1.104.2 (bru3p): Stillhalteverhandlungen.

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Stillhalteverhandlungen.

Der Reichsbankpräsident berichtete sodann in großen Zügen über den Stand der Stillhalteverhandlungen20. Er führte aus, daß greifbare Ergebnisse noch nicht erzielt seien. Einig sei man im wesentlichen wohl nur darüber, daß das gegenwärtige Stillhalteabkommen grundsätzlich um ein weiteres Jahr verlängert werden solle. Bei den Verhandlungen spielten zwei Systeme eine Rolle. Der erste Vorschlag gehe von Herrn Wiggin aus. Er beziehe sich nur auf die Kassenkredite und zwar nur auf die an die Banken gegebenen Kassenkredite, nicht aber auch auf die Kredite der Industrie. Die Bankenkredite sollen über eine Maschinerie geleitet werden, die eine Art Trust darstelle. 10% der Kredite sollten durch zusätzliche Sicherheiten, die der Trust zu verwalten habe, gedeckt werden. Das ursprüngliche Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner soll jedoch aufrechterhalten bleiben. Der Gläubiger soll durch die Einbringung in den Trust die Möglichkeit erhalten, sich für den durch die zusätzlichen Sicherheiten gedeckten 10%igen Teilbetrag Bonds ausstellen zu lassen. Diese Bonds sollen ein teilweises Liquidemachen der Gläubigerforderung erleichtern. Im übrigen soll die Rückzahlung nach einem bestimmten Plan etwa binnen zehn Jahren erfolgen. Der zweite Vorschlag gehe auf eine Schweizer Anregung zurück. Er knüpfe an das Vorgehen einzelner Schweizer Banken an, die ihre kurzfristigen Forderungen in Hypotheken umgewandelt hätten. Aus diesem Einzelvorgehen soll eine Methode gemacht werden. Dem Gläubiger soll das Recht eingeräumt werden, für bestimmte Prozentsätze seiner Forderung eine Umwandlung in Anlagewerte zu verlangen, sofern er bereit ist, auf eine fünfjährige Sperrfrist einzugehen. Die Umwandlung soll nur mit Zustimmung der Reichsbank möglich sein21.

20

Vgl. Dok. Nr. 604.

21

Vgl. Dok. Nr. 625.

Jedenfalls soll der Reichsbank ein Widerspruchsrecht gegen die Umwandlung zustehen. Schwierig sei dabei die Auswahl der Werte, in die die Umwandlung sich[2147] vollziehen solle. Die Reichsbank werde auf die vorgeschlagene Lösung nur dann eingehen, wenn die Reichsregierung zustimme und wenn die Ausübung des Widerspruchsrechts an die Mitwirkung des Ausschusses geknüpft werde. Ob von der Umwandlungsmöglichkeit in weitgehendem Umfange praktischer Gebrauch gemacht werden würde, lasse sich zur Zeit gar nicht übersehen. Solange der gegenwärtige Krisenzustand andauere und vor allen Dingen solange die Reparationsfrage nicht in beruhigender Weise erledigt sei, werde sich kaum ein Gläubiger veranlaßt sehen, sich auf fünf Jahre in deutschen Werten festzulegen.

Nicht weniger schwierig wie die Verhandlungen über die Kassenkredite verliefen die Verhandlungen über die Aufrechterhaltung bzw. Rückzahlung der Akzeptkredite. Über die Zinsfrage habe man sich noch in keiner Weise einigen können. Noch viel weniger über die Rückzahlung gewisser Teile. Die Ausländer seien geradezu versessen darauf, daß ähnlich wie bei den Kassenkrediten auch bei den Akzeptkrediten Rückzahlungen erreicht werden. Sie schienen eingesehen zu haben, daß jedenfalls im ersten Jahr an eine Rückzahlung nicht zu denken sei.

Eine große Rolle spiele bei den Verhandlungen ferner die Frage der gleichmäßigen Behandlung. Man wünsche eine Kontrolle gegen die Hergabe von Devisen für andere Zwecke wie für die Zwecke der kurzfristigen Kredite. Zu diesem Zwecke sei die Einsetzung eines Devisenkommissars angeregt worden.

Wie lange die Stillhalteverhandlungen sich noch hinziehen würden, könnte er nicht übersehen22.

22

Zu diesen Ausführungen des RbkPräs. vgl. auch Luthers Tagesbericht im Nachl. Luther , Nr. 339, Bl. 296–299.

Der Reichswirtschaftsminister antwortete, daß die Umwandlungsmöglichkeit in deutsche Anlagen, wenn man sie überhaupt für möglich halte, von bestimmten Kautelen abhängig gemacht werden müsse. Man muß versuchen, eine Liste von Werten aufzustellen, die für die Umwandlung in Frage kommen könnten. Ferner müsse auch der Prozentsatz der Kredite, die umgewandelt werden könnten, möglichst geringgehalten werden.

Zur Frage des Devisenkommissars erklärte er, mit Befriedigung davon Kenntnis zu nehmen, daß die Reichsbank in dieser Frage ihre Neutralität aufgegeben habe23. Er empfahl, diese Frage in gesonderten Besprechungen weiterzuverfolgen24.

23

Vgl. hierzu Dok. Nr. 577, P. 5 und Dok. Nr. 589.

24

Über den Devisenkommissar fand am 8.1.32 eine Besprechung zwischen RK, RWiM und RbkPräs. statt: siehe die Aufzeichnung Luthers im Nachl. Luther , Nr. 339, Bl. 274–278. Vgl. jedoch auch Dok. Nr. 625.

Der Reichskanzler erklärte, daß die Stillhalteverhandlungen bisher als private Sache zwischen Gläubigern und Schuldnern behandelt worden seien. Aus diesem Grunde widerstrebe es ihm, allzustark von Regierungs wegen in die Verhandlungen einzugreifen. Immerhin glaube er damit einverstanden sein zu können, daß in den Verhandlungen die Frage der Umwandlungsmöglichkeit kurzfristiger Schulden in langfristige Anlagen weiterverfolgt werde. Zu einer abschließenden Stellungnahme sei er im Augenblick jedoch noch nicht in der Lage25.

25

Zur Fortsetzung der Beratung siehe Dok. Nr. 625.

Die Sitzung wurde darauf geschlossen.

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