredits1.

1

Der Reichsverband der Deutschen Industrie hatte mit folgendem Schreiben vom 18.11.1921 das Schreiben des RK vom 12.11.21 (siehe Dok. Nr. 142 Anm. 3) beantwortet: „Herr Reichskanzler! In Beantwortung des Schreibens vom 12. 11. stellen wir in Übereinstimmung mit dem Herrn Reichskanzler fest, daß die an uns gestellte Anfrage über die Gewährung eines kurzfristigen Kredits von etwa 500 Millionen Goldmark zur Abdeckung der im Januar und Februar fälligen Raten der Reparationszahlungen aus dem Rahmen der von uns bisher betriebenen Kreditaktion herausfällt, und nach Ansicht des Herrn Reichskanzlers unabhängig von dieser behandelt werden soll. Nach eingehenden Beratungen unter Mitwirkung der vom Zentralverband des deutschen Bank und Bankiergewerbes eingesetzten Kommission sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß die Voraussetzungen für einen kurzfristigen Kredit nicht gegeben sind, weil dessen pünktliche Rückzahlung nicht gewährleistet werden kann. Auch sind die der deutschen Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Devisen unbedingt erforderlich für die notwendige Beschaffung von Rohstoffen und Lebensmitteln und zur Erfüllung von bereits eingegangenen Verpflichtungen. Wir können uns die Beschaffung der für die Abdeckung der Januar- und Februarraten erforderlichen Devisen unter Mitwirkung der Industrie nur so vorstellen, daß die von uns eingeleitete und mit größtem Ernst gemeinsam mit den Banken fortgesetzte Aktion zur Erlangung eines langfristigen Kredits im Wege der Verhandlung mit den Anleihegläubigern zu einer Vorschußleistung führt, wobei die Voraussetzungen, die in den Ihnen bekannten Entschließungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie vom 25. 9. und 5. 11. sowie in den Ihnen in deren Verfolg gegebenen Erklärungen aufgestellt sind, nach wie vor maßgebend bleiben. Es wird unverzüglich durch geeignete Unterhändler festgestellt werden, ob und unter welchen Bedingungen es möglich ist, auf dieser Grundlage eine langfristige Anleihe abzuschließen.“ Frowein und Bücher hatten das Schreiben gezeichnet (R 43 I /2449 , Bl. 373 f.).

Staatssekretär von Simson berichtete über seine gestrige Besprechung mit Bemelmans2 und verlas eine Erklärung, die er im Einverständnis mit Bemelmans[412] aufgesetzt hatte und die er für geeignet hielt, der Reparationskommission beim heutigen Empfang vom Reichskanzler übermittelt zu werden3. Die Industrieaktion hätte er mit Absicht in dem Schreiben nicht erwähnt, weil er es für zweckmäßig hielt, daß der Reichskanzler über sie mündlich berichte.

2

Zwei stark redigierte Aufzeichnungen von Simsons vom 18.11.21 über eine Besprechung mit Bemelmans in R 43 I /22 , Bl. 166-171. Bemelmans, der ausdrücklich betont hatte, unverbindlich und nur für seine Person zu sprechen, hatte u. a. gesagt, „daß nur eine verschwindende Minderheit innerhalb der Kommission der Meinung sei, daß Deutschland auch ohne Kreditoperation die Januar- und Februarrate bezahlen könne. Alle anderen seien der Überzeugung, daß die Aufnahme eines Kredits unvermeidlich sei und daß hierin, selbst wenn man das bisherige Verhalten der Deutschen Regierung – namentlich in Bezug auf Steuergesetzgebung und Notendruck – für fehlerhaft halte, ein genügender Beweis guten Willens zu erblicken sei.“ (R 43 I /22 , Bl. 166-168, hier: Bl. 167).

3

Aus den in Anm. 2 gekennzeichneten Aufzeichnungen von Simsons hatte sich der in Anm. 4 durch Spitzklammern gekennzeichnete Passus herauskristallisiert.

Ministerialdirektor Fischer hielt es für bedenklich zu erklären, daß es auf die Bedingungen des Geldgebers allein ankomme. Es sei wohl möglich, daß der Geldgeber Bedingungen stelle, die für das in dem Schreiben als Kreditnehmer erwähnte Reich aus politischen Erwägungen annehmbar, dagegen für die Industrie aus wirtschaftlichen Gründen ruinös seien. Nach weiterer Erörterung wurde beschlossen, daß den gegebenen Anregungen entsprechend das Schreiben abgeändert werden solle4. Über die Industrieaktion soll in ihm nichts erwähnt werden.

4

Die endgültige Fassung der am 19.11.1921 der Repko überreichten Note lautet: „Unter Bezugnahme auf die Besprechungen, die ich wegen der Bezahlung der im Januar und Februar 1922 fälligen Reparationszahlungen mit Ihnen und den anderen Mitgliedern der Reparationskommission geführt habe, beehre ich mich Ihnen folgendes mitzuteilen: <die Deutsche Regierung geht davon aus, daß es an und für sich nicht dem Sinne der Bestimmungen des Zahlungsplanes von London entspricht, zur Aufbringung der Jahresannuitäten zu dem Mittel des Kredits zu greifen. Sie ist aber, um einen Beweis ihres guten Willens zu geben, bereit, eine solche Kreditoperation vorzunehmen. Für die Frage, unter welchen Bedingungen ein Kredit genommen werden würde, kommt es in erster Linie auf die Vorschläge desjenigen an, der das Geld herleihen soll. Die deutsche Regierung ist bereit und hat auch bereits Schritte getan, um sich einen Kredit zu verschaffen. Sie bittet die Reparationskommission, sie hierbei unterstützen zu wollen. Sie fühlt sich jedoch verpflichtet, schon jetzt darauf aufmerksam zu machen, daß für die Zeit der Rückzahlung des Kredits eine außerordentlich schwierige Lage mit Rücksicht auf die sonstigen Verpflichtungen des Reiches entstehen wird, und sie erwartet von der Reparationskommission, daß sie dieser besonderen Lage Rechnung tragen wird.>“ (R 43 I /22 , Bl. 174).

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