1.127.4 (bru3p): 4. Wahl eines Mitgliedes für den Verwaltungsrat der deutschen Reichsbahngesellschaft.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

4. Wahl eines Mitgliedes für den Verwaltungsrat der deutschen Reichsbahngesellschaft.

Der Reichsverkehrsminister teilte mit, daß er auf Grund des Kabinettsbeschlusses vom 29. Dezember v. Js., nach dem der noch freie Sitz eines Mitgliedes des Verwaltungsrats der Reichsbahn mit einem Beamten besetzt werden solle, mit verschiedenen Vertretern von Beamtenorganisationen verhandelt habe2. Dabei seien ihm eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, die aber von anderen Seiten wieder bekämpft worden seien. Die Vorschläge von Organisationsvertretern seien von den Organisationen als persönliche Ansichten bezeichnet worden. Die Kandidatur von Rusch3 zum Beispiel habe der Vertreter von dessen Organisation, Wieck,[2211] erst hinter sechs anderen Vorschlägen gelten lassen. Die freien Gewerkschaften hätten erklärt, hinter Rusch zu stehen. Unter solchen Umständen sei er nicht in der Lage, die Wahl eines Beamtenvertreters vorzuschlagen.

2

Vgl. Dok. Nr. 616, P. 2.

3

Der Stellvertretende Vors. des Dt. Beamtenbundes Lenz hatte Eisenbahn-Oberingenieur Rusch als Beamtenvertreter vorgeschlagen (Vermerk des ORegR Pukaß vom 5.1.32, R 43 I /1060 , Bl. 302). Dagegen nominierte der Zentral-Gewerkschaftsbund Dt. Reichsbahnbeamten mit Schreiben vom 25.1.32 den RB-Oberinspektor Fritz Albers für den RB-Verwaltungsrat (Schreiben an den RK mit Abschrift des Schreibens an den RVM vom gleichen Tage in R 43 I /1060 , Bl. 314–317).

Sodann hätten sich während der Verhandlungen wegen eines Beamtenvertreters die Klagen aus Schlesien darüber gemehrt, daß Grund nicht wieder gewählt werden solle. Eine Reihe von schlesischen Organisationen, darunter die Stadt Breslau, die Industrie- und Handelskammer Breslau, ferner der Industrie- und Handelstag seien nachdrücklich für die Wiederwahl Grunds eingetreten4. Die Reichsbahn selbst habe auch zum Ausdruck gebracht, daß sie diesen Wunsch teile. Er, der Reichsverkehrsminister, sehe sich daher großen Schwierigkeiten gegenüber, wenn das Kabinett an dem Beschluß vom 29. Dezember 1931 festhalte und eine Wiederwahl Grunds ablehne.

4

Vgl. hierzu die Intervention des Geschäftsführers des DIHT, Hamm, vom 4.1.32 (Vermerk des ORegR Planck in R 43 I /1060 , Bl. 297) und die Eingaben des DIHT und des Reichsverbands des Dt. Groß- und Überseehandels vom 31.12.31 und das gemeinsame Telegramm der Provinz Niederschlesien, des OB von Breslau, der Handwerkskammer Breslau und der niederschlesischen Landwirtschafts-, Industrie- und Handelskammer in R 43 I /1060 , Bl. 304–310).

Der Reichsminister der Finanzen teilte mit, daß er gegen Grund grundsätzlich nichts einzuwenden habe. Er trete aber seit dem Kabinett Müller für die Ernennung eines Vertreters der neutralen Beamtenschaft in den Verwaltungsrat der Reichsbahn ein5. Deswegen bäte er, an dem Beschluß vom 29. Dezember v. Js. festzuhalten. Das scheine ihm auch angebracht im Hinblick auf die Öffentlichkeit.

5

Vgl. Dok. Nr. 203, P. 2.

Der Reichsverkehrsminister erklärte, von dem Kabinettsbeschluß vom 29. Dezember der Presse keine Mitteilung gemacht zu haben. Wegen der Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Beamtenschaft trete er dafür ein, den schlesischen Wünschen zu entsprechen.

Der Reichskanzler erklärte, die Gefahr zu sehen, daß, wenn noch mehr Organisationsvertreter in den Verwaltungsrat der Reichsbahn gewählt würden, dieser ebenso auf die schiefe Ebene kommen werde wie der Verwaltungsrat der Post.

Der Reichsarbeitsminister teilte aus seinen Erfahrungen als Reichsverkehrsminister mit, daß früher gerade Baden und Schlesien stets besondere Verkehrswünsche gehabt hätten. Baden sei beruhigt, seit Hackelsberger im Verwaltungsrat säße6. Im Sinne des Reichsverkehrsministers scheine es daher angebracht, Grund wieder zu ernennen. Außerdem müsse er anerkennen, daß die Wünsche des politisch gefährdeten Schlesiens Berücksichtigung verdienten.

6

Hackelsberger war durch Kabinettsbeschluß vom 10.5.30 in den Verwaltungsrat gewählt worden (Protokollauszug in R 43 I /1060 , Bl. 133–134; vgl. auch Dok. Nr. 30, P. 3).

Der Reichswehrminister teilte mit, daß bei ihm die Industrie- und Handelskammer und der Verband der Kleinbahnen vorstellig geworden seien mit dem Wunsch, für Grund einzutreten. Durch die Zuwahl weiterer Personalvertreter würde das ganze Gesicht des Verwaltungsrats verändert werden, der doch in erster Linie ein Rat von Wirtschaftskennern sein solle.

Der Reichsverkehrsminister wies auf das Bedenken hin, daß der Verwaltungsrat auch gegenüber der Reichsbahn an Unabhängigkeit weiter verlieren würde. Die[2212] Lieferanteninteressen seien schon sehr stark vertreten, ebenso die Beamten. Es sei zu beachten, daß in entscheidenden Fragen die Beamten im Hinblick auf ihr Fortkommen in ihren Stellungnahmen nicht frei wären.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, ob an dem Beschluß vom 29. Dezember v. J. festgehalten und beschlossen werden solle, daß Schlesien Berücksichtigung finden solle, sobald die nächste Stelle frei werde. Den zuständigen schlesischen Stellen könne eine entsprechende Mitteilung dann gemacht werden. Er teile allerdings die Bedenken, daß der Verwaltungsrat seinen Charakter verliere, wenn zu viele Beamte hineinkämen. Wirtschafts- und Finanzsachverständige schienen im Interesse der Reichsbahn in erster Linie berufen.

Der Reichsarbeitsminister meinte, daß der Verwaltungsrat der Post soviel Beamte enthalte, daß von einer Vertretung der Wirtschaft nicht mehr die Rede sein könne.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, die Schwierigkeiten seien dadurch entstanden, daß seinerzeit Hermann als Vertreter der freien Gewerkschaften in den Verwaltungsrat hineingekommen sei7, den die Gewerkschaften selbst nachher als ihren Vertreter nicht hätten gelten lassen.

7

Hierzu diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 84, Anm. 1, sowie diese Edition, Die Kabinette Brüning I/II, Dok. Nr. 203, P. 2.

Der Reichskommissar für die Osthilfe erklärte, für Grund einzutreten, weil dieser ein Vertreter des Ostens und Präsident der Industrie- und Handelskammer Breslau sei.

Der Reichskanzler erklärte, mit Rücksicht auf den Beschluß vom 29. Dezember v. J. von einer Abstimmung absehen zu wollen und bat die Minister Treviranus und Dietrich, sich über die Frage zu verständigen. Wegen seiner früheren Erfahrungen als Reichsverkehrsminister möge Minister Stegerwald dabei zugezogen werden8.

8

Am 2.2.32 mahnte der RVM schriftlich bei der Rkei erneut die Wahl des letzten RB-Verwaltungsratsmitgliedes an und bat um telefonische Zustimmung für die Wahl Grunds. MinDir. v. Hagenow notierte darauf handschriftlich: „Auf Vortrag beim Herrn Reichskanzler. Gegen eine Ernennung des Herrn Dr. Grund bestehen keine Bedenken. Die Herren Minister Stegerwald und Warmbold haben sich ausdrücklich einverstanden erklärt. Herr Min.[ister] Dietrich wünscht nicht befragt zu werden. Herrn Min.[ister] Treviranus habe ich dahin verständigt, daß Herr Präsident Dr. Grund somit zum Verwaltungsratsmitglied der Reichsbahn ernannt werden kann. […]“ Der RVM ernannte mit Schreiben vom selben Tage Grund zum RB-Verwaltungsratsmitglied (R 43 I /1060 , Bl. 328–329).

Extras (Fußzeile):