1.247.3 (bru3p): 3. Ersparnisse auf dem Gebiet der Rechtspflege.

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3. Ersparnisse auf dem Gebiet der Rechtspflege.

Der Reichsminister der Justiz erläuterte seine Vorschläge zu Ersparnis- und Vereinfachungsmaßnahmen auf dem Gebiete der Zivil- und Strafrechtspflege, wie sie in der anliegenden Aufzeichnung zusammengestellt sind, die in der Sitzung verteilt wurde7.

7

Die Vorlage befindet sich in R 43 I /1456 , S. 231–233.

Zu A. 1) trug er vor: Das Reichsgericht sei zur Zeit derart überlastet, daß es seine Aufgaben nur bewältigen könne mit einer solchen Zahl von Hilfsarbeitern, wie sie auf die Dauer nicht vereinbar wäre mit der gehobenen Stellung des Reichsgerichts. Eine Entlastung des Reichsgerichts solle namentlich dadurch herbeigeführt werden, daß die Revision beschränkt wird auf die Fälle, in denen ein sachlicher Grund für eine Revision vorliegt. Ausgeschlossen werden sollen künftighin von der Revision deswegen die Fälle, in denen die Revision auf Formalgründe gestützt wird, z.B. auf Verletzung der Vorschriften über das richterliche Fragerecht und über die Beweiswürdigkeit.

Zu A. 3) teilte er mit, daß die Einführung einer Gebühr für die Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis und für die fragliche Auskunftserteilung eine rein fiskalische Maßnahme sein soll. Sie sollen Preußen 200 00 RM erbringen. Nach den bisherigen Bestimmungen sei es nicht einmal möglich, auch nur eine Schreibgebühr für solche Leistungen der Justizverwaltung zu erheben.

Zu A. 4) sei festzustellen, daß eine Vereinfachung des Zustellungswesens erforderlich sei.

Zu B. 1) erklärte er, daß die Verlängerung der Wahlperiode der Schöffen und Geschworenen von 1 auf 2 Jahre ebenfalls eine wesentliche Ersparnis bedeute.

Zu B. 2) teilte er mit, daß die Vereinfachung des Instanzenzuges in Strafsachen eine Rückbildung der sogenannten Emminger’schen Reform8 bedeute und den früheren Zustand wieder herstellen würde. Die Verminderung der Instanzen werde auch zur Beschleunigung der Strafverfolgung führen, während nach dem jetzigen Prozeßrecht vielfach unvermeidbar sei, daß Strafverfahren unangemessen lange Zeit bis zur rechtkräftigen Erledigung bedürften. Insofern werde die vorgeschlagene Reform auch dem Gedanken Rechnung tragen, dem bei den Bestimmungen der Notverordnung über die sogenannten Monstre-Prozesse von der Reichsregierung bereits Geltung verschafft worden sei. Bei Urteilen der Amtsgerichte solle der Beschuldigte die Wahl zwischen Berufung oder Revision haben.

8

Es handelt sich um die Vo. über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.24 (RGBl. I, S. 15 ) des RJM Emminger: diese Edition, Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 35, P. 6.

Staatssekretär Dr. Weismann erklärte, daß besonders die Vorschläge zu B. 2) von Preußen sehr unterstützt würden. Die Vereinfachung würde eine ungeheuere[2561] Ersparnis bedeuten. Der Preußische Finanzminister habe sogar erheblich weitergehende Vorschläge gemacht9.

9

Der PrMinPräs. Braun hatte an den RK am 2.3.32 ein Schreiben gerichtet, in dem er wegen der finanziellen Notlage Preußens Ersparnisse auf dem Gebiete der Rechtspflege für notwendig erklärt hatte. Preußen sei dazu allein nicht in der Lage, vielmehr bedürfe es hierfür einer NotVo. des Reichs. Preußen hatte folgende Änderungen vorgeschlagen: Ausdehnung der Einzelgerichtsbarkeit in Zivilsachen erster Instanz, Ausschluß der Berufung in Ehesachen, Einschränkung der Beschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse, Beschlußverfahren bei Interventionsklagen, Einführung einer besonderen Gebühr für die Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis; im Strafrecht: Einschränkung der Berufung, Änderung der Beweisaufnahme, Ausdehnung des amtsrichterlichen Strafbefehls, Erweiterung der Amtsperioden der Schöffen und Geschworenen (R 43 I /1213 , Bl. 71–79). Der RJM hatte die Landesjustizverwaltungen mit einem Rundschreiben vom 29.3.32 über die preußischen Vorschläge unterrichtet (R 43 I /1213 , Bl. 84–94).

Der Reichsminister der Justiz setzte sodann die Erläuterung seiner Vorschläge fort.

Zu B. 4) teilte er mit, daß Prozesse wie der Sklarek-Prozeß10 unter Umständen ganz von vorn wieder verhandelt werden müßten, wenn die jetzigen Bestimmungen der Strafprozeß-Ordnung über die Unterbrechungsdauer der Hauptverhandlung nicht geändert würden11.

10

Nach fast neunmonatiger Verhandlungsdauer wurden Leo und Willi Sklarek wegen Betrugs in Tateinheit mit schwerer Urkundenfälschung und aktiver Bestechung zu je 4 Jahre Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust am 28.6.32 verurteilt; wegen passiver Bestechung wurden zehn ehemalige Beamte der Berliner Stadtverwaltung verurteilt (Schultheß 1932, S. 114–115).

11

Die Unterbrechungsdauer einer Hauptverhandlung sollte von drei auf zehn Tage verlänget werden (R 43 I /1456 , S. 233).

Staatssekretär Dr. Weismann schlug vor, über die vorgeschlagene Frist von 10 Tagen noch hinauszugehen und die statthafte Unterbrechungsdauer auf 14 Tage festzusetzen.

Das Kabinett war mit den Vorschlägen des Reichsministers der Justiz zu sämtlichen Punkten einverstanden, zu B. 4) mit der Maßgabe, daß die Unterbrechungsdauer auf 14 Tage verlängert werden solle.

Der Reichsminister der Justiz teilte ferner mit, daß eine Senkung der Gebühren des Patentamts notwendig sei, weil die jetzigen Jahresgebühren vielfach von den Patentinhabern nicht bezahlt werden könnten. Infolgedessen seien gegenüber rund 4000 Patenten im Jahre 1930 im Jahre 1931 über 8000 Patente verfallen. Die Ermäßigung der Gebühren werde infolgedessen voraussichtlich dem Patentamt vermehrte Einnahmen erbringen.

Das Kabinett war auch mit diesem Vorschlage einverstanden.

Staatssekretär Zweigert wies auf die Kabinettsvorlage des Reichsministers des Innern vom 7. Mai d.Js. – Reichsministerialsache […] betreffend die Entlastung des Bundesamts für das Heimatwesen hin12. Der Entwurf der betreffenden Gesetzesänderungen habe bereits im Umlaufverfahren die Zustimmung des Kabinetts gefunden13. Er empfehle, daß die betreffenden Gesetzesänderungen wegen des inhaltlichen Zusammenhanges mit den Vereinfachungsvorschlägen des Reichsministers[2562] der Justiz in der vorgesehenen Notverordnung in Verbindung mit diesen Vorschlägen veröffentlicht werden möchten.

12

Das Bundesamt für das Heimatwesen entschied in Streitfällen der öffentlichen Fürsorge. Wegen Personalmangels konnte das Amt die durch die Wirtschaftskrise sprunghaft angestiegenen Neueingänge nur schleppend bearbeiten. Daher hatten der RIM und der RArbM in einem VoEntw. über die Abordnung von Hilfsrichtern und die Einführung einer Berufungsgrenze vorgeschlagen (R 43 I /998 , Bl. 13; vgl. auch die entsprechende Vorlage vom 22.4.32 in R 43 I /998 , Bl. 2–10).

13

Kabinettsbeschluß vom 21.5.32, R 43 I /998 , Bl. 17.

Das Kabinett war damit einverstanden.

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