2.78 (bru1p): Nr. 78 Vermerk des Staatssekretärs Pünder über Besprechungen wegen der Bürgerabgabe. 14. Juli 1930

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[319] Nr. 78
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über Besprechungen wegen der Bürgerabgabe. 14. Juli 1930

R 43 I /2365 , Bl. 226

In der Besprechung, die am vergangenen Sonnabend nachmittag der Vizekanzler und Reichsfinanzminister Dietrich mit den Finanzsachverständigen der Regierungsparteien hatte, war abschließend verabredet worden, daß vor Unterzeichnung des Initiativantrags der Regierungsparteien zum Deckungsprogramm versucht werden sollte, den Plänen über die Einführung einer Bürgerabgabe eine gesetzliche Gestalt zu geben, die es allen Regierungsparteien möglich mache, mitzumachen. Die weitere Besprechung hat dann am gestrigen Sonntag vormittag zwischen 10 Uhr vormittags und 2 Uhr nachmittags stattgefunden, unter Beteiligung der Kommissare des Reichsfinanzministeriums und des Unterzeichneten. Anwesend waren ferner der Preußische Finanzminister Dr. Höpker Aschoff mit Ministerialdirektor Dr. Hog, der württembergische Gesandte Dr. Bosler, der bayerische Ministerialdirektor Dr. Hammer und der badische Ministerialdirektor Dr. Kempff. Die vierstündige Besprechung, die sich zunächst angesichts der sehr erheblichen und zum größten Teile sicher auch berechtigten sachlichen Bedenken des Herrn Preußischen Finanzministers sehr schwierig gestaltete, führte schließlich aber, nachdem wir auf eine Durchberatung der einzelnen Paragraphen gedrungen hatten, doch zu einem vollen Ergebnis, wenigstens in diesem Kreise.

Diese interfraktionelle Besprechung war daher außerordentlich bedeutsam und ist vielleicht der Wendepunkt in dem wechselvollen Spiel der schwierigen politischen Lage in diesem Sommer gewesen. Abschließend haben wir den Fraktionsvertretern zugesagt, den in dieser Besprechung in seinen Einzelheiten festgelegten Entwurf am heutigen Montag vormittag den Fraktionsführern zuzustellen. Dafür sollten die 6 Fraktionen der Regierungsparteien der Reichsregierung bis heute nachmittag 4 Uhr der Reichsregierung ihre endgültige Stellungnahme mitteilen1. Das Ergebnis dieser Fraktionssitzungen bleibt abzuwarten. Es wurde aber von den anwesenden Sachverständigen der Regierungsparteien – jeder für seine Fraktion – durchaus günstig beurteilt.

1

S. Dok. Nr. 77.

Im Anschluß an diese Sonntagsbesprechung sprach ich Herrn Preußischen Finanzminister Dr. Höpker Aschoff auf die gesamtpolitische Lage an. Er betonte zwar, daß seine positive Mitarbeit an diesen Verhandlungen nicht den Schluß zu einer Zustimmung der Preußischen Staatsregierung zu dem Entwurf einer Bürgerabgabe rechtfertige. Er fügte aber vertraulich hinzu, daß es natürlich der Preußischen Regierung im Endstadium kaum möglich sein werde, politische Schwierigkeiten zu machen, in welcher Auffassung ich ihn sehr stark unterstützte. Er hielt es abschließend für wahrscheinlich, daß die Preußische Regierung in einer Erklärung ihre starken sachlichen Bedenken gegen die Bürgerabgabe[320] zum Ausdruck bringen werde, daß sie dann aber den Gesetzentwurf im Reichsrat passieren lassen würde. Er bestätigte mir übrigens ganz freimütig meine Auffassung, daß es der Preußischen Staatsregierung sogar recht erwünscht sein müsse, wenn diese politische Frage der Bürgerabgabe jetzt schon reichsgesetzlich geregelt werde, da sie sonst als sehr schwieriges Problem im Herbst den Preußischen Landtag zweifellos beschäftigt haben würde.

Pünder

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