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[884] Nr. 197
Aufzeichnung über den Stand der Verhandlungen der Firma Krupp mit den Franzosen. 29. Oktober 1923
R 43 I/453, Bl. 153–1551
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Die Aufzeichnung ist nicht gezeichnet. Sie stammt evtl. von StS Kempkes, der ihre vertrauliche Versendung an den RMbesGeb., das AA, den RFM, den RWiM und den RArbM verfügte (R 43 I/453, Bl. 156).
Herr Dr. Sorge2 berichtet heute über den Stand der Verhandlungen, welche die Firma Krupp mit den Franzosen gepflogen hat. Die bisherigen Verhandlungen hätten zu einer, allerdings noch nicht definitiv festgelegten Einigung geführt. Er nehme an, daß am Dienstag den 30. Oktober ihnen ein auf diese mündlichen Verhandlungen sich aufbauender Vertragsentwurf zugesandt würde, der voraussichtlich Mittwoch mit definitiven Abschluß führen würde.
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K. O. Sorge war Mitglied des Krupp-Direktoriums und des Aufsichtsrats der Firma sowie Vorsitzender des RdI.
Die Grundlage der Verhandlungen bestehe darin3, daß
a) die Lieferung der Reparationskohle von den Franzosen nach wie vor verlangt würde, und zwar von Kohle etwa 12%, von Koks etwa 18%. Irgendwelches Nachgeben der Franzosen in diesem Punkte sei ausgeschlossen.
b) Verfallene Kohlensteuer.
Hier sind die Franzosen mit ihrer unrprünglichen Gesamtberechnung der verfallenen Raten, die man im ganzen wohl als richtig ansehen müsse, auf den vierten Teil heruntergegangen. Auf diesen von der Firma Krupp zu zahlenden vierten Teil werden weiter angerechnet die Abfuhren von Material, die bisher von den Franzosen vorgenommen sind, allerdings mit Ausnahme der Abfuhr von Kohle und solcher Produkte, die sie als für Restitutionen geleistet, bezeichnen. Von der danach verbleibenden Summe sollen 10% sofort, der Rest in weiteren noch zu vereinbarenden Raten gezahlt werden.
c) Bei der zukünftig fällig werdenden Kohlensteuer.
Hier sind die Franzosen bereit, von den grundsätzlich verlangten 40% auf 20 herunterzugehen. Auch scheint man auf französischer Seite den Standpunkt der Firma Krupp zu akzeptieren, daß in der Übernahme der Zahlung keine grundsätzliche Anerkennung der französischen Berechtigung zur Erhebung von Kohlensteuer liegen solle. Es ist daher eine vorläufige Abmachung in Aussicht genommen, wonach die Firma Krupp einen Dreimonatswechsel über 5 Millionen Franken der Französischen Regierung übergibt, dessen Summe sich definitiv regelt nach dem Ergebnis der weiter kommenden Verhandlungen, sei es mit Krupp oder mit der Sechserkommission oder evtl. mit dem Reiche.
Demgegenüber haben die französischen Vertreter sich bereit erklärt, weitere Abfuhren fertiggestellter Produkte nicht mehr vorzunehmen und die erfolgten Beschlagnahmen insoweit aufzuheben, als Zahlungen erfolgen.
[885] Ferner ist die Freigabe der Ausfuhr ins Ausland und das unbesetzte Gebiet zugesichert nach Maßgabe der Ausfuhr des Jahres 1922, wobei Herr Dr. Sorge bisher der Auffassung ist, daß auch für die Ausfuhr ins unbesetzte Gebiet die Ausfuhr des Jahres 1922 maßgebend sein soll. Zölle und Abgaben sollen von Frankreich hierfür nicht erhoben werden, dagegen ist eine kleine Lizenz, etwa 5%, vorgesehen zur Deckung der französischen Verwaltungskosten.
Von den ausgewiesenen Personen soll ein Teil zurückkommen. Die Verwaltung der Firma Krupp soll darüber eine Liste vorlegen, um eine Verständigung über die einzelnen für den Geschäftsbetrieb gebrauchten Kräfte herbeizuführen. Eine Entlassung des Herrn Krupp v. Bohlen oder der verurteilten Direktoren kommt einstweilen nicht in Frage, da der General Degoutte nur zur Erteilung eines Strafaufschubs, nicht aber zur vollständigen Entlassung berechtigt sei4.
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Das Krupp-Direktorium, insgesamt 10 Personen, war Anfang Mai verhaftet und am 8. Mai wegen Machinationen gegen die Sicherheit der Besatzungsgruppen und Störung der öffentlichen Ordnung zu Strafen zwischen 10 und 20 Jahren Gefängnis sowie 50 und 100 Mill. M. (zusammen 145½ Jahre und 850 Mill. M) verurteilt worden (Ursachen und Folgen V, Dok. Nr. 1045). Am 26.10.23 wurde aus Essen gemeldet: Krupp und drei seiner Direktoren seien „zur Erledigung dringender geschäftlicher Angelegenheiten“ für eine Woche aus der Haft entlassen („Die Zeit“, Nr. 249 vom 27.10.23).
Herr Dr. Sorge bemerkt dazu noch, daß die Firma Krupp versuche, in der ganzen Verhandlung in enger Fühlung mit der Sechserkommission zu handeln, daß sie aber doch bei der Verschiedenheit der Interessen und zur Verhütung der Entlassung von 35 000 Arbeitern in Essen, die endgültige Entscheidung allein treffen müsse.
Er bittet, die Einzelheiten vertraulich zu behandeln, einstweilen auch gegenüber den übrigen verhandelnden Unternehmern5.
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Vortr.LegR Ritter forderte in einem Schreiben an Dr. Sorge vom 15.11.23 dazu auf, ihm den nun mehrfach versprochenen Text der Vereinbarung zwischen der Firma und den Besatzungsbehörden zu übermitteln. „Es wäre doch an sich ein seltsamer Zustand, daß ein Abkommen einer deutschen Firma, das erhebliche politische Interessen stark berührt, einer fremden Regierung nun seit über einer Woche bekannt ist, der Deutschen Regierung aber nicht bekannt wird“ (R 43 I/453, Bl. 254).