2.72 (bru1p): Nr. 72 Generalmajor von Schleicher an den Reichsminister der Finanzen, 10. Juli 1930

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Nr. 72
Generalmajor von Schleicher an den Reichsminister der Finanzen, 10. Juli 1930

R 43 I /2365 , Bl. 202 Abschrift

[Kürzungen am Wehretat]

Sehr verehrter Herr Reichsminister!

Auf Ihr Schreiben vom 9. Juli […] muß ich Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen, daß ich das in dem Schreiben vorgeschlagene Verfahren nicht akzeptieren kann1. Ich habe in der entscheidenden Kabinettssitzung2 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Ersparnisse am Wehretat, denen der Herr Reichswehrminister sich in Anbetracht unserer gespannten Finanzlage nicht entziehen wolle, für ihn nur in Frage kämen, wenn sie ohne Verhandlungen im[294] Parlament und in der Öffentlichkeit durchgeführt würden. Darüber hinaus hat mir der Herr Reichskanzler zugesagt, daß dem Wehrministerium vollkommen freie Hand gelassen würde, in welcher Weise es die Ersparnisse durchführt, und daß der Reichswehr die in diesem Etatjahr ersparte Summe im nächsten Etat wieder erstattet würde. In diesem Sinne habe ich dem Herrn Reichswehrminister Vortrag gehalten und auch nur unter diesen Bedingungen seine Zustimmung zu den Kürzungen erhalten. Der Herr Reichswehrminister wird also lediglich die bindende Erklärung abgeben, daß er eine bestimmte Summe – die in dem Schreiben angegebenen 14 Millionen will mir allerdings kaum möglich erscheinen – bis zum Ende des Etatjahres ersparen wird, sich aber aber jetzt auf Verhandlungen, wo und wie er diese Summe einsparen wird, nicht einlasse. Jedes andere, auch das jetzt von Ihnen vorgeschlagene Verfahren, muß und wird zwangsläufig zu den schwerwiegenden politischen Folgen führen3, auf die ich in der oben erwähnten Kabinettssitzung hingewiesen habe.

1

Der RFM hatte in einem Schnellbrief an die RMM vom 9.7.30 an den Kabinettsbeschluß vom 25.6.30 (Dok. Nr. 56) erinnert, „an den Haushaltsansätzen des Etats für 1930 insgesamt 100 Millionen RM zu ersparen“, und darum gebeten, „Ihre Referenten anzuweisen, alsbald gemeinsam mit meinen Referenten die Arbeit aufzunehmen und sich bei den Kürzungen nicht von der Rücksicht auf die Sachinteressen des eigenen Ressorts, sondern von dem großen politischen Gesichtspunkt der Notwendigkeit einschneidender Sparmaßnahmen leiten zu lassen“ (R 43 I /2365 , Bl. 194–197). StS Pünder bat in einem Schreiben vom 11.7.30 im Auftrag des RK den RFM um eine Verschiebung der Referentenbesprechungen, weil „in der bekanntlich noch völlig ungeklärten politischen Situation der vom Reichsfinanzministerium vorgesehenen Streichungen noch zu weiteren politischen Schwierigkeiten führen könnte, die bei einer etwas zögerlichen Erledigung vermieden werden könnten“ (Konzept des Schreibens in R 43 I /2365 , Bl. 198).

2

Am 25.6.30 hatte sich das Kabinett geeinigt, die Einzelersparnisse der Ressorts in Besprechungen mit dem RFM festzusetzen (s. Dok. Nr. 56). Laut Protokoll hatte Schleicher jedoch nicht in dieser Kabinettssitzung, sondern in der Ministerbesprechung vom 27.6.30 (Dok. Nr. 57, P. 2) erklärt, er sei nicht in der Lage, der Entscheidung des abwesenden RWeM vorzugreifen.

3

Der RFM behielt sich in seiner Antwort an den RWeM dagegen grundsätzlich vor, „mit Ihnen in Verbindung zu treten, sofern etwa im Einzelfalle vom Standpunkte des Finanzressorts Bedenken gegen die Auswahl der Titel für die Einsparungen zu erheben sein sollten“ (Abschrift eines Schreibens des RFM an den RWeM vom 22.7.30 in R 43 I  /2366 , Bl. 15).

Abschrift des Schreibens habe ich dem Herrn Reichskanzler übersandt4.

4

Die Vorlage trägt den Sichtvermerk des RK vom 12.7.30.

Mit der Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung

Ihr sehr ergebener

gez. von Schleicher

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